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Am 21. Februar warnte ich an dieser Stelle, dass bei den Biotechnologieaktien Anzeichen einer Überhitzung auszumachen seien. Nur zwei Tage später erreichte der Amex Biotechnology Index zum vorerst letzten Mal einen neuen historischen Höchststand. Seither bekundet das Branchenbarometer sichtlich Mühe. Am vergangenen Freitag kam es erstmals zu einer grösseren Verkaufswelle.

Vermutlich treffen vorwiegend deshalb immer wieder Anfragen von verunsicherten Lesern sowie von befreundeten Händlern zu diesem Thema bei mir ein.

Gerade aus den USA wurden mir in den letzten Tagen zahlreiche Kommentare zum jüngsten Rückschlag bei den Biotechnologieaktien zugetragen. Mit einer einzigen Ausnahme wird in allen diesen Kommentaren zur Besonnenheit aufgerufen, was mich nicht sonderlich überrascht. Denn vor allem in Übersee wurden die meisten Strategen vom jüngsten Rückschlag auf dem falschen Fuss erwischt.

Gerade was die Credit Suisse schreibt, möchte ich meiner Leserschaft nicht vorenthalten. Den verantwortlichen Experten zufolge geht der letzte Exzess bei den Biotechnologieaktien in die Jahre 1999/2000 zurück. Damals sei von der Entschlüsselung des menschlichen Genoms Fantasie ausgegangen. Erst als politische Entscheidungsträger in den USA und Grossbritannien durchblicken liessen, dass sie keine Handhabe zum patentrechtlichen Schutz menschlicher Genomsequenzen bieten würden, sei die Blase geplatzt.

Die Experten der Schweizer Grossbank machen einmal mehr die Politik für den jüngsten Rückschlag verantwortlich. Auslöser seien Vorbehalte von Abgeordneten des amerikanischen Repräsentantenhauses in Bezug auf die Preisgestaltung von Gilead Sciences bei einem Kombinationsmedikament gegen Hepatitis-C. Wie schon in den Jahren 1999/2000 beeinträchtige die politische Diskussion die Stimmung bei den Biotechnologieaktien stärker als die fundamentale Ausgangslage.

In einer Blase wähnen die Experten den amerikanischen Biotechnologiesektor ihren Aussagen zufolge jedoch nicht. Zumindest die Aktien führender Unternehmen seien deutlich günstiger bewertet und deshalb besser gegen unten abgestützt als damals. Komme es zu einem weiteren Rückschlag von 10 Prozent, decke sich die Bewertung auf Basis der nächstjährigen Konsensschätzungen mit jener des breiten amerikanischen Aktienmarktes. Darüber hinaus konzentriere sich der Mittelzufluss nicht in die Aktien kleiner und defizitärer Unternehmen, sondern in jene führender und rentabler Biotechnologiekonzerne. Solange es nicht bei diesen Unternehmen zu grösseren Enttäuschungen komme, bestehe noch immer Raum für höhere Kurse, so die Experten.

Eine noch klarere Meinung haben die Berufskollegen von Stifel Nicolaus. Nach dem starken Abschneiden der letzten Jahre sei ein Rückschlag überfällig gewesen. Die Kritik rund um die Preisgestaltung des Hepatitis-C-Medikaments von Gilead Sciences sei unangebracht und daher keine Gefahr. Der langfristig intakten Wachstumsaussichten und der noch immer vernünftigen Bewertung wegen sei mit einer Fortsetzung der Biotechnologie-Hausse zu rechnen. Die Experten sehen im jüngsten Rückschlag eine günstige Kaufgelegenheit.

Wenn sich der amerikanische Aktienmarkt in einer Übertreibungsphase befindet, dann gilt das erst recht für den dortigen Biotechnologiesektor. Ich bin mir den produktseitigen Meilensteinen der letzten Jahre und den anhaltenden Übernahmefantasien durchaus bewusst. Dennoch läuten bei mir jedes Mal die Alarmglocken, wenn ein Branchenindex oder einzelne Aktien exponentiell in noch nie erreichte Höhen schiessen.

Nach solchen Exzessen braucht es nicht viel, um eine schmerzhafte Korrektur einzuleiten. Dass die Goldgräberstimmung in der amerikanischen Biotechnologieindustrie die Politik auf den Plan ruft, überrascht mich nicht. Anders als in der Vergangenheit wird die Kritik an der Preisgestaltung für biotechnologische Medikamente und die aus Aktionärssicht geradezu traumhaft hohen Margen nicht so schnell verstummen und vermutlich aus Übersee auf Europa übergreifen.

Der Amex Biotechnology Index hat sich seit dem Zwischentief vom Winter 2008 mehr als verfünffacht und ist in den Monaten vor dem jüngsten Rückschlag exponentiell gestiegen. Jetzt schon von einem grundlegenden Stimmungsumschwung zu sprechen, wäre verfrüht. Ganz im Gegenteil: Eine überwältigende Mehrheit der Banken und ihrer Strategen sind noch immer ungebrochen zuversichtlich. Ihre Haltung überdenken sie vermutlich erst dann, wenn das Branchenbarometer nicht wieder über die Höchststände von Ende Februar bei 2964 Punkten steigt. Bis dahin ist die Biotech-Party fürs erste zu Ende.

Noch unklar bleibt, ob die Aktien hiesiger Biotechnologieunternehmen unabhängig von den Entwicklungen in Übersee ein Eigenleben entwickeln können. Vermutlich nicht, ist der Schweizer Aktienmarkt doch fest in der Hand angelsächsischer Grossinvestoren. Ausserdem nimmt die stolze Sektorenbewertung auch hierzulande einiges an Zukunftsmusik vorweg.

Und obschon ich auf lange Sicht an die Aussichten im Biotechnologiesektor glaube und mir bewusst ist, dass Trends an den Märkten für gewöhnlich länger dauern als gedacht, bleibe ich dabei: Der Sektor und viele seiner Einzelaktien sind noch immer überhitzt und die Korrektur bei weitem nicht ausgestanden. Ich rate deshalb zur Zurückhaltung und zu einer hohen Selektivität.