Der cash Insider ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv. Lesen Sie börsentäglich von weiteren brandaktuellen Beobachtungen am Schweizer Aktienmarkt.

+++

Anlegerinnen und Anleger aus der Schweiz lieben ihren Aktienmarkt. Mir ist kein anderes Land bekannt, in dem der Hang zu heimischen Aktien - im englischen Sprachgebrauch auch "strong Home-bias" genannt - grösser ist.

Das kann man ihnen nicht verübeln. Denn wer etwa Aktien von Nestlé kauft, kauft solche von einem weltweit tätigen und breit aufgestellten Unternehmen. Der traditionsreiche Nahrungsmittelkonzern aus Vevey erzielt bloss einen Bruchteil seines Umsatzes und Gewinns in der Schweiz - nur um ein Beispiel zu nennen.

Ausserdem fuhr über die letzten Jahrzehnte überdurchschnittlich gut, wer auf Aktien aus der Schweiz setzte. Der Grund: Der starke Franken bestrafte diejenigen mit hohen Währungsverlusten, die auf europäische oder amerikanische Aktien setzten.

Der Franken drückte zwar auch auf die Geschäftsentwicklung der hiesigen Unternehmen. Allerdings verfügen nicht wenige über umfassende Kostenstrukturen im Ausland - und damit über eine natürliche Währungsabsicherung. Ausserdem haben die meisten Firmen mit einem starken Franken leben gelernt.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil der Franken alleine schon des strukturell bedingten Handelsbilanzüberschusses wegen auf lange Sicht stark bleiben oder gar noch stärker werden dürfte.

Dennoch stehen die Anlegerinnen und Anleger aus der Schweiz mit ihrer Vorliebe für heimische Aktien neuerdings ziemlich alleine da. Seit Wochen ziehen sich amerikanische Grossinvestoren aus Europa - und damit auch aus der Schweiz - zurück (siehe Immer mehr beliebte Aktien neigen zur Schwäche von gestern und Amerikaner ziehen im grossen Stil Gelder ab vom 17. September).

Und auch bei den Aktienstrategen verliert der Schweizer Aktienmarkt zusehends an Rückhalt. Nachdem erst kürzlich die Deutsche Bank den Daumen über dem Schweizer Markt senkte, ist auch die britische HSBC nicht länger heiss auf Aktien aus der Schweiz. In ihrem Ausblick auf das Schlussquartal stuft sie diese von "Overweight" auf "Neutral" herunter.

Einerseits begründen die für die HSBC tätigen Strategen diesen Schritt mit dem zuletzt überdurchschnittlichen Abschneiden gegenüber anderen europäischen Börsenplätzen, andererseits aber auch damit, dass der Franken nicht im ursprünglich erwarteten Ausmass schwächer werden sollte. Damit fehlen wichtige Impulse für die hiesige Unternehmensgewinnentwicklung. Zudem seien ausländische Grossinvestoren am Schweizer Aktienmarkt nicht mehr ganz so stark untergewichtet wie zuvor, so die Strategen weiter.

Entwicklung des um Dividendenabgänge bereinigten SMIC über die letzten fünf Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Dass die Strategen den Schweizer Aktienmarkt noch immer attraktiver als die übrigen europäischen Börsenplätze einstufen, bleibt da ein schwacher Trost.

Unter den 20 Aktien weltweit, denen man bei HSBC das grösste Aufwärtspotenzial zutraut, ist mit Richemont gerade mal ein Vertreter aus der Schweiz anzutreffen. Mit 117 Franken liegt das Kursziel für die Papiere des Luxusgüterkonzerns aus Genf um fast 50 Prozent über den aktuellen Notierungen.

Im Gegenzug sind die mit "Underweight" eingestuften Genussscheine von Roche auf der Liste der 20 Aktien weltweit zu finden, denen die britische Grossbank das umfassendste Rückschlagspotenzial nachsagt. Dabei stützt man sich auf das 205 Franken lautende Kursziel ab.

Die Genussscheine von Roche (grün) lassen die Richemont-Aktien (rot) seit drei Wochen weit hinter sich zurück. (Quelle: www.cash.ch)

Auf dem aktuellen Kurs- und Bewertungsniveau scheint mir der Schweizer Aktienmarkt nicht unattraktiv - insbesondere vor dem Hintergrund der attraktiv hohen Dividendenrendite von 3,6 Prozent. Anders als in den Vereinigten Staaten dürfte es hierzulande noch etliche Jahre dauern, bis sich mit zehnjährigen Anleihen der Eidgenossenschaft wieder mehr Erträge als mit Aktien erzielen lässt. Ich frage mich sowieso, ob ich das überhaupt jemals noch erleben werde.

Meine grösste Sorge bleibt allerdings, dass ein grösserer Rücksetzer an der Leitbörse in New York auch bei den Aktien aus der Schweiz zu einem Ausverkauf führen könnte. Es wäre bei weitem nicht das erste Mal...
 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.