Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.
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Werte Leserin
Werter Leser
Am Donnerstag und Freitag letzter Woche wurde ich während dem Schreiben des Insider Briefings und meiner Kolumne von Fieberschüben heimgesucht. Ich biss tapfer die Zähne zusammen – in der Hoffnung, dass die Qualität meines Tuns nicht darunter leiden würde. Als ich am Samstag dann schon in der Früh mit 39.3 Grad Celsius wach wurde und das Fieber nicht mehr auf verschreibungsfreie Medikamente ansprach, war mir klar, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Also suchte ich umgehend die nächste Notfallpraxis auf. Dem treffsicheren Instinkt eines jungen und aufstrebenden deutschen Arztes sei Dank, dauerte es nicht lange, und ich wusste: Ich habe mir eine Lungenentzündung zugezogen.
Ein hochdosiertes Antibiotikum, viel Pflege durch meine Liebste und zwangsverordnete Bettruhe haben nun dafür gesorgt, dass ich mich seit heute Freitag wieder mit dem Börsengeschehen herumschlagen darf. Unter uns gesagt: Den ganzen Tag untätig im Bett herumzuliegen wurde irgendwann zur Qual...
...und so bin ich doch froh, endlich wieder "unter den Lebenden" zu weilen und diese Zeilen schreiben zu dürfen. Ein grosses Dankeschön geht an dieser Stelle noch einmal an den besagten Mediziner – und natürlich ein nicht eben weniger grosses an meine liebe Frau.
Wenden wir uns nun aber dem hiesigen Börsengeschehen zu. Anders als in der Vorwoche war die Nachrichtenlage bei uns am Schweizer Aktienmarkt deutlich weniger hektisch. Mit dem Bauchemiespezialisten Sika, dem Verpackungsmaschinenhersteller SIG oder der einstigen Monopolistin Swisscom legten hierzulande zwar weitere Grossunternehmen ihre Halbjahresergebnisse vor. Allerdings verlief über weite Strecken alles in geregelten Bahnen. Bei den betroffenen Aktien blieben grössere Kursausschläge aus. Und auch der Chef der amerikanischen Notenbank, "Jay" Powell, hatte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag keine grösseren Überraschungen mit im Gepäck. Seine Notenbank-Gouverneure und er liessen die Leitzinsen unangetastet, deuteten gleichzeitig jedoch an, dass im September mit einer ersten Zinssenkung gerechnet werden darf. Beides spiegelt sich so in New York bereits in den Anleihenkursen wider.
Mit Ausnahme der paar Zahlenkränze waren bahnbrechende Neuigkeiten aus der hiesigen Unternehmenswelt ansonsten eher Mangelware. Selbst Beteiligungsmeldungen gingen fast keine bei der SIX Swiss Exchange ein.
Einen Lauf haben die Aktien von Sandoz. Am Mittwoch kosteten die Valoren des Börsendebütanten in der Spitze bis zu 38,79 Franken. Mit einem Plus von knapp 3 Prozent alleine seit Montag zeichnet sich heute Freitag schon um die Mittagszeit ab, dass der Hersteller von Nachahmermedikamenten bei den hiesigen Grossunternehmen als Sieger aus der Handelswoche hervorgehen dürfte.
Höhenflug der Sandoz-Aktien seit ihrem Börsendebüt (Quelle: www.cash.ch)
Impulse gingen zuletzt von den neusten Absatzstatistiken für den amerikanischen Medikamentenmarkt aus. Wie sich einem Kommentar von J.P. Morgan entnehmen lässt, setzte Sandoz im Juli mit dem Humira-Biosimilar 86 Millionen Dollar um. Das entspricht im Vergleich zum Vormonat einem erfreulichen Plus von 18 Prozent. Die Umsätze mit dem Lucentis-Biosimilar stiegen gegenüber Juni sogar um 25 Prozent auf 37 Millionen Dollar. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Analystenschätzungen für die beiden Nachahmerpräparate könnten sich als viel zu tief erweisen. Fragt sich bloss, ob und wie viel davon nach dem guten Lauf der Aktien in den letzten Wochen bereits eingepreist ist. J.P. Morgan preist diese mit "Overweight" an, wobei ich mir vorstellen könnte, dass das 36,50 Franken lautende Kursziel zum zuständigen Analysten James Gordon vermutlich schon bald unter positiven Vorzeichen überarbeitet wird.
Nachdem der für Kepler Cheuvreux tätige Analyst Nicolas Pauillac kurz zuvor die Erstabdeckung der Sandoz-Aktien mit "Buy" und einem Kursziel von 42 Franken aufgenommen hatte, scheint nun auch seine Berufskollegin Emily Field von der britischen Barclays die Valoren für sich entdeckt zu haben. Sie preist diese im Rahmen einer Erstabdeckung mit "Overweight" und einem Kursziel von 45 Franken zum Kauf an.
