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Wenn Carl Icahn bei einem Unternehmen einsteigt, haben die Entscheidungsträger für gewöhnlich allen Grund, nervös zu werden. Der US-Milliardär ist bekannt dafür, sich bei unterbewerteten Unternehmen einzunisten. Mit aggressiven Strategien drängt er dann auf Veränderungen, von denen vor allem die Aktionäre profitieren. Dazu gehören etwa Aktienrückkäufe, Restrukturierungsmassnahmen oder gar der Verkauf des Unternehmens. Meist ist Icahn am Ende um viele Millionen Dollar reicher, während die betroffenen Firmen mit den nicht immer positiven Folgen zu kämpfen haben.
Sein Engagement bei Transocean vor etwas mehr als zwei Jahren hatte sich der erfolgsverwöhnte US-Milliardär womöglich anders vorgestellt. Selbst unter Berücksichtigung der erhaltenen Dividendenzahlungen ist sein Aktienpaket knapp 500 Millionen Dollar weniger wert als damals.
Und das aus gutem Grund: Denn das Fass Rohöl gilt noch immer deutlich weniger als 75 Dollar. So viel müsste es allerdings in etwa kosten, damit das auf die Ölförderung auf hoher See spezialisierte Unternehmen langfristig Geld verdienen kann.
Doch die Realität sieht anders aus. Die Branche ächzt unter der Last gewaltiger Überkapazitäten. Viele Anbieter haben zwar damit begonnen, alte Förderschiffe und –plattformen auszumustern - auch Transocean, was dem Unternehmen in den letzten Monaten ausserordentliche Wertberichtigungen und Abschreibungen in Milliardenhöhe einbrachte. Allerdings werden über die kommenden Monate nicht weniger als 100, schon vor Jahren in Auftrag gegebene Schiffe und Plattformen fertiggestellt. An den branchenweiten Überkapazitäten und an der ölpreisbedingten Auftragsflaute bei der Ölförderung auf hoher See ändert sich damit nichts.
In einer Studie zur amerikanischen Ölserviceindustrie schlägt der für die Deutsche Bank tätige Verfasser verständlicherweise warnende Töne an. Er rechnet grundsätzlich mit ernüchternden Zahlenkränzen für das zurückliegende erste Quartal. Sehr negativ ist der Experte – wen wunderts – vor allem für Transocean. Die Aktien des in Zug niedergelassenen Unternehmens werden bei der Deutschen Bank neu mit einem geradezu Aufsehen erregenden Kursziel von 3 (6) Dollar zum Verkauf empfohlen.
Vom gestrigen Schlusskurs der in New York gehandelten Titel aus betrachtet errechnet sich ein Abwärtspotenzial von mehr als 80 Prozent. Darf man dem Experten Glauben schenken, dann wird der Börsenwert von Transocean auf gerade mal eine Milliarde Dollar schrumpfen.
Das wiederum würde Fragen in Bezug auf den Verbleib der Aktien im viel beachteten Swiss Market Index (SMI) aufwerfen. Denn mit einem Anteil von 0,5 Prozent an der Gesamtkapitalisierung ist das Ölserviceunternehmen schon heute nur noch ein Fliegengewicht.
Ich bleibe bei meiner bisherigen Meinung: Die Redimensionierung der Förderflotte ist bei Transocean nur ein erster Schritt und eine Stärkung der Eigenkapitalbasis im weiteren Jahresverlauf vermutlich unumgänglich. Oder um es in den Worten der verstorbenen Investorenlegende André Kostolany zu sagen: "Aktiengewinne sind Schmerzensgeld. Erst kommt der Schmerz, dann das Geld." Noch ist für die Aktionäre von Transocean ein Ende des Schmerzes meines Erachtens nicht absehbar - auch wenn das optisch tiefe Kursziel der Deutschen Bank reine Effekthascherei sein dürfte. Man erinnere sich an eine ähnlich aggressive Verkaufsempfehlung vor zig Jahren für die Aktien von ABB.
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Aktienstrategen verfolgen einen grundlegend anderen Ansatz als Aktienanalysten. Während sich Erstere vor allem an den Rahmenbedingungen, sprich am wirtschaftlichen Umfeld und an der Zins- und Geldpolitik orientieren, zählen für Letztere vor allem unternehmensspezifische Aspekte. Im Fachjargon spricht man deshalb von einem "Top Down"-Ansatz der Aktienstrategen und einem "Bottom Up"-Ansatz bei den Aktienanalysten.
Erst vor wenigen Tagen machten die für die Citigroup tätigen Aktienstrategen mit einer aggressiven Kaufempfehlung für europäische Aktien von sich reden. Dank der Liquiditätsflut der Europäischen Zentralbank (EZB) sehen sie bis Ende nächsten Jahres noch einmal Raum für um 40 Prozent höhere Kursnotierungen (siehe Kolumne vom 22. April).
Nun legen die Experten nach und üben Kritik an den ihres Erachtens zu vorsichtigen Aktienanalysten. Die durchschnittliche Empfehlung für europäische Einzelaktien befinde sich auf dem tiefsten Stand seit 25 Jahren, so schreiben sie. Das erstaune, würden die Meinungen für gewöhnlich mit anziehenden Kursen doch immer konstruktiver.
Für die Aktienstrategen der amerikanischen Grossbank steht deshalb fest: Die Aktienanalysten sind in ihrer Haltung entweder aufgrund fundamentaler Vorbehalte zu vorsichtig oder aber die Folgen der Liquiditätsschwemme und der historisch tiefen Zinsen habe sie völlig überrascht.
Die aggressive Kaufempfehlung der Citigroup für europäische Aktien ist das eine, auch wenn die Strategen damit den Bezug zur Realität etwas verlieren. Mit der Kritik an der angeblich zu vorsichtigen Haltung vieler Aktienanalysten öffnen die Experten allerdings ein neues und nicht sonderlich ruhmreiches Kapitel. Ich fühle mich darin jedenfalls in meiner Meinung bestärkt, dass sich die Hausse an den Aktienmärkten in einer weit fortgeschrittenen Phase befindet.
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