Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um den Schweizer Aktienmarkt und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Während die Leitbörse in New York von einem Rekord zum nächsten eilt, fristet der Schweizer Aktienmarkt schon seit Wochen ein Mauerblümchen-Dasein. Schlimmer noch: Für den breit gefassten Swiss Performance Index (SPI) erweisen sich die letzten fünf Monate unter dem Strich als ein Nullsummenspiel. Geld verdiente nur, wer die richtigen Einzelaktien im Portefeuille hatte.

Anders an der Wall Street. Dort scheint das Geld regelrecht auf der Strasse zu liegen. Kaum ein Börsengang, bei dem der Aktienkurs nicht gleich am ersten Handelstag eine Verdoppelung oder mehr erfährt.

Da kann selbst der pandemiegeplagte Apartment-Vermittler Airbnb nicht widerstehen. Erst am Mittwoch platzierte der Börsendebütant 52 Millionen Aktien zu einem Kurs von 68 Dollar und damit weit über der Preisspanne von 56 bis 60 Dollar bei Investoren. Ja, wir sprechen von derselben Preisspanne, die schon wenige Tage zuvor von ursprünglich 44 bis 50 Dollar angehoben wurde. Gestern Donnerstag eröffneten die Aktien bei fast 150 Dollar, was einem Unternehmenswert von mehr als 100 Milliarden Dollar entspricht. In der Spitze kosteten die Aktien sogar 165 Dollar.

Auch sonst sind Börsenexzesse in New York an der Tagesordnung. In den letzten Tagen kaufte jemand Kauf-Optionen auf die Aktien von Elektroautomobil-Pionier Tesla mit einem Bezugspreis von 1160 Dollar. Nicht der weit über dem Schlusskurs von 575 Dollar liegende Bezugspreis, sondern vielmehr der Umstand, dass die besagten Kauf-Optionen am kommenden Freitag verfallen, lässt einen Totalverlust für den Käufer erahnen.

Bei solchen Beobachtungen ist es mir, als melde sich die Goldgräberstimmung von Ende der Neunzigerjahre zurück – anders als damals bloss zusätzlich angeheizt durch viel billiges Geld und Derivatspekulationen. Wer unzureichend, falsch oder womöglich gar nicht positioniert ist, wird regelrecht überrollt. Dementsprechend riecht es förmlich nach Kapitulation.

Dass Exzesse in Übersee mittlerweile an der Tagesordnung sind, ist für die nicht gerade erfolgsverwöhnten hiesigen Marktakteure ein ziemlich schwacher Trost. Denn auch sie wissen: Niest die Leitbörse in New York zweimal laut, verschlägt es den Schweizer Aktienmarkt mit einer Grippe ins Bett. Mit anderen Worten: Fallen die Kurse in New York, fallen sie auch in der Schweiz.

Der SPI notiert noch immer nur auf dem Stand vom Sommer (Quelle: www.cash.ch)

Was für extreme Züge die Kluft im transatlantischen Börsengefüge angenommen hat, zeigen Berechnungen von Julien Bittel. Wie Erhebungen des für die Genfer Privatbank Pictet & Cie tätigen Strategen zeigen, notiert der viel beachtete MSCI Equity Switzerland Index im Vergleich mit dem MSCI Equity World Index auf dem tiefsten Stand seit 1995. Und als ob das alleine noch nicht genug wäre, liegt das Verhältnis zwischen den beiden Börsenbarometern rund 12 Prozent unter dem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt. Zu einem solchen Extremwert sei es seit 1994 bloss neunmal gekommen, so Bittel. Er erachtet unseren Heimmarkt deshalb als "stark überverkauft".

Dieser Extremwert kommt nicht von ungefähr, machen angelsächsische Berufskollegen des Pictet-Strategen doch einen grossen Bogen um den als konjunkturresistent geltenden Schweizer Aktienmarkt.

