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Heute Mittwoch spielen sich bei den Aktien von Meyer Burger dramatische Szenen ab. Nach einem frühen Rücksetzer auf 7 Rappen können die Valoren des Solarunternehmens zwar Boden gutmachen. Allerdings stehen sie zur Stunde noch immer mit mehr als 30 Prozent im Minus.
Eine frühmorgens an die Medien versandte Mitteilung birgt denn auch Zündstoff: Wie das Unternehmen einräumt, setzte es im vergangenen Jahr gerade einmal 135 Millionen Franken um und erlitt dabei voraussichtlich einen operativen Verlust (EBITDA) von mindestens 126 Millionen Franken. Analysten waren durchschnittlich von einem operativen Verlust von 77 Millionen Franken bei einem Jahresumsatz von 238 Millionen Franken ausgegangen.
Eigenen Angaben zufolge sieht sich Meyer Burger deshalb gezwungen, die Modulproduktion im deutschen Freiberg einzustellen. Davon wären bis zu 500 Beschäftigte betroffen. Für die Produktionsverlagerung nach Übersee veranschlagt das Unternehmen Kosten von rund 450 Millionen Franken. Das übersteigt die 150 Millionen Franken, welche es Ende Dezember noch an liquiden Mitteln in den Büchern hatte. Sprich: Keine dreieinhalb Jahre nach der grossen Bilanzsanierung und der grundlegenden Neuausrichtung muss dringend Geld her.
Die ersten mir zugespielten Kommentare lassen erahnen, dass nicht eben wenige Analysten von den sich überschlagenden Ereignissen zünftig überrascht wurden. Der für Mirabaud Securities tätige Analyst Dani König zieht die Reissleine und stuft die Meyer-Burger-Aktien von "Buy" auf "Hold" herunter. Das 81 Rappen lautende Kursziel will er unter negativen Vorzeichen überdenken. König hält es für unwahrscheinlich, dass die deutsche Regierung rasch reagiere und wähnt das Unternehmen vor riesigen Herausforderungen.
Kurszerfall der Meyer-Burger-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)
Auch sein Berufskollege Bernd Laux von der Zürcher Kantonalbank setzt das bisherige Anlageurteil "Übergewichten" fürs Erste aus. Obschon der Analyst den künftigen Fokus auf den geschätzten amerikanischen Solarmarkt grundsätzlich begrüsst, sind ihm die vom Unternehmen genannten 450 Millionen Franken für den Produktionsaufbau in Übersee sichtlich ein Dorn im Auge.
Laux findet klare Worte und schreibt, dass das Überleben des Unternehmens nicht gesichert sei und bezeichnet die Meyer-Burger-Aktien als ein "Höchstrisiko-Investment", bei dem ein Totalausfall nicht ausgeschlossen werden könne.
Diese Neuigkeiten kommen in ihrer Gesamtheit quasi einer "Bankrotterklärung" an die Premium-Strategie des Solarunternehmens gleich. Chinesische Billiganbieter scheinen Meyer Burger das Wasser gehörig abzugraben. Ohne Hilfe aus der Politik lassen sich die hochwertigen, gleichzeitig aber auch hochpreisigen Module allem Anschein nach nur schwer verkaufen.
Dennoch frage ich mich, ob da seitens des Unternehmens mit dieser Medienmitteilung nicht auch eine Drohkulisse aufgebaut wird, um die Politik in Berlin endlich zum Handeln zu bewegen. Schliesslich will man verstanden wissen, dass der endgültige Entscheid für die Werksschliessung noch nicht gefallen sei. Falls ja, spielen der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung mit dem Feuer – gilt doch: Je tiefer der Aktienkurs, desto schwieriger lässt sich an neues Geld kommen.
Zumindest für die Leerverkäufer sind die jüngsten Entwicklungen ein Freudenfest. Wie Erhebungen von S&P Global zeigen, wetteten sie Ende Dezember noch mit knapp 26 Prozent aller ausstehenden Aktien auf rückläufige Kurse. Bei einem geschätzten Drittel davon dürfte es sich um Absicherungstransaktionen seitens von Wandelanleihegläubigern handeln.
