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Die Aktien des angeschlagenen Vermögensverwalters GAM fallen heute um 19 Prozent, jene des Sensorenherstellers AMS gar um rund 30 Prozent. Auch die Papiere des Aufzugspezialisten Schindler und des Peripheriegeräteherstellers Logitech stehen unter starkem Verkaufsdruck.

Und noch etwas haben diese vier Unternehmen gemeinsam: Sie alle legten entweder am Montag nach Börsenschluss oder am frühen Dienstag morgen ihre Zahlenkränze vor.

Bei AMS fällt weniger die insgesamt solide Geschäftsentwicklung im dritten Quartal als vielmehr das enttäuschende Margenziel für das Schlussquartal ins Gewicht (siehe AMS mit mageren Zielvorgaben - Kurs bricht ein von heute). Zwischen 16 und 20 Prozent soll die operative Marge (EBIT) zu liegen kommen. Analysten hatten mit 27 Prozent gerechnet und müssen ihre Schätzungen nun mit dem dicken Rotstift überarbeiten.

Die anhaltende Margenschwäche weckt Zweifel an der Erreichbarkeit der firmeneigenen Mittelfristziele, strebt der Sensorenhersteller bis in zwei Jahren doch eine operative Marge von 30 Prozent an.

Die Aktien von GAM werden hingegen für den milliardenschweren Abfluss von Kundenvermögen im dritten Quartal abgestraft. Und als ob das nicht schon genug wäre, warnt der Vermögensverwalter von einem weiteren Vermögensabfluss in den verbleibenden Monaten des Jahres.

Auch von den ambitionierten Mittelfristzielen will man partout nichts mehr wissen. Eine kräftige Kürzung der Jahresdividende – wenn nicht gar eine vorläufige Aussetzung - gilt als unumgänglich. Zudem sind die Übernahmespekulationen von vor zwei Wochen - und mit ihnen die davon ausgehende Fantasie - wieder versickert.

Einen anderen Grund haben die Kursverluste bei den Papieren von Logitech. Beim Vorzeigeunternehmen aus Lausanne wurde im Vorfeld der Quartalsergebnisveröffentlichung auf eine erneute Erhöhung der diesjährigen Zielvorgaben spekuliert. Nun hebt sich das Unternehmen eine solche Erhöhung vermutlich für Januar auf.

Kursentwicklung der Valoren von AMS (rot), Schindler (grün) und Logitech (gelb) über die letzten zwei Wochen. (Quelle: www.cash.ch)

Analyst Joern Iffert von der UBS rechnet beispielsweise schon heute mit einem operativen Jahresgewinn von 346 Millionen Dollar - und er ist bei weitem nicht der einzige. Zum Vergleich: Logitech selber strebt einen operativen Jahresgewinn zwischen 325 und 335 Millionen Dollar an.

Ausserdem schrammt der Peripheriegerätehersteller auf das zurückliegende Quartal bezogen zum ersten Mal seit Jahren an den Umsatzschätzungen der Analysten vorbei. Das sind sich die erfolgsverwöhnten Aktionäre nicht gewohnt.

Und dann wären da noch die Valoren von Schindler. Entgegen anders lautenden Erwartungen verkommt der Aufzugs- und Rolltreppenspezialist aus Ebikon LU zum Opfer des Handelsstreits zwischen den Vereinigten Staaten und China.

Die diesjährigen Zielvorgaben scheinen zwar weiterhin realistisch, mit positiven Überraschungen ist wohl aber nicht länger zu rechnen. Dementsprechend verlieren die Valoren aus Anlegersicht an Reiz.

Dass die Aktien anderer bisweilen beliebter Unternehmen wie Straumann, Lonza oder Temenos in Sippenhaft genommen werden, überrascht mich nicht. Denn nun tritt ein, wovor ich schon vor Monaten gewarnt habe: Immer mehr Firmen sehen sich übertrieben hohen Erwartungen gegenübergestellt und werden damit zum Opfer des eigenen Erfolgs (siehe Wie gefährdet sind die «Aktien der Stunde»? vom 26. Juli und Sind teure Wachstumsaktien das einzig Richtige? vom 13. August).

Ob sich ein Einstieg bei diesen Aktien jetzt lohnt, dürfte nicht zuletzt auch von der allgemeinen Wetterlage an den Aktienmärkten abhängig sein.

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Die Aktien der Credit Suisse sind so günstig zu haben wie zuletzt im Frühsommer letzten Jahres. Bei jenen der beiden Erzrivalen UBS und Julius Bär muss man die Uhr gar um fast zwei Jahre zurückdrehen, um auf ähnlich tiefe Kurse zu stossen.

Wer dem Rat amerikanischer Investmentbanken wie der Citigroup (siehe Citigroup rät zum Kauf von Bankaktien vom 17. August), J.P. Morgan oder Goldman Sachs (siehe Sind Bankaktien eine fiese Falle für Anleger? vom 13. Juni) Folge leistete, zahlte rückblickend ein hohes Lehrgeld. Leider lässt Zweckoptimismus alleine die Kurse noch lange nicht steigen.

Deutlich vorsichtiger äusserte sich damals der bekannte Anlagestratege Christopher Potts von Kepler Cheuvreux. Er nutzt nun die Gunst der Stunde und kehrt von seiner pessimistischen Haltung für europäische Bankaktien ab. Dabei argumentiert der Stratege mit dem Bewertungsabschlag von fast 20 Prozent zum Gesamtmarkt, der mittlerweile gedrückten Erwartungshaltung sowie mit der Aussicht auf steigende Zinsen.

Seit nunmehr einem Jahr bewegen sich die Aktien von Credit Suisse (rot), UBS (grün) und Julius Bär (gelb) in etwa im Gleichschritt. (Quelle: www.cash.ch)

Doch bei allem Respekt: Von grosser Überzeugung zeugt die Heraufstufung von "Underweight" auf "Neutral" nicht. Wenigstens setzt sein Kollege Jacques Henri Gaulard, seines Zeichens Bankenanalyst bei Kepler Cheuvreux, die Papiere der Credit Suisse auf die "Most Preferred List" für europäische Bankaktien. Jene der UBS verblieben auf der "Least Preferred List", was so viel heisst, wie dass Anleger diese bis auf weiteres meiden sollten.

Was nach den letzten Wochen und Monaten bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich Analysten in einer vorteilhafteren Position als ihre Anlagekunden befinden. Liegt ein Analyst daneben, spricht man von einer "Schätzungsrevision". Liegt ein Anleger daneben, kostet ihn das Geld.
 

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