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Die Aktienkurse, sie sind zuletzt gefallen. Die an Schwung gewinnende Wirtschaft - noch bis vor wenigen Wochen ein Quell der (Anleger-)Freude - wird urplötzlich zur schlechten Nachricht. Was gestern noch frenetisch gefeiert wurde, macht heute vielen Angst.

Zwar lässt ein hochtourig laufender Konjunkturmotor bei den Unternehmen die Gewinne sprudeln. Doch das auch hat eine Kehrseite, wie ein Blick auf die jüngste Zinsentwicklung verrät. Nach Jahren der Nullteuerung stellt man sich an den Finanzmärkten erstmals wieder auf anziehende Preise ein.

Mit Folgen für die Anleihenmärkte: In New York flirtet die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen mit 3 Prozent, sodass die Akteure am dortigen Aktienmarkt nicht mehr länger grosszügig darüber hinwegschauen können. Bereits ab einem Schwellenwert von 2,85 Prozent werden die Zinsen für Aktien zu einer Belastung. So will es zumindest eine alte Faustregel.

Folglich müsste im Lager der Leerverkäufer ausgelassene Champagnerlaune herrschen. Und dennoch gibt man sich überraschend kleinlaut. Das hat einen triftigen Grund: Nicht wenigen ist - wie wir heute wissen - unmittelbar vor Erreichen der Ziellinie der Atem ausgegangen. Das ist verständlicherweise ärgerlich.

Während die Schweizer Börse SIX noch immer keine Erhebungen durchführt, zeigen die Statistiken der New York Stock Exchange, dass sich die Leerverkäufer bei den dort gehandelten Aktien von Schweizer Grosskonzernen seit Wochen auf dem Rückzug befinden.

Gegen die beiden Indexschwergewichte Roche und Novartis liefen in New York zuletzt noch Wetten im Umfang von 1,08 Millionen beziehungsweise 1,87 Millionen American Deposit Receipts (ADRs). Das ist substanziell weniger als noch Mitte Januar.

Interessant ist, dass die Wetten gegen Roche zurückgefahren wurden, obwohl der Pharma- und Diagnostikkonzern - den Effekt der amerikanischen Unternehmenssteuerreform ausgeklammert - mit eher enttäuschenden Zielvorgaben für 2018 aufwartete. Die Trump-Regierung rettete den Baslern sozusagen den Tag.

Die ADRs von Roche (rot) im 12-Monats-Vergleich mit jenen von Novartis (grün). (Quelle: www.cash.ch)

Selbst bei Logitech sitzen die Leerverkäufer nicht mehr ganz so sicher im Sattel. Mittlerweile wird nur noch mit 4,13 Millionen und damit mit halb so vielen ADRs gegen den Peripheriegerätehersteller aus Lausanne spekuliert wie noch zu Jahresbeginn.

Das mag auch unternehmensspezifische Gründe haben, kann Logitech doch auf das beste Weihnachtsgeschäft in der Firmengeschichte zurückblicken. Dieses liess sogar eine Erhöhung der diesjährigen Zielvorgaben für den operativen Gewinn (EBIT) zu.

Seit gestern ist bekannt, dass der Credit Suisse neuer juristischer Ärger droht. In New York haben dortige Aktionäre eine Sammelklage im Zusammenhang mit einem milliardenschweren Abschreiber auf schlecht handelbaren Finanzprodukten gegen die Grossbank sowie gegen Konzernchef Tidjane Thiam und seinen Finanzchef David Mathers eingereicht.

Dennoch zogen sich die amerikanischen Leerverkäufer in den vergangenen vier Wochen auch bei der Credit Suisse aus ihren Wetten zurück.

Jene gegen die Swatch Group fielen zuletzt um 7 Prozent auf 690'000 Titel und damit auf den tiefsten Stand seit Jahren. Am Schweizer Aktienmarkt galten die Inhaberaktien des Bieler Uhrenherstellers einst gar als der am häufigsten leerverkaufte Titel. Tempi passati - das Unternehmen scheint bei Anlegern vollständig rehabilitiert.

Kursentwicklung der ADRs der Swatch Group über die letzten Wochen. (Quelle: www.cash.ch)

Wie mir aus London und New York berichtet wird, haben dortige Leerverkäufer den jüngsten Kursrücksetzer genutzt, um ihre Wetten weiter zurückzufahren. Mit anderen Worten: Kaum jemand rechnet mit einer Fortsetzung des Kursrutschs.

Das wiederum überrascht nicht, vergleichen viele Anlagestrategen die heutige Ausgangslage mit jener von 1994. Auch damals gerieten die Aktiennotierungen aufgrund steigender Zinsen ins Rutschen. Allerdings erwies sich der Zinsbuckel als ein kurzlebiges Phänomen. Das Gewitter an den Börsen dauerte nicht lange.

Zwei Dinge unterscheidet die jetzige Ausgangslage von damals: Zum einen ist die Verschuldung um ein Vielfaches höher als damals und zum anderen haben sich die Finanzmärkte in den letzten Jahren an die geradezu lächerlich günstigen und leicht zugänglichen Finanzierungsmöglichkeiten gewöhnt. Steigen die Zinsen weiter, kann es sehr ungemütlich werden.

Die Steuerreform der Trump-Regierung und das geplante Infrastrukturpaket werden die Verschuldung der Vereinigten Staaten noch einmal kräftig steigen lassen. Wichtige Gläubiger - darunter das mächtige China - sind nicht mehr bereit, dem wirtschaftspolitischen Kurs länger Hand zu bieten. Sie werfen im grossen Stil amerikanische Staatsanleihen auf den Markt, was die Zinsen auch ohne Teuerungsschub steigen lässt.

Noch durchleben wir an den Aktienmärkten jedoch "bloss" eine Korrektur und keine Baisse. Von einer Börsenbaisse ist gemäss Lehrbuch nämlich erst dann die Rede, wenn die Aktienindizes um mehr als 20 Prozent unter die Höchststände fallen. So weit sind wir aber weder an der Leitbörse in New York, noch am Schweizer Aktienmarkt.
 

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