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Von "Sell" auf "Buy" - von "Buy" auf "Sell". In den vergangenen Tagen stand das hiesige Börsengeschehen ganz im Zeichen geradezu spektakulärer Aktienumstufungen. Da macht der gestrige Dienstag keine Ausnahme.
Dass der UBS-Analysten Patrick Rafaisz bei Stadler Rail die Reissleine zieht und die Aktien des Zugbauers von "Buy" auf "Sell" herunterstuft, hallt noch immer nach. Gleichzeitig streicht er das 12-Monats-Kursziel auf 25 (zuvor 40) Franken zusammen.
Die Verkaufsempfehlung ist insofern von Tragweite, als dass es die UBS gemeinsam mit ihrer heutigen Tochter Credit Suisse war, welche den Zugbauer aus dem thurgauischen Bussnang einst an die Börse brachte. Wenn jemand das Unternehmen also vernünftig einschätzen kann, dann die grösste Schweizer Bank.
Die Aktien von Stadler Rail geraten an der Börse unter die Räder (Quelle: www.cash.ch)
Interessant ist, dass Rafaisz bei seinen Gewinnschätzungen den dicken Korrekturstift ansetzt und diese um bis zu 33 Prozent kürzt. Die überarbeiteten Annahmen für das laufende Jahr liegen ziemlich genau 25 Prozent unter den durchschnittlichen Schätzungen seiner Berufskollegen bei anderen Banken. Mit anderen Worten: Diese Analysten müssen früher oder später wohl ebenfalls über die Bücher gehen.
Angesichts der Frankenstärke – diese ist Firmenpatron Peter Spuhler ja bekanntlich schon eine ganze Weile ein Dorn im Auge – hält Rafaisz die Mittelfristziele nicht länger für erreichbar. Während Stadler Rail für die Zeit nach 2025 von einer operativen Marge (EBIT) zwischen 8 und 9 Prozent ausgeht, rechnet man bei der UBS neuerdings bestenfalls noch mit einer operativen Marge in Höhe von 6,7 Prozent.
Es ist kein Geheimnis, dass der starke Franken viele der hiesigen Unternehmen mit einem hohen Umsatzbeitrag aus dem Ausland vor grosse Herausforderungen stellt. Aufgrund der vergleichsweise dünnen Margen dürfte Stadler Rail besonders stark unter den Folgen der Frankenstärke ächzen.
Genaueres erfahren wir vermutlich erst Mitte März, wenn der Zugbauer sein letztjähriges Ergebnis vorlegt – sofern er sich denn nicht zu einer Vorabinformation gezwungen sieht.
Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.
4 Kommentare
Bei Meyer Burger braucht es schon bald einen reverse Aktiensplit, sonst ist die Aktie nicht mehr handelbar.
Nicht das erste Mal: Analysten reduzieren ihre Empfehlung, nachdem der vorhin schon darbende Kurs - hier Meyer Burger - einen Sturzflug von selten gesehenem Ausmass erlitten hat. Gestern noch hiess es Kaufen, heute, nach minus 40%, ist die Losung Halten, in wunderschöne Worte, ja in eine Analyse verpackt, wie man sie gerne gestern oder vorgestern gelesen hätte. Ja, haltet Ihr die Anlegerschaft, sprich Kundschaft, die für diesen 'Service' bezahlt, für dumm?
Im Nachhinein ist man immer schlauer, das weiss doch jedes Kind. Dafür braucht es keine hochgerüstete Finanz- und Aktienanylse, ein Reearch, das angeblich mit den Managements in engem Kontakt steht und Tools zur Verfügung hat, die nach eigenen Angaben immer präziser und zielsicherer sein sollen, von der langjährigen Erfahrung mancher Berufsleute ganz zu schweigen. Da lobe ich mir Platon, der gesagt hat: Ich weiss, dass ich nichts weiss! Ehrlich: Aktienratings sind doch nur Mittel zum Zweck - fürs Marketing. Fragt sich nur, wie lange noch.
Hanspeter Frey
Sie sprechen mir aus der Seele!!!
Analysten hinken dem Markt immer hinten nach. Wenn die grosse Bewegung geschehen ist, kommt die Ratingänderung......Kosten viel und bringen nichts!!!
JA GANZ GUT ERKLÄRT ABER ICH BLEIBE IMMER NOCH DABEI !