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Mit amerikanischen Biotechnologieaktien liess sich in den letzten Jahren so richtig viel Geld verdienen. Und der Höhenflug scheint kein Ende nehmen zu wollen: In den vergangenen Tagen kletterte der Nasdaq Biotechnology Index erstmals in der Geschichte auf über 4000 Punkte.

Die Bilanz ist beeindruckend: Nach einem satten Plus von 25 Prozent alleine in diesem Jahr hat sich das Branchenbarometer innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht. Die Aktien führender amerikanischer Biotechnologiefirmen wie Gilead Sciences, Biogen Idec oder Regeneron Pharmaceuticals legten sogar noch stärker zu. Diese Unternehmen haben eines gemeinsam: An ihrem Börsenwert gemessen brauchen sie den Vergleich mit den Rivalen aus der Pharmaindustrie nicht zu scheuen.

Auch wenn Roche in den letzten Jahren der eine oder andere Fisch von der Angel gesprungen ist, kann sich das in Basel beheimatete Traditionsunternehmen dennoch glücklich schätzen. Mit der 47 Milliarden Dollar teuren Übernahme von Genentech ist ihm rückblickend der grosse Wurf gelungen. Nicht auszudenken, wie tief Roche heute für ein Angebot an die Publikumsaktionäre der damaligen Tochter greifen müsste.

Schliess werden im laufenden Jahre alleine die drei von Genentech entwickelten Krebsmedikamente Avastin, Herceptin und Rituxan beim Mutterhaus geschätzte 40 Prozent zum Jahresumsatz beitragen. Doch auch zahlreiche jüngere Präparate stammen aus der ehemaligen amerikanischen Schmiede.

Dass die Genussscheine von Roche nicht schon längst von der Biotech-Welle erfasst worden sind, überrascht. Auf Basis der nächstjährigen Konsensschätzungen errechnet sich zwar ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 18 sowie ein Verhältnis vom Unternehmenswert zum operativen Gewinn (EBITDA) von 11. Das ist im historischen Vergleich nicht wenig, liegt jedoch noch immer substanziell unter dem, was Anleger für grosse Biotechnologiefirmen zu zahlen bereit sind.

Rein theoretisch liessen sich mit einer Publikumsöffnung des Biotechnologiebereichs Aktionärswerte schaffen. Völlig abwegig wäre das nicht, brachten die Basler im Sommer 1999 doch schon mal einen Teil ihrer Genentech-Aktien an die Börse in New York, nur um sich diesen zehn Jahre später wieder einzuverleiben. Über eine grundlegende Neubeurteilung und –bewertung des eigenen Unternehmens hinaus hätte ein solcher Vorstoss allerdings keinerlei weitere Vorteile. Unklar bleibt auch, ob eine Publikumsöffnung von Genentech nach der Integration der letzten Jahre überhaupt noch möglich wäre. Den Aktionären und Genussscheinhaltern bleibt deshalb nur eines übrig: Weiterhin davon zu träumen.

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Die britische Tagespresse ist nicht nur für ihre provokativen Schlagzeilen bekannt. Auch bei Börsengerüchten hat sie oft und gerne ihre Finger im Spiel. Jüngstes Opfer ist Clariant.

Am 26. März schrieb die "Financial Times" erstmals, dass die deutsche Evonik den Basler Spezialitätenchemiehersteller für umgerechnet 7,3 Milliarden Franken oder 23 Franken je Aktie übernehmen wolle. Prompt sprangen die Aktien an diesem Tag, von regen Handelsaktivitäten begleitet, um gut 10 Prozent nach oben.

In den darauffolgenden Wochen wurden mit Johnson Matthey und Dow Chemical zwei weitere angebliche Interessenten ins Spiel gebracht, was Clariant am 12. Mai zu einer Stellungnahme veranlasste. In einem Interview mit der "Basler Zeitung" trat CEO Hariolf Kottmann den Übernahmespekulationen damals jedoch klar entgegen. Es gebe und habe keinerlei Gespräche über einen gesamtheitlichen Merger oder einen Verkauf gegeben und es werde sie auch nicht geben, liess er die Leser damals wissen.

Berichte in der britischen Wochenendpresse brachten die Gemüter daraufhin erneut in Wallung. Die kalte Dusche folgte prompt, als ein Vertreter des Evonik-Hauptaktionärs RAG an der Jahrespressekonferenz ein Interesse an Clariant in Abrede stellte. Eine milliardenschwere Übernahme sei für ihn kein Thema, so liess er die Anwesenden wissen. In der Folge brachen die Aktien des Basler Rivalen vorübergehend um mehr als 6 Prozent ein. Interessant war allerdings, dass derivatseitig kaum spekulativ aufgebaute Engagements glattgestellt wurden.

Eine Erklärung lieferten daraufhin aus London eintreffende Gerüchte, die den Papieren von Clariant sogar eine Erholung bescherten. In einem dortigen Finanzblog liess sich nachlesen, dass sich Evonik eine milliardenschwere Kreditlinie eines Bankenkonsortiums, bestehend aus Citigroup, Société Générale und Barclays gesichert habe. Der deutsche Chemiekonzern wolle 24 Franken je Aktie bieten und falls nötig sogar ein unfreundliches Angebot abgeben, so der Finanzblog.

Seit gestern ist das Märchen einer Übernahme von Clariant durch einen ausländischen Interessenten um ein Kapitel reicher: Der "Daily Mail" zufolge, soll sich die belgische Solvay mit Johnson Matthey und Croda International zu einem Bieterkonsortium zusammengeschlossen haben und den Clariant-Aktionären nun sogar 28 Franken je Aktie in bar offerieren.

Nachdem die Papiere des Basler Spezialitätenchemieherstellers im vorbörslichen Handel noch um 3,5 Prozent höher notierten, setzten bereits in der ersten Handelsstunde grössere Abgaben ein. Bei Börsenschluss resultierte letztendlich sogar ein Minus von 1,4 Prozent, was nicht ausschliesslich auf den schwachen Gesamtmarkt zurückzuführen ist. Es macht ganz den Anschein, als ob die hiesigen Marktakteure der immer wieder aufs neue aus London eintreffenden Übernahmespekulationen müde geworden sind. Schliesslich wäre es nicht das erste Mal, dass die britische Tagespresse einer "Ente" aufgesessen ist.

 

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