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Börsenwoche im Schnelldurchlauf

Eine Schweizer Aktie nach der anderen schmiert ab: Analysten greifen zu Durchhalteparolen

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Der cash Insider kommentiert die wichtigsten Börsenereignisse. Diese Woche: Lem nach Kursfiasko von Analysten verteidigt - Stadler Rail nicht. Analyst zieht bei Adecco die Reissleine - Und: Marketing-Coup für Lindt&Sprüngli.

15.11.2024   12:07
Von cash Insider
Eine Zugskomposition von Stadler Rail an einer Bahnmesse in Moskau.

Auch die Aktien von Stadler Rail gerieten diese Woche unter die Räder.

Quelle: Bloomberg

Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auf X/Twitter aktiv.

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Bei uns am Schweizer Aktienmarkt neigt sich eine bewegte Woche ihrem Ende entgegen. Ein scheuer Blick auf die Verliererliste von dieser Woche reicht aus, um erahnen zu können, dass nicht eben wenige der hiesigen Aktienanlegerinnen und -anleger schmerzhafte Kursverluste zu beklagen haben. Denn einmal mehr waren Kursverwerfungen – ganz egal ob ergebnisbedingt oder nicht – an der Tagesordnung.

Arg erwischte es vor allem die Valoren von Lem. Das Elektronikunternehmen verfehlte die Analystenerwartungen in der zurückliegenden ersten Jahreshälfte deutlich. Der Umsatz ging um 30 Prozent auf 156,5 Millionen Franken und der operative Gewinn sogar um knapp 73 Prozent auf 14,2 Millionen Franken zurück. Damit schrammten die Genfer selbst an den pessimistischsten Schätzungen vorbei.

Für das ganze Jahr strebt Lem einen Umsatz zwischen 290 und 310 Millionen Franken bei einer hohen einstelligen operativen Marge (EBIT) an. Lange Rede, kurzer Sinn: Mit einer Belebung ist wohl auch in der zweiten Jahreshälfte nicht zu rechnen.

In den Tagen nach der Ergebnisenttäuschung hagelte es gleich mehrere einschneidende Kurszielreduktionen. Vontobel kürzte ihr Kursziel auf 1500 (zuvor 1700) Franken, die UBS das ihre auf 1390 (zuvor 1600) Franken, Research Partners das ihre auf 1300 (zuvor 1470) Franken und Stifel kommt neuerdings sogar nur noch auf ein Kursziel von 1100 (zuvor 1525) Franken.

Die Aktien von Lem zählen zu den Wochen-Verlierern (Quelle: www.cash.ch)

Sämtliche der vier Analysten bestätigten bei dieser Gelegenheit ihre Kaufempfehlungen und warteten mit Durchhalteparolen auf. So berichtet der für die UBS tätige Tommaso Operto etwa von ermutigenden Anzeichen für eine Rückgewinnung von Marktanteilen in den wichtigsten Wachstumsbereichen. Sein Berufskollege Arben Hasanaj bei der Bank Vontobel erachtet das Kursdebakel als übertrieben und traut dem Unternehmen eines Tages wieder führende Margen und eine hohe Kapitalrendite zu. Auch Stifel-Analyst Tobias Fahrenholz rät zu aktuellen Kursen längerfristig zum Zukauf von Aktien. Er glaubt, dass der Lagerabbau bei den Abnehmern weit fortgeschritten ist und bald zu einem Ende kommen könnte.

Auf den diesjährigen Schätzungen Fahrenholz werden die Aktien von Lem mit dem Fünfzigfachen des Jahresgewinns bewertet. Mit Blick auf das nächste Jahr entspricht die momentane Börsenkapitalisierung immerhin noch dem Fünfundzwanzigfachen des für das kommende Jahr erwarteten Jahresgewinns. Und das, obwohl die Aktien alleine in den letzten Tagen rund einen Viertel ihres Kurswerts eingebüsst haben.

Apropos einschneidende Schätzungs- und Kurszielreduktionen: Solche dürften kommende Woche auch für Stadler Rail eintreffen. Am späten Mittwochabend sorgte der Zugbauer aus dem thurgauischen Bussnang einmal mehr für lange Gesichter bei seinen Publikumsaktionärinnen und -aktionären.

Aufgrund unwetterbedingter Produktionsverzögerungen sei das Ziel eines Jahresumsatzes von 3,5 bis 3,7 Milliarden Franken sei nicht länger realistisch, räumte das Unternehmen in einer Mitteilung an die Medien ein. Auch in der Gewinnentwicklung schlagen sich die besagten Verzögerungen nieder und schmälern die operative Gewinnmarge (EBIT) um bis zu 200 Basispunkte.

Und als ob das alles nicht schon genug wäre, kassierte der Zugbauer auch gleich noch seine Finanzziele für die kommenden zwei Jahre. Zumindest was jene für 2025 anbetrifft, will man bis Ende März überarbeitete Ziele kommunizieren.