Sie gründet ihre Zuversicht einerseits auf das hohe kommerzielle Potenzial im Geschäft mit Biosimilars, andererseits aber auch auf der grundsoliden Bilanz. Letztere biete genügend finanziellen Spielraum für Investitionen in die Produktepipeline, wie Field weiter schreibt.
Es ist mal wieder typisch: Als Sandoz im Oktober letzten Jahres an die Börse kam, fristeten die Aktien der früheren Novartis-Tochter bei Kursen um die 25 Franken über elend lange Wochen hinweg so etwas wie ein Mauerblümchen-Dasein. Wenige Monate später und 10 Kursfranken höher finden sie neuerdings regen Absatz.
In knapp einer Woche legt der Hersteller von Nachahmermedikamenten sein Halbjahresergebnis vor. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Unternehmen seine diesjährigen Finanzziele an diesem Tag nach oben anpassen wird. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Wie viel davon ist bereits eingepreist...?
Eine Herunterstufung trifft für die Genussscheine von Roche ein – und das erst noch aus einer ziemlich unerwarteten Ecke: Der für die Bank Julius Bär tätige Pharmaanalyst Fabian Wenner erhöht sein Kursziel im Anschluss an die Halbjahreszahlen zwar leicht auf 295 (zuvor 290) Franken. Angesichts des geringen verbleibenden Aufwärtspotenzials gegenüber den zuletzt bezahlten Kursen von 284 Franken nimmt er sein Anlageurteil jedoch von "Buy" auf "Hold" zurück.
Wie Wenner schreibt, hat die Pharma- und Diagnostikgruppe in den letzten Wochen und Monaten viel an Vorschusslorbeeren für die sich noch in einer frühen Entwicklungsphase befindliche Schlankheitspille erhalten. Seines Erachtens verkennt die Börse die hohen Kosten und die üppigen Vorabinvestitionen, welche für einen kommerziellen Erfolg dieser Pille notwendig sind. Er tritt nun an die Seitenlinie und will erst einmal weitere Pipelineerfolge abwarten.
Neugierig wie ich bin, habe ich in meinen Unterlagen nachgeschaut, auf wann die Kaufempfehlung des Analysten zurückgeht. Wirklich schlau bin ich dabei nicht geworden. Was ich weiss ist, dass er die Genussscheine schon im November letzten Jahres zum Kauf anpries. Damals sogar noch mit einem Kursziel von 320 Franken. Gerade vor diesem Hintergrund überrascht mich, dass Wenner sein Kursziel nur leicht erhöht und stattdessen seine Kaufempfehlung überdenkt hat.
Bleiben wir bei den Aktienanalysten. Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen ja, dass ich mit dieser Zunft nicht selten hart ins Gericht gehe. Ich habe es mir - in der Rolle des "aussenstehenden Beobachters" - in all den Jahren geradezu zur Aufgabe gemacht, stets etwas genauer hinzuschauen. Denn irrt sich ein Aktienanalyst, dann geht er über seine Bücher, passt sein Bewertungsmodell den neuen Gegebenheiten an und seine Arbeit ist damit getan. Irrt man sich als Anlegerin oder Anleger, dann kostet das Geld.
Kursentwicklung der Aktien von Nestlé rund um die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen herum (Quelle: www.cash.ch)
Umso mehr möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auch einmal ein Lob auszusprechen. Jefferies-Analyst David Hayes hat den Kurszerfall bei den Nestlé-Aktien auf den Franken genau vorhergesagt - und zwar schon im Dezember letzten Jahres, als eine überwältigende Mehrheit seiner Berufskollegen bei anderen Banken das SMI-Schwergewicht mit Kurszielen von 135 Franken und mehr zum Kauf anpriesen. Zeitweise war er sogar der einzige seiner Berufsgruppe weit-und-breit, welcher zum Verkauf der Aktien riet. Chapeau - auch dafür, dass Hayes nach dem Erreichen seines Kursziels von 86 Franken wieder von "Underperform" auf "Hold" zurückgeht. Mit 87 Franken liegt das neue Kursziel nur unwesentlich über dem bisherigen. Will heissen: Mit dem schnellen Geld rechnet der Jefferies-Analyst trotz des gedrückten Kurs- und Bewertungsniveaus nicht.
