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Noch bis vor wenigen Monaten herrschte bei der Übernahme- und Fusionstätigkeit regelrecht Ebbe. Seither wurden weltweit Firmentransaktionen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 2‘000 Milliarden Dollar bekanntgegeben - und täglich werden es mehr.

Auch hierzulande geraten immer mehr Unternehmen ins Visier ausländischer Rivalen oder Finanzinvestoren. Jüngstes Beispiel ist Nobel Biocare. Nach von Übernahmespekulationen geprägten Jahren gab der Hersteller von Premiumimplantaten vergangene Woche erstmals zu, konkrete Interessensbekundungen erhalten zu haben.

Obschon ein Verkauf des Unternehmens alles andere als spruchreif ist, ist in hiesigen Analystenkreisen eine Jagd auf die nächsten Übernahmeziele entbrannt.

Erst gestern widmete Kepler Cheuvreux eine Studie zum europäischen Pharma- und Biotechnologiesektor dem Thema Steuerflucht amerikanischer Unternehmen mittels Übernahmen im Ausland. Die Botschaft der Studienverfasser ist unmissverständlich: Obschon sich in Übersee langsam aber sicher politischer Widerstand gegen diese Form von Steueroptimierung formiert, bleibt das Fenster für solche Übernahmen noch mindestens fünf Monate geöffnet.

Dank der vergleichsweise tiefen Steuerbelastung zählen die Experten den Hörgerätehersteller Sonova, das Pharmaunternehmen Galenica und den Laborausrüster Tecan hierzulande zu den attraktivsten Zielen. Es würden jedoch geeignete Interessenten fehlen, so heisst es weiter. Als wahrscheinlichster Übernahmekandidat wird in der Studie deshalb Actelion genannt, obschon sich CEO und Gründungsmitglied Jean-Paul Clozel in den letzten Jahren immer wieder für die Eigenständigkeit des Allschwiler Biotechnologieunternehmens stark machte.

Ebenfalls in einer gestern erschienenen Sektorenstudie bringt der für die Baader Bank tätige Verfasser Clariant als mögliches Übernahmeziel ins Gespräch. Die Wahrscheinlichkeit grösserer Übernahmen und Zusammenschlüsse habe zugenommen, so schreibt der Experte. Als Käufer müssen neben der deutschen Evonik vor allem die deutlich grösseren Rivalen aus den USA und den Schwellenländern herhalten.

Wie Nobel Biocare stand in den vergangenen Jahren auch Bâloise mehr als einmal im Zentrum von Übernahmespekulationen. Beim Zusammenschluss von Helvetia mit der National-Versicherung bleibt das Unternehmen aussen vor. Bâloise hat deshalb damit begonnen, die an der National-Versicherung gehaltene Beteiligung zu versilbern. Schätzungen aus dem Aktienhandel der MainFirst Bank zufolge kann die ehemalige Grossaktionärin in der Folge einen ausserordentlichen Gewinn von rund 115 Millionen Franken verbuchen. Rund die Hälfte davon sei dem Lebensversicherungsgeschäft und dort den Policenhaltern zurechenbar, so heisst es in einem Kommentar.

Ich teile die Meinung des für die MainFirst Bank tätigen Verfassers, dass nach dem Verschwinden der National-Versicherung vom Kurstableau vermehrt wieder Bâloise zum Spekulationsobjekt verkommen könnte.

In Händlerkreisen werden hierzulande auch die äusserst erfolgreichen Halbleiterhersteller AMS und u-blox als Übernahmeziele genannt. Interessenten müssten bei diesen beiden Unternehmen vermutlich jedoch tief in die Tasche greifen, um sich die Zustimmung der Aktionäre zu sichern.

An dieser Stelle sei gesagt, dass gezielte Wetten auf potenzielle Übernahmekandidaten mit gewaltigen Risiken verbunden sind. Anlageentscheide ausschliesslich auf Basis solcher Fantasien zu fällen, hat sich in der Vergangenheit selten ausbezahlt gemacht.

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Schon seit Monaten lässt der für das Cross Asset Research von Kepler Cheuvreux tätige Stratege keine Gelegenheit aus, um seiner Zuversicht für die europäischen Aktienmärkte Nachdruck zu verleihen.

Nach dem Rückschlag von Ende letzter Woche wähnt sich der Experte nun in Erklärungsnot. Allerdings schlägt er weiterhin beruhigende Töne an und sieht den viel beachteten EuroStoxx-50-Index nicht unter die psychologisch wichtige Marke von 3‘000 Punkten fallen, obschon das Barometer mittlerweile weniger als 30 Punkte davon trennen.

Der Stratege bleibt bei seiner bisherigen Einschätzung, dass das bereits in Aktien investierte Kapital in den Märkten bleibt und man vergebens auf eine Kapitulation der Haussiers wartet.

Aufgrund des schwierigeren Umfelds nimmt der Experte dennoch Anpassungen bei seinen Branchenpräferenzen vor. Er stuft die Automobilhersteller von "Overweight" auf "Neutral" und die Hersteller langlebiger Konsumgüter sogar von "Overweight" auf "Underweight" zurück. In diesem Zusammenhang steht vermutlich auch die Rückstufung des deutschen Aktienmarktes von "Neutral" auf "Underweight". Im Gegenzug wird der Versicherungssektor von "Neutral" auf "Overweight" angehoben. Neu rät der Stratege damit zu einem Übergewicht bei den Finanzwerten.

Noch ist es meines Erachtens zu früh, um in Panik zu verfallen. Während sich die meisten Marktteilnehmer am Swiss Market Index (SMI) orientieren, ziehe ich den Swiss Performance Index (SPI) hinzu. Denn letzterer wird nicht durch die Dividendenabgänge vom Frühjahr verfälscht. Ein Blick auf den Verlauf dieses Börsenbarometers offenbart bislang keine klassische Trendumkehrformation. Gut möglich, dass der SPI bei 8‘140 Punkten vorübergehend unter seinen gleitenden Durchschnitt auf 200 Tage fällt. Solange dieser trendbestimmende gleitende Durchschnitt jedoch nicht substanziell unterschritten wird, rate ich Anlegern davon ab, die Flinte voreilig ins Korn zu werfen. Aus aktuellem Anlass werde ich in den kommenden Handelstagen an dieser Stelle gegebenenfalls über wichtige Entwicklungen rund um den Schweizer Aktienmarkt berichten.