Ich habe längst aufgehört, die vielen Ergebnisenttäuschungen und Zielreduktionen seit dem Börsengang von Stadler Rail im April 2019 zu zählen. Von den Rochaden an der Unternehmensspitze will ich gar nicht erst reden.

In Analystenkreisen begegnete man den Ergebnisenttäuschungen in der Vergangenheit stets mit Durchhalteparolen. Doch nun scheint der jüngste Tropfen das Fass zum Überlaufen zu bringen. Alexander Burgansky bei Research Partners zögert nicht lange und stuft die Valoren von «Kaufen» auf «Halten» herunter. Gleichzeitig streicht er das Kursziel auf 23,20 (zuvor 34,10) Franken zusammen. Auch Vontobel-Analyst Michael Foeth geht ebenfalls von «Buy» auf «Hold» bei einem Kursziel von 24 (zuvor 38) Franken.

In einer komfortableren Lage befindet sich der für die UBS tätige Patrick Rafaisz. Er riet schon seit Ende August letzten Jahres mit einem 12-Monats-Kursziel von 25 Franken zum Verkauf der Aktien und will nun beides überdenken – das Kursziel unter negativen Vorzeichen, sein Anlageurteil vermutlich unter positiven Vorzeichen.

Ich muss zugeben, dass die Beeinträchtigungen entlang der Lieferkette durch die Unwetter ausserhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegen. Erst hatte man kein Glück, und nun kommt auch noch Pech dazu.

Das ändert allerdings nichts daran, dass die Versprechen rund um den seinerzeitigen Börsengang rückblickend gar vollmundig anmuten und die «Publikumsaktionäre der ersten Stunde» auf schmerzhaften Kursverlusten sitzen. Ich bin nun neugierig, ob Peter Spuhler in seiner Rolle als Ankeraktionär ein Zeichen setzt und in grossen Stil Titel zukauft. Wie dem auch immer sein mag – die Gelegenheit, zu einer «Volksaktie» aufzusteigen, hat Stadler Rail ein für allemal vertan.

An dieser Stelle noch kurz ein paar Gedanken zum Thema Dividendenkürzung. In meinen Augen standen beim Zugbauer stets dessen Wachstumsambitionen im Vordergrund, was die Aktie zu einer Wachstumsaktie macht. Als ein an attraktiv hohen Dividenden interessierter Anleger war man da von Anfang an auf verlorenem Posten.

Bleiben wir beim Thema Dividenden. Letzten Freitag berichtete ich in meiner Kolumne von Spekulationen, wonach den Aktionärinnen und Aktionären von Adecco eine Dividendenkürzung ins Haus stehen könnte. Der für die Bank Vontobel tätige Analyst Michael Foeth hatte damals mit einer einschneidenden Reduktion seiner Dividendenschätzungen zusätzliches Öl ins lodernde Spekulationsfeuer gegossen. An der Kaufempfehlung hielt Foeth indes fest, wenn auch mit einem auf 35 (zuvor 43) Franken gesenkten Kursziel.

Nun muss auch sein Berufskollege Gian Marco Werro von der Zürcher Kantonalbank einräumen, dass die Dividende in heutiger Höhe in Gefahr ist. Neuerdings sieht er den Stellenvermittler seinen Aktionärinnen und Aktionären im kommenden Frühling noch 1,80 (zuvor 2,50) Franken je Aktie ausschütten.

Die Aktien von Adecco befinden sich in einem hartnäckigen Stimmungs- und Kurstief (Quelle: www.cash.ch)

Obschon Adecco beeindruckende Kostenkürzungen umgesetzt, Marktanteile zurückgewonnen und in den USA die Gewinnschwelle erreicht hat, stuft Werro die Aktien von «Übergewichten» auf «Marktgewichten» herunter.

Dieser Schritt überrascht gleich aus zwei Gründen. Zum einen errechnet der ZKB-Analyst noch immer einen rechnerischen fairen Wert von 35 (zuvor 40) Franken für die Valoren und zum anderen eilte er letzteren noch vor wenigen Wochen gleich zweimal innerhalb weniger Tage mit verteidigenden Kommentaren zu Hilfe. Jetzt – auf dem tiefsten Stand seit ziemlich genau 20 Jahren – zieht selbst er plötzlich die Reissleine...

...ob der Analyst das nicht irgendwann bereut? Mein Bauchgefühl sagt mir nämlich, dass die kursseitige Talsohle nicht mehr weit entfernt sein könnte.

Kommen wir noch kurz auf Lindt&Sprüngli zu sprechen. Dem Traditionsunternehmen aus Kilchberg ist ein Marketing-Coup gelungen, der seinesgleichen sucht. Lindt&Sprüngli macht sich den Hype um «Dubai Schokolade» zunutze und bringt diese in limitierter Auflage in die Läden. Vor deutschen Verkaufsstellen bildeten sich in diesen Tagen über Stunden hinweg lange Menschenschlangen. Ein Phänomen, welches über die Landesgrenzen hinaus in den Medien zum Dauerthema wurde und den Zürchern gerade rechtzeitig aufs diesjährige Weihnachtsgeschäft hin Gratis-Werbung beschert. Einen besseren Zeitpunkt hätte man sich kaum wünschen können.

