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Nicht zuletzt dem hiesigen Nationalfeiertag vom Dienstag dürfte es geschuldet sein, dass die Nachrichtenlage am Schweizer Aktienmarkt in der ersten Wochenhälfte eher dünn war. Bei dieser Gelegenheit durften wir Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten nach den Strapazen der Vorwoche kurz mal durchatmen – bevor die Halbjahresberichterstattung wieder Fahrt aufnahm.

Mit dem Stellenvermittler Adecco, dem Telekommunikationsriesen Swisscom, dem Bauchemiespezialisten Sika und dem Rückversicherer Swiss Re warteten in den letzten 48 Stunden gleich vier Grossunternehmen aus dem Swiss Leaders Index (SLI) mit Zahlenkränzen auf. Und wie beinahe schon gewohnt, gingen diese mit grösseren Kursverschiebungen einher.

Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Die Handelsumsätze waren und sind selbst für diese Zeit des Jahres ungewöhnlich dünn. Selbst als die Rating-Agentur Fitch am Mittwoch die Bonitätsnote der Vereinigten Staaten von "AAA" auf "AA+" senkte und die Kurse purzelten, zogen die Umsätze kaum an. Bis zum Markteintritt der Amerikaner um 15.30 Uhr unserer Zeit hatten bei Nestlé und Novartis für jeweils gerade einmal 100 Millionen Franken Aktien die Hand gewechselt. Gestern Donnerstag waren es bei Novartis dann sogar noch weniger – wobei Verkäufe über die Index-Futures den beiden Schwergewichten zusetzten.

Kursentwicklung der Aktien von Novartis und Nestlé in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Die Begründung von Fitch für den Entzug der Bestnote liest sich übrigens schon fast wie ein Loblied auf die Vereinigten Staaten. Die Rating-Agentur bemängelt einerseits zwar die "schwindende Regierungsführung" sowie die "wiederholten politischen Zankereien um die Schuldenobergrenze". Andererseits hebt sie die "zahlreichen strukturellen Stärken" hervor, welche "die finanzielle Stärke unterstreichen". Gemeint sind etwa die grosse, fortschrittliche, breit abgestützte und einkommensstarke Wirtschaft, aber auch die Rolle des Dollars als wichtigste Reservewährung der Welt. Die Rolle des Dollars eröffne der Regierung in Washington einmalige Möglichkeiten bei der Finanzierung, so heisst es weiter.

Dass sich die Staatsschulden Washingtons in den vergangenen zehn Jahren auf zuletzt 32'330 Milliarden Dollar verdoppelt haben - wird von der Rating-Agentur bestenfalls am Rande erwähnt. Und den Hinweis, dass die Steuereinnahmen neuerdings regelrecht wegbrechen, sucht man gar vergeblich – genauso wie jenen, dass die jährlichen Zinskosten innerhalb von bloss einem Jahr um 50 Prozent auf knapp 1000 Milliarden Dollar (pro Jahr!) gestiegen sind.

Zum Musterschüler taugen die Vereinigten Staaten schon lange nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Vermutlich schmeichelt selbst die Bonitätsnote "AA+" der tatsächlichen finanziellen Situation noch zu sehr...

Interessant ist auch, welche Aktien hierzulande unter diesen Neuigkeiten am meisten zu leiden hatten. Besonders stark abgestraft wurden die Aktien von bis über beide Ohren verschuldeten Unternehmen wie etwa AMS Osram, Idorsia oder Evolva.

Doch auch die Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis bekamen ihr Fett weg. Neben den bereits erwähnten Verkäufen über die Index-Futures liess die Herunterstufung auch Stimmen laut werden, die Kostensenkungsmassnahmen im amerikanischen Gesundheitswesen forderten. Vermutlich hatten die Valoren von Roche und Novartis nicht zuletzt deshalb Kursverluste zu beklagen.

Kommen wir an dieser Stelle noch auf Oerlikon zu sprechen. Gestern Donnerstag gerieten die Aktien des Oberflächenbehandlungsspezialisten einmal mehr unter die Räder, nachdem dieser seine diesjährigen Umsatz- und Margenvorgaben nach unten angepasst hatte. Dass sich das Unternehmen in der ersten Jahreshälfte allen Widrigkeiten zum Trotz wacker schlug, schien dabei keine Rolle zu spielen.

Neuerdings geht man bei Oerlikon für dieses Jahr unter Mitberücksichtigung der Riri-Übernahme von einem Umsatz zwischen 2,75 und 2,8 Milliarden Franken (zuvor 2,9 bis 2,95 Milliarden Franken) bei einer operativen Marge (EBITDA) von rund 15,5 Prozent (zuvor 16 bis 16,5 Prozent) aus.

Kurszerfall der Oerlikon-Aktien seit Januar (Quelle: www.cash.ch)

Mich machen die zweistelligen Kursverluste gleich aus zwei Gründen etwas ratlos: Zum einen wurde schon im Vorfeld auf eine mögliche Senkung der diesjährigen Umsatz- und Margenvorgaben spekuliert. Und zum anderen ist die Senkung fast ausschliesslich ein Ergebnis des zuletzt starken Frankens. Firmenspezifisch ist das nicht...

Die Aktien von Oerlikon waren übrigens nur im Februar 2009 günstiger zu haben als zuletzt – und auch das nur für einige wenige Wochen. Damals war das Unternehmen hochverschuldet (Nettoschulden von 1,8 Milliarden Franken) und schrieb Verluste. Wie das Halbjahresergebnis zeigt, steht es heute substanziell besser um den Oberflächenbehandlungsspezialisten.

Auch die Valoren von Sika werden heute Freitag mit Kursverlusten abgestraft. Einmalige Kosten im Zusammenhang mit der milliardenschweren Übernahme des ehemaligen Bauchemiegeschäfts der deutschen BASF verhageln dem hiesigen Vorzeigeunternehmen die erste Jahreshälfte. Die üppigen Kosten ausgeklammert, bewegt sich das Halbjahresergebnis hingegen im Rahmen der Analystenerwartungen.

Schon unter dem früheren Firmenchef Jan Jenisch machte Sika sich mit kleineren Ergänzungskäufen einen Namen. Im Frühjahr 2019 wich man mit der Übernahme der französischen Parex für 2,5 Milliarden Franken dann erstmals vom langjährigen Erfolgsrezept ab.

Als der Bauchemiespezialist drei Jahre später auch noch MBCC anlachte, kommentierte ich diesen Schritt wie folgt:

...und weiter...

Mal schauen, ob sich die Wogen im Laufe nächster Woche wieder legen. Mehr zum Thema kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

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