Letzten Freitag schrieb ich, dass Nestlé-Chef Mark Schneider sein Versprechen einlöste, als er für das zweite Quartal eine positive Entwicklung beim Volumenabsatz auswies. Das half aber nicht zu verhindern, dass der Nahrungsmittelmulti aus Vevey in der ersten Jahreshälfte mit einem organischen Umsatzwachstum von 2,1 Prozent an den von Analysten durchschnittlich erwarteten 2,5 Prozent vorbeischrammte. Gleichzeitig sah sich das Unternehmen gezwungen, sein diesjähriges Wachstumsziel leicht nach unten anzupassen.
Ausserdem berichtete ich bei dieser Gelegenheit davon, dass der Rivale Unilever seinen Gruppenumsatz in den ersten sechs Monaten dieses Jahres - ebenfalls organisch betrachtet – um mehr als 4 Prozent steigern konnte. Mittlerweile liegen auch von Danone Zahlen vor. Die Franzosen erzielten ebenfalls ein organisches Umsatzwachstum von 4 Prozent, wobei die Absatzpreise um 1,9 Prozent erhöht und die Absatzmengen gleichzeitig um 2,1 Prozent gesteigert werden konnten. Auch das ein ziemlicher Affront an die Adresse von Nestlé-Chef Schneider...
Die zuletzt enttäuschenden wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren haben der Stimmung unter den hiesigen Aktienmarktakteuren einen ziemlichen Dämpfer versetzt. Für mich kommt der Rücksetzer vor dem Wochenende nicht überraschend, haben sich die Aktienkurse in den letzten Wochen und Monaten doch etwas gar weit von der wirtschaftlichen Realität nach oben abgekoppelt. Die kommenden Handelstage werden aus meiner Sicht wegweisend, was die Börsenentwicklung der nächsten sieben bis acht Wochen anbetrifft.
Vielleicht sind wir nächsten Freitag schlauer, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar. |
13 Kommentare
Gute Besserung, die Gesundheit geht vor!
Herzlichen Dank.
Guten Morgen "Cash Insider"...
Wenn ich zwischen dem "middle-Börsencrash" vom Freitag und Ihrer "bösen" Lungenentzündung wählen müsste, wäre mir zweifellos der Börsencrash weniger wichtig als die Lungenentzündung. Deshalb, Ihnen weiterhin gute Besserung, nehmen Sie die Pause als Chance wahr und tragen Sie sich in den nächsten Tagen Sorge. Gute Besserung, "es chunt scho wider guet". pje Die Börse wird sich ganz sicher auch wieder erholen!
Lieber Herr Ern. Auch Ihnen ganz herzlichen Dank. Auf Rat meines Hausarztes halte ich "den Ball momentan noch flach". Ganz nach dem Motto das eine tun (Briefing und Kolumne schreiben) und das andere nicht seinlassen (mich schonen). Und ja: Börsengewitter wie das der letzten Handelstage gab es immer wieder. Wichtig ist, besonnen zu reagieren und nicht in Panik zu verfallen. Panik war an den Finanzmärkten schon immer ein schlechter Ratgeber. Herzliche Grüsse.
Lieber cash_insider
Herzlichen Dank für die Aufklärung über Ihre Abwesenheit. Ich habe die Artikel vermisst und mich gefragt, was wohl los ist. Ich lese Ihre Mittagsberichte regelmässig.
Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg gute Genesung und freue mich auf Ihre nächsten Nachrichten.
Lieber Mirco
Vielen Dank für diese Worte, Ihre Sorge um mich sowie für die Genesungswünsche. Mir geht es bereits wieder sehr viel besser.
Von dem her darf nun wieder frühmorgens mit dem Insider Briefing und dann mit der Kolumne um die Mittagszeit herum gerechnet werden.
Herzliche Grüsse.
Zu verschiedenen Malen habe ich hier im Forum meiner grossen und zunehmenden Skepsis gegenüber den Verlautbarungen der Analysten-Gemeinde Ausdruck verliehen, anscheinend bin ich nicht alleine. Umso mehr erstaunt es mich, dass deren Meinungen täglich eine derart unverhältnismässig gewichtige Bedeutung beigemessen wird. Ich bin zwar nur ein kleiner Anleger mit beschränkten Möglichkeiten, bin hingegen in der Lage, mit meiner Erfahrung als langjähriges GL-Mitglied eines grossen Schweizer Untenehmens die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten einigermassen gut beurteilen zu können. Übrigens verstehe ich auch die Arbeitgeber der Analysten - in der Regel Banken - nicht, dass sie ihre Reputation mit solchen Veröffentlichungen aufs Spiel setzen.
Aber, Herr Rodolfo, die Analysten-Einschätzungen sind ja nur eine von vielen Informationen die wir konsultieren können. Auch wenn ich mit Ihnen grundsätzlich einverstanden bin, relativiert diese Tatsache die manchmal unerfreulichen Analysten-Empfehlungen wieder.