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Als die Bank of America Ende August in einem Strategiepapier vor einem Kursfiasko an den europäischen Aktienmärkten warnte, ging ein leises aber unaufgeregtes Raunen durch die Handelsräume hiesiger Banken. Und das, obwohl die Autoren um den bekannten Strategen Sebastian Rädler dem breit gefassten Stoxx Europe 600 Index damals im weiteren Jahresverlauf prozentual zweistellige Verluste nachsagten.

Man sehe die vorauseilenden Konjunkturindikatoren spätestens im Schlussquartal nach unten drehen. Gleichzeitig gehe man davon aus, dass einige erste führende Zentralbanken ihre Wertpapierkäufe zurückfahren, so lautete die Begründung.

Dass diese Warnung hierzulande keine hohen Wellen warf, dürfte auch damit zu tun gehabt haben, dass kaum jemand den Pessimismus der amerikanischen Investmentbank teilte. Ausserdem hatte sie die europäischen Aktienmärkte schon Wochen zuvor von "Positive" auf "Neutral" heruntergestuft – weshalb sich Rädler und seine Mitautoren auch den Vorwurf gefallen lassen mussten, sie würden ihrer Leserschaft "alten Wein aus neuen Schläuchen" verkaufen.

Mittlerweile werden die europäischen Aktienmärkte bei der Bank of America sogar mit "Negative" eingestuft. Anders als noch im August räumen Rädler und seine Abteilungskollegen den als widerstandsfähig geltenden Aktien aus der Schweiz in den Kundenportefeuilles ein überdurchschnittliches Gewicht ein.

Von den einst genannten 420 Punkten ist der Stoxx Europe 600 Index allerdings weit entfernt. Am letzten Freitag stieg das viel beachtete Börsenbarometer in der Spitze bis auf 485 Zähler und damit um 10 Punkte über den Stand von Ende August.

Der Stoxx Europe 600 Index steigt und steigt. Nicht zur Freude der Bank of America. (Quelle: www.cash.ch)

In einem mir aus London zugespielten Strategiepapier ringen dieselben Autoren nun sichtlich um Erklärungsversuche für die jüngsten Indexrekorde. Letztere seien womöglich ein Ergebnis der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung in Nordamerika, starker Unternehmensabschlüsse fürs dritte Quartal sowie rückläufiger Realzinsen. Mindestens zwei der drei Faktoren sehen Rädler und seine Abteilungskollegen im weiteren Jahresverlauf jedoch wegfallen.

Es überrascht mich deshalb nicht, dass die Strategen an ihrem Jahresendziel von 420 Punkten für den Stoxx Europe 600 Index festhalten – selbst wenn sie mit dieser Prognose alleine und verlassen dastehen.

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Ein Blick auf die Liste der diesjährigen Schweizer Börsenbestenliste zeigt: Es waren nicht die dividendenstarken Aktien, mit denen sich in den vergangenen etwas mehr als zehn Monaten das meiste Geld verdienen liess. Egal ob Goldmedaillengewinnerin Medartis, die zweitplatzierte Swissquote oder Sensorenhersteller Sensirion auf Rang drei – die wachstumsstarken Unternehmen überwiegen. Und die wiederum sind nicht gerade für eine sehr grosszügige Ausschüttungspolitik bekannt.

Dennoch sind Dividenden aus Aktionärssicht sehr viel mehr als nur ein Apropos. Je nach Betrachtungszeitraum steuert diese Komponente bis zu 60 Prozent zur Gesamtrendite von Aktien bei. Und als ob das alleine nicht schon reichen würde, unterliegt die Dividendenkomponente auch noch deutlich geringeren Schwankungen als die Kurskomponente.

In einem Strategiepapier rät Julius Bär zu dividendenstarken Finanzwerten und Aktien aus der Gesundheitsindustrie. Wie die nicht namentlich bekannten Autoren festhalten, werden diese sich auch in einem Umfeld steigender Zinsen behaupten können. Mit Axa, Allianz, BNP Paribas, Merck und Sanofi zeigt man bei der Zürcher Bank allerdings nur ein geringes Interesse an dividendenstarken Aktien aus der Heimat. Solche gibt es zweifellos auch in der Schweiz – und das sogar wie Sand am Meer.

Ich denke da etwa an Holcim (Rendite: 4,2 Prozent), Zurich Insurance (Rendite: 4,8 Prozent), Swisscom (Rendite: 4,4 Prozent), Novartis (Rendite: 3,9 Prozent) oder Swiss Life (Rendite: 4,1 Prozent). Diese Liste liesse sich beliebig erweitern.

Zählen trotz attraktiv hoher Dividendenrendite zu den diesjährigen SMI-Schlusslichtern: Die Aktien von Holcim (rot) und Credit Suisse (grün) (Quelle: www.cash.ch)

In einem Punkt kann ich der Argumentation im Strategiepapier von Julius Bär übrigens nicht folgen. Es sind nämlich fast ausschliesslich die seit Jahren arg vernachlässigten Substanzwerte, die eine attraktiv hohe Dividende aufweisen. Und diese – sprich Finanzwerte und Zykliker – sollten eigentlich sogar von steigenden Zinsen profitieren können.

Unter meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2021 sind mit Oerlikon, Credit Suisse, Holcim, Zurich Insurance und Helvetia gleich mehrere dividendenstarke Titel vertreten. Geholfen hat das in den letzten Wochen und Monaten leider herzlich wenig...

 

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