Für UBS-Analyst Jörn Iffert stellt Lindt&Sprüngli damit die Innovationskraft einmal mehr eindrücklich unter Beweis. Er sieht darin einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und fühlt sich sowohl in seiner Kaufempfehlung für die Namenaktien als auch im 12-Monats-Kursziel von 125'500 Franken bestätigt.

Der Aktienkursentwicklung half der Marketing-Coup bislang übrigens herzlich wenig, wurden zuletzt doch sogar Kurse von 100'000 Franken und weniger bezahlt. Nur wenige Tage vor der Lancierung einer eigenen «Dubai Schokolade» berichtete ich von ungewöhnlichen Titelkäufen durch die Teppich-Etage des Confiseurs. Honi soit qui mal y pense.

Mit dem Hörgerätehersteller Sonova und der Zürcher Bank Julius Bär warten hierzulande nächste Woche die letzten Nachzügler mit ihren Ergebnissen oder Zwischenberichten auf. Mehr dazu kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.
 

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8 Kommentare

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anuswiss

Lieferketten und SRAIL - das hat auch mich überrascht.
Scheinbar treibt
in vielen Firmen immer noch der Geist von " just in time " sein unwesen.
Diese Lehre geht jedoch auf eine Zeit, als in den USA Zinsen von bis zu 20% für Firmenkredite bezahlt werden mussten, zurück. Braucht es hier
AI bis man diese Lehre in den Chefetagen mal überdenkt ?

_cashinsider_

Lieber Anuswiss, danke für Deine Zeilen. Ja, da bläst wohl tatsächlich so etwas wie ein Hauch von "Just-in-time" durch die Chef-Etage des Zugbauers. Das rächt sich nun...

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mwebcomp

Heute schmiert auch Lonza ohne mir bekannten News 4% ab. Der Schweizer Markt hat sich mMn zu einem sehr unberechenbaren und volatilen Basar entwickelt. Über die Identität der Markt-Macher in den SMI-Titeln ist nichts bekannt aber die Bocksprünge in den SMI-Titel sind für Sparer und Investoren eine Belastung.

boersenspiel

Meine These: Pharma-Zulieferer und Pharma sind (möglicherweise) wegen der (absurden) Nominierung von Kennedy durch das Regime Trump zum US-Gesundheitsminister unter Druck?

plutos

Solche Wellen sollten für Investoren mit langfristigem Horizont kein Grund zur Beunruhigung sein. Zumal wir in den letzten 12 Monaten auch viel grössere Sprünge hatten, ich erinnere an den 5. August 24 oder den Oktober 23. Nicht zu vergessen die Rally von Ende 23 bis in den März 24 (Volatilität geht in beide Richtungen, nicht nur nach unten).

An dieser Volatilität haben Umschichtungen sowohl zwischen den Währungsräumen als auch zwischen Sektoren und zwischen Anlageformen einen grossen Anteil. Mit dem Anziehen der US Börse nach der Wahl ist viel Geld aus dem sicheren CHF Hafen wieder in die USA und Geld aus defensive Titeln wieder in (mutmassliche) Wachstumstitel geflossen. Resultat: Franken wird gegen Dollar schwächer (siehe Wechselkurs) und defensive Schweizer Titel werden verkauft. Mit dem schwächer werdenden Franken müssen auch künftige Gewinne in Dollar neu bewertet werden, was zu deren Reduktion in CHF führt. Und sinkende künftige Gewinne wirken sich auf die Bewertung eines Unternehmens und damit auf seinen Börsenwert aus.

Kurzum: Es sind nicht nur News zum Unternehmen, die Einfluss auf dessen Bewertung haben.

_cashinsider_

Es ist tatsächlich dieser RFK-Effekt, welcher bei Lonza und Co die Kurse nach unten drückt. Nichts scheut die Börse bekanntlich so sehr wie die Ungewissheit.
Und zum Thema Market-Maker: Die Aktienkurse werden auch hierzulande schon lange nicht mehr von den hiesigen Marktakteuren gemacht. Blackrock, Goldman Sachs und andere Wall-Street-Grössen bestimmen die Richtung, in welche sich die Kurse bewegen.

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plutos

Zu Stadler: Resiliente Lieferketten zu bauen ist für einen Industriebetrieb eine zentrale Managementaufgabe und wurde bei Stadler offenbar nicht gemacht. Hier kann man die Verantwortung nicht einfach auf höhere Gewalt abwälzen.

Zu Adecco: Vielleicht ist die Talsohle bald erreicht. Das ist aber nicht entscheidend für ein Investment. Entscheidend ist, ob die Talsohle nicht nur ein Tiefpunkt sondern auch ein Umkehrpunkt ist. Letzteres finde ich keine Anzeichen. Adecco wird vermutlich noch lange da bleiben, wo es jetzt ist.

_cashinsider_

Bin bei beiden Punkten völlig einig. Danke für Ihre Worte, Plutos.

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