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In den letzten Tagen galt der Dollar zeitweise weniger als 90 Rappen. Welches sind die Gründe für den jüngsten Rückschlag beim Greenback?

Bis vor wenigen Wochen waren sich die Akteure an den Devisenmärkten weitestgehend einig, dass die Tage des billigen Geldes in den USA gezählt sind. Rückblickend betrachtet erwiesen sich diese Annahmen als voreilig. Innerhalb des Offenmarktausschusses regt sich zwar immer stärkerer Widerstand gegen eine ungebremste Fortsetzung des Rückkaufprogramms für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken. Mit einem Entscheid, die Rückkäufe zu drosseln, tun sich die Verantwortlichen allerdings schwer. Man darf nicht vergessen, dass die US-Notenbank Monat für Monat für 85 Milliarden Dollar Schuldtitel kauft. Ihre Bilanzsumme nähert sich unaufhaltsam der magischen Marke von 4000 Milliarden Dollar. Kein Wunder, entlädt sich dies in einem schwächeren Dollar.

Ist ein geldpolitischer Kurswechsel der US-Notenbank damit vom Tisch?

Nein, das glaube ich nicht. Die Monetarisierung der Staatsschulden muss so rasch als möglich aufhören. Das ist möglicherweise auch den Exponenten der US-Notenbank bewusst. Mittlerweile sind sie allerdings zu Gefangenen ihrer eigenen Geldpolitik geworden, wollen sie eine Destabilisierung der Finanzmärkte vermeiden. Übertreibungen gibt es mittlerweile mehr als genug. Je länger sie im bisherigen Umfang am Rückkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken festhält, desto schwieriger wird der Ausstieg. Sobald es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jenseits des Atlantiks eine Drosselung des Rückkaufprogramms für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken zulässt, wird eine solche beschlossen. Das kann je nach Nachrichten aus der dortigen Wirtschaft allerdings Frühling wenn nicht sogar Frühsommer werden.

Drückt nicht auch das Ende der Krise in Europa auf den Dollar?

Ich würde noch nicht von einem Ende der Krise sprechen. Durch das entschiedene Handeln der Europäischen Zentralbank von vor zwei Jahren hat sich die Situation zumindest stabilisiert. Zu mehr als zu Symptombekämpfung konnte sich die Politik bisher nicht durchringen. Die strukturellen Probleme aber bleiben bestehen und schwelen weiter vor sich hin, beispielsweise die immer auf historischen Rekordständen liegenden faulen Bankkredite. Aber alleine schon die Stabilisierung hat dem Euro gegenüber dem Dollar deutlichen Auftrieb verliehen. Als trendverstärkend erweisen sich die in vielen europäischen Ländern mittlerweile recht freundlichen wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren.

Der von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) für den Euro eingeführten Mindestkurs feierte vor wenigen Wochen seinen zweijährigen Geburtstag. Wie geht es bei uns in der Schweiz weiter?

Die SNB musste in den letzten Monaten nicht mehr mit Offenmarkttransaktionen zu Gunsten des Euros intervenieren. Das ist aus Schweizer Sicht schon mal begrüssenswert, betragen die Fremdwährungsreserven doch mehr als 443 Milliarden Franken. Dank dem vor gut zwei Jahren eingeführten Mindestkurs wertete sich der Franken zumindest gegenüber dem Euro nicht mehr weiter auf. Die beiden Währungen weisen schon seit Wochen wenn nicht gar seit Monaten eine extrem hohe Korrelation auf. Anders gestaltet sich die Situation hingegen beim Dollar, welcher sowohl gegen den Euro als auch gegen den Franken deutlich an Wert eingebüsst hat.

Wann findet der Dollar gegenüber dem Franken endlich Boden?

