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Auch am Schweizer Aktienmarkt geraten die Baissiers immer mehr in Erklärungsnot, hat der breit gefasste Swiss Performance Index seine Rekordjagd doch längst wieder aufgenommen. Der von Rezessionsängsten begleitete Rückschlag von Anfang Oktober erwies sich rückblickend bloss als "Sturm im Wasserglas".
Wie schon im Frühsommer schliessen Analysten hierzulande reihenweise ihre Verkaufsempfehlungen für einzelne Aktien. Selbst das stark ausgedünnte Lager pessimistischer Aktienstrategen hat mit den für BNP Paribas tätigen Kollegen einen weiteren Aderlass zu beklagen (siehe Artikel von heute). Und das obschon der Rückschlag schon seit Wochen ausgestanden ist.
Nur wenige Baissiers haben im bisherigen Jahresverlauf wirklich Geld gemacht. Am besten liess sich vermutlich bei den Namenaktien von Transocean verdienen. Das Geschäftsmodell des auf die Ölförderung auf hoher See und dort in grossen Tiefen spezialisierten Unternehmens wird nicht erst seit dem jüngsten Ölpreiszerfall in Frage gestellt. Erst kürzlich sahen sich die Entscheidungsträger zu ausserordentlichen Abschreibungen und Wertberichtigungen in Milliardenhöhe gezwungen.
In einer mir von einem geschätzten Bekannten zugehaltenen Liste mit den am stärksten leerverkauften Schweizer Aktien belegt Transocean wenig überraschend den Spitzenplatz. Die auf rückläufige Kurse ausgerichteten Wetten liegen bei nicht weniger als 12,6 Prozent der ausstehenden Aktien. Es bedürfte nicht weniger als 22 durchschnittliche Tagesvolumen, um diese Positionen zu schliessen.
Auf Rang zwei sind zu meinem Erstaunen die Inhaberaktien des Börsenlieblings Swatch Group zu finden. Insbesondere in angelsächsischen Breitengraden wird dem Westschweizer Luxusgüterkonzern vorgeworfen, den Einstieg ins Geschäft mit Smartwatches völlig verschlafen zu haben. Und auch wenn die gestern für Oktober veröffentlichten Schweizer Uhrenexporte im Schlüsselmarkt Hongkong noch keine Anzeichen für einen Nachfrageeinbruch zeigen, wird mit 7,7 Prozent der Titel gegen das Unternehmen gehalten.
Mit SGS sticht mir der Name einer weiteren in der Westschweiz beheimateten Firma ins Auge. Die Namenaktien des Warenprüfunternehmens wurden in den letzten Tagen für einen überraschend schwachen Zwischenbericht des britischen Rivalen Intertek in Sippenhaft genommen. Die Baissiers mit ihren Wetten im Umfang von 4,1 Prozent der ausstehenden Titel dürften sich über das Wasser auf ihren Mühlen bestimmt gefreut haben.
Sowohl bei der Swatch Group als auch bei SGS müssten die Marktakteure jeweils Aktien im Ausmass von 11 durchschnittlichen Tagesvolumen kaufen, um ihre Positionen vollständig schliessen zu können.
Erwähnenswert scheinen mir an dieser Stelle die Namenaktien von Holcim auf Rang vier. Innerhalb von gerade mal einer Woche wurden die Baisse-Engagements von 2 auf 3 Prozent und damit auf fünf durchschnittliche Tagesvolumen erhöht.
Bei der Rangliste für die hiesigen Nebenwerte stockt einem geradezu der Atem. Angeführt wird sie - wenig überraschend - von den Namenaktien von Meyer Burger. Die Baissiers haben ihre Engagements im Wochenvergleich zwar leicht auf 26,9 Prozent aller ausstehenden Titel reduziert. Allerdings entspricht dies den Statistiken zufolge noch immer 28 durchschnittlichen Tagesvolumen.
Auf Rang zwei sind die Namenaktien von Dufry mit 13,1 Prozent der ausstehenden Titel, gefolgt von DKSH mit 12,8 Prozent, Evolva mit 11,6 Prozent, Basilea mit 11,1 Prozent und Logitech von 10,4 Prozent.
In eine ungemütliche Lage haben sich die Baissiers beim Börsendebütanten DKSH und bei Panalpina hineinmanövriert. Beim in Zürich beheimateten Geschäftsdienstleistungsunternehmen bedarf es nicht weniger als 43 durchschnittlichen Tagesvolumen, um die Wetten auf rückläufige Kurse wieder zu schliessen. Beim sich im Turnaround befindlichen Basler Transportunternehmen entsprechen die 8,5 Prozent aller ausstehenden Aktien sogar 53 durchschnittlichen Tagesvolumen.
Schiessen sich Baissiers orchestriert auf ein Unternehmen ein, kann es im Extremfall sogar um dessen Existenz gehen. Ein anschauliches Beispiel liefert hierzulande ABB. Der Industriekonzern hatte in den Jahren 2002 bis 2005 mit schweren Problemen zu kämpfen. Im Zuge dieser Probleme wurden gewaltige Wetten gegen diese Aktien aufgebaut, was zu einer Abwärtsspirale führte. Verstärkt wurde diese durch aggressive Verkaufsempfehlungen aus dem Hause Deutsche Bank, zuletzt mit einem Kursziel von gerade mal 0,20 Franken für die Papiere. Nur dank einem gezielten strategischen Befreiungsschlag liessen sich die Baissiers damals in die Knie zwingen und das Unternehmen und seine Mitarbeiter konnten aufatmen.
Ich hege deshalb die Hoffnung, dass die Schweizer Börse SIX schon bald mit einer allen Marktteilnehmern zugänglichen Leerverkaufs-Statistik nach amerikanischem Vorbild aufwartet.
Denn heute befinden sich das Ölserviceunternehmen Transocean und der Solarzulieferer Meyer Burger in einer ähnlichen, wenn auch bei weitem nicht so prekären Lage. Trotzdem sind gewisse Parallelen nicht von der Hand zu weisen.
Unter alten Börsenfüchsen ist es kein Geheimnis, dass die Baissiers das schwierigere Los als die Haussiers haben. Anders als die Haussiers müssen die Baissiers den richtigen Zeitpunkt abwarten. Erwischen sie diesen, dann schenkt es für sie so richtig ein.
Für gewöhnlich sind die Baisse-Engagements allerdings ein zuverlässiger Gegenindikator. Mit anderen Worten: Bei stark leerverkauften Aktien laufen die Baissiers Gefahr, ihre Haltung früher oder später überdenken und Deckungskäufe tätigen zu müssen. Im Gegenzug deuten geringe Baisse-Engagements auf eine gewisse Sorglosigkeit hin. Fällt ein solches Unternehmen am Markt in Ungnade, geraten seine Aktien ins Visier der Spekulanten. Für den Schweizer Aktienmarkt sind die schon seit Wochen, wenn nicht gar seit Monaten ausgedünnten Baisse-Engagements im Bereich der grosskapitalisierten Standardwerte nicht unbedingt ein Zeichen der Stärke.