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Es ist eine ziemliche Ansage: Der für die Bank Julius Bär tätige Charttechnikexperte Mensur Pocinci schliesst nicht aus, dass die Genussscheine von Roche die Talfahrt wieder aufnehmen und ihr Kurs auf 205 Franken weiterfällt. Dort verläuft ein wichtiges Zwischentief aus dem Jahr 2018.

In einem Kommentar nimmt Pocinci kein Blatt vor den Mund. Seines Erachtens lässt die charttechnische Ausgangslage bei den Valoren der Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel mit dem Bruch des seinerzeitigen Jahreshochs von 2007 bei 240 Franken auf eine Fortsetzung der Korrektur schliessen. Die Talsohle dürfte – abgestützt auf die langfristigen Momentum-Indikatoren - wohl erst im kommenden Jahr erreicht und durchschritten werden. Pocinci sieht im Schwergewicht auch eine Hypothek für den Swiss Market Index (SMI).

Mit dieser rabenschwarzen Kursprognose widerspricht der Charttechnikexperte nicht nur dem hauseigenen Pharmaanalysten Fabian Wenner. Dieser preist die Genussscheine von Roche mit einem Kursziel von 320 Franken zum Kauf an – immer im Wissen um die Unterschiede zwischen technischer und fundamentaler Aktienanalyse. In gewisser Weise widerspricht er sich auch selbst – stuften er und sein Abteilungskollege Markus Wachter den SMI doch erst kürzlich von "Inline" auf "Bullish" herauf. Doch ohne Roche und die beiden anderen Schwergewichte Nestlé und Novartis dürfte der Schweizer Aktienmarkt wohl kaum wieder in die Gänge kommen.

Kursdebakel bei den Bons von Roche seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Sollten die Genussscheine von Roche tatsächlich auf 205 Franken zurückfallen, würde die Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel den Pharmazulieferer Lonza als diesjähriges Schlusslicht unter den Grossunternehmen aus dem SMI ablösen. Diese Valoren haben seit Januar knapp 23 Prozent an Kurswert eingebüsst. Zum Vergleich: Bei Roche beträgt das Minus um die 18 Prozent, nachdem die Genussscheine zuletzt Boden gutmachen konnten.

Wenn ich in meinen mehr als drei Jahrzehnten an der Börse etwas gelernt habe, dann dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Aktie die Talsohle erreicht hat, eigentlich mit jeder zusätzlichen Verkaufsempfehlung steigt. Für mögliche Erklärungen der Kursflaute bei Roche und den beiden anderen SMI-Schwergewichten verweise ich übrigens auf meine Kolumne vom vergangenen Dienstag.

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Der in hiesigen Börsenkreisen als "Düsseldorfer" bekannte deutsche Anlegerbrief war schon oft zu Gast in meiner Kolumne – wenn auch aus den unterschiedlichsten Gründen. Einerseits lässt sich sagen, dass die Autoren eine Schwäche für Aktien aus der Schweiz haben. Andererseits schreiben sie sich bei ihren teils abenteuerlichen Empfehlungen gerne um Kopf und Kragen.

Rund um eine Kaufempfehlung für die Aktien von AMS Osram stellte ich einst etwa klar:

Wenige Monate später wartete derselbe Investorenbrief dann mit völlig wirren Aussagen zum Schwergewicht Novartis auf, was mich zu folgender Klarstellung veranlasste:

...und...

In der neusten Ausgabe scheinen die Autoren nun auch bei Idorsia einige Dinge durcheinander zu bringen. Das Pharmaunternehmen aus Allschwil werde überleben, gelte die kritische Phase doch als überwunden, so ist etwa nachzulesen. Und weiter: Mehrere Aktionäre hätten den Baselbietern Finanzierungshilfe gewährt.

Kurszerfall bei den Idorsia-Aktien in den letzten Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Zur Erinnerung: Dank einem Überbrückungskredit des Gründer-Ehepaars Jean-Paul und Martine Clozel hatte der Verwaltungsrat genügend Zeit, einen Käufer für Teile des Asien-Geschäfts zu finden. Hilfe von anderen Aktionären gab es nicht. Ausserdem deckt der Verkauf den Mittelbedarf voraussichtlich nur bis Anfang nächsten Jahres ab. Darüber, ob die kritische Phase überwunden sei, lässt sich deshalb durchaus streiten – selbst wenn ich es dem Unternehmen und seiner Belegschaft von ganzem Herzen gönnen würde.

Und auch die Passage zum Schlafmittel Quviviq zeugt von wenig Recherche-Arbeit. Das umstrittene Schlafmittel sei noch nicht durchgetestet und gelte als eine Art Herausforderung gegenüber der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA, wie da im Anlegerbrief steht. Fakt ist, dass Quviviq keinesfalls umstritten ist. Das Medikament wurde schon im Januar 2022 von der FDA zugelassen und ist seit April desselben Jahres erhältlich. Umstritten ist allenfalls das kommerzielle Potenzial, verkauft sich das Schlafmittel doch schleppender als man sich in Analystenkreisen ursprünglich erhofft hatte.

Mir ist bewusst, dass nicht mit Steinen werfen sollte, wer wie ich im Glashaus sitzt. Und dennoch erscheint er mir wichtig, die Dinge richtigzustellen...

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