Knapp unter 90 Rappen verfügt der Dollar über eine recht solide Basis. Die in den letzten Tagen beobachteten Erholungstendenzen überraschen deshalb nicht. Allerdings ist die Dollar-Schwäche noch nicht ausgestanden. Je länger die US-Notenbank ihren geldpolitischen Kurswechsel hinauszögert, desto stärker geht die Entwicklung an den Devisenmärkten in die Extreme. Und seien wir ehrlich: Der Greenback notiert zum Franken schon seit Jahren unter der Kaufkraftparität. Ein paar Wochen oder Monate mehr spielen da keine Rolle.

Viele Schweizer Unternehmen erzielen einen Grossteil ihrer Umsätze und Erträge im Ausland und somit auch in Dollar oder in Schwellenländerwährungen. Gehen von der Dollar-Schwäche und den Währungsturbulenzen Gefahren für unsere Firmen aus?

Die hierzulande für das dritte Quartal veröffentlichten Unternehmensergebnisse weisen erste Beeinträchtigungen auf. Letztere beschränkten sich bisher weitestgehend auf die Umsatzentwicklung. Am stärksten betroffen sind Firmen mit einem hohen Ergebnisbeitrag aus dem Dollar-Raum oder aus den Schwellenländern. Fallen auch Kosten in diesen Währungen an, dämpft dies die Auswirkungen etwas ab. Geradezu tödlich ist hingegen ein hoher Ergebnisbeitrag aus dem Dollar-Raum bei gleichzeitig hohen in Franken oder Euro anfallenden Kosten.

Können Sie uns sagen, auf welche Schweizer Unternehmen diese unglückliche Kombination zutrifft?

Mir kommt spontan der Halbleiterhersteller AMS in den Sinn. Dieses Unternehmen erzielt rund 70 Prozent des Jahresumsatzes in Dollar. Gut die Hälfte der Kosten fallen in Euro an und nur gerade ein Viertel in Dollar. Und auch Swatch Group und Richemont warten mit einem eher ungünstigen Verhältnis auf. Allerdings verfügen die beiden Westschweizer Luxusgüterhersteller über die nötige Preisgestaltungsmacht, um Gegensteuer geben zu können.

Welche Firmen sind noch betroffen?

Neben AMS erzielen auch Dufry, OC Oerlikon und Lonza die Hälfte des Jahresumsatzes oder mehr im Dollarraum. Diese Unternehmen haben jedoch auch namhafte in Dollar anfallende Kostenblöcke. Firmen wie DKSH, Meyer Burger oder Holcim erzielen mindestens die Hälfte ihres Umsatzes in Schwellenländerwährungen. Und auch hier fallen die Kosten ziemlich kongruent in diesen Währungen an. Noch haben die Währungsturbulenzen aber nur bedingt Einzug in die Konsensschätzungen gefunden, was gewisse Risiken weckt.

Gibt es auch Gewinner des schwachen Dollars oder der Währungsturbulenzen in den Schwellenländern?

Ja, auch die gibt es. Es sind dies Unternehmen mit einem stattlichen Umsatzbeitrag aus Europa und überproportional hohen Kostenblöcken im Dollar-Raum und in den Schwellenländern. Dazu gehören etwa Barry Callebaut oder Schindler. Aber ehrlich gesagt sind diese Unternehmen eher dünn gesät. Andere wie Basilea oder Geberit verfügen zwar über einen hohen Umsatzbeitrag aus Europa, dort aber eben auch über einen ziemlich hohen Kostenblock.

Gehen für den Schweizer Aktienmarkt Gefahren von der derzeitigen Währungskonstellation aus?

Gefahren sind tatsächlich vorhanden. Aufgrund des immer grösseren Risikoappetits steht der Schweizer Aktienmarkt schon seit Wochen nicht sonderlich hoch in der Gunst internationaler Grossinvestoren. Dennoch muss unser Heimmarkt den Vergleich mit anderen europäischen Aktienmärkten nicht scheuen. Treffen jetzt auch noch währungsbedingte Gewinnschätzungsreduktionen ein, nimmt die Gefahr von Gewinnmitnahmen überproportional zu. Deswegen die Flinte ins Korn zu werfen, halte ich allerdings für übertrieben. Zumindest sofern sich die Situation an den Devisenmärkten nicht noch einmal grundlegend eintrübt.