Am Mittwoch berichtete ich, dass sich nach Morgan Stanley und der Citigroup jüngst auch Merrill Lynch negativ äusserte. Man kann schon fast von einem angelsächsischen Schulterschluss gegen den Schweizer Aktienmarkt sprechen.

Da liesse sich einiges hineininterpretieren. Ist diese Abneigung gegenüber den hiesigen Schwergewichten eventuell sogar ein Vorbote für eine einschneidende Reglementierung der Medikamentenpreise unter der künftigen Regierung in Washington? Die Credit Suisse warnte einst, dass der Pharmaindustrie dadurch bis zu einem Drittel des Jahresgewinns wegbrechen könnte.

Für Verwirrung sorgte am Dienstag eine Meldung, wonach die UBS bei der SFS Group im Auftrag der Familie Stadler Aktien platziere. Im vorbörslichen Handel wurden die Papiere des Rheintaler Unternehmens denn auch mit einem Minus von fast 3 Prozent abgestraft.

Wie sich herausstellte, hatte die Aktionärsfamilie einen Teil ihrer Aktien ausgeliehen und nun angeblich wieder zurückerhalten. Da fragt sich doch, ob sie damit ausländischen Leerverkäufern überhaupt erst Wetten gegen die Papiere der SFS Group ermöglicht hat.

Verlierer der Woche sind die Aktionäre von AMS. Die Valoren des Sensorenherstellers aus Unterpremstätten standen die ganzen fünf Handelstage über unter Verkaufsdruck. Den Stein ins Rollen – oder besser gesagt: die Kurse ins Purzeln – brachten Spekulationen, wonach das Unternehmen beim Grosskunden Apple künftig Aufträge verlieren könnte.

Ich schrieb am Dienstag:

Die hartnäckige Kursschwäche der letzten Tage – trotz vehement verteidigenden Analystenstimmen – lässt erahnen, dass eventuell mehr hinter diesen Spekulationen stecken könnte. Falls ja, würde dies ein ganz anderes Licht auf die milliardenschwere Übernahme von Osram Licht werfen. Donnerstagmittag habe ich bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2020 die AMS-Position vorsorglich halbiert.

Längst nicht alle Aktionäre können sich für Aktienrückkäufe begeistern. Langjährige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass auch ich Aktienrückkäufen gegenüber eher kritisch eingestellt bin.

Die Aktien von AMS: Ringsum verteidigt und dennoch schwach (Quelle: www.cash.ch)

Über Jahre hinweg für zig Milliarden von Dollar eigene Aktien zurückkaufen und in Krisenzeiten dann auf staatliche Rettung angewiesen sein, geht meines Erachtens gar nicht. So zu beobachten bei zahlreichen prominenten Vertretern der amerikanischen Luftfahrtindustrie – ohne Namen nennen zu wollen.

Ausserdem soll es schon vorgekommen sein, dass Unternehmen rückblickend nahe der Höchstkurse zugegriffen haben. Dass es auch anders geht, zeigt Nestlé. Firmenchef Mark Schneider musste sich einst viel Kritik gefallen lassen, als er den Forderungen des umtriebigen Hedgefonds-Milliardärs Dan Loeb nachkam und ein mit 20 Milliarden Franken dotiertes Aktienrückkaufprogramm ins Leben rief. Zur Erinnerung: Der Amerikaner hatte über seinen Hedgefonds Third Point damals bloss 1,3 Prozent der Stimmen im Rücken.

Von einem meiner geschätzten Lesern angestachelt, machte ich mich in den letzten Tagen ein bisschen schlau. Sein Vorwurf, Nestlé habe quasi zu Höchstkursen im grossen Stil eigene Aktien aufgekauft, lässt sich nicht erhärten. Vielmehr zeigen die Aktivitäten auf der zweiten Handelslinie, dass die Waadtländer bei den Aktienrückkäufen wirklich gute Arbeit leisten. Immer wenn der Aktienkurs zurückfällt, schwellen die Käufe über die zweite Handelslinie an. Gerade im Kursloch von Mitte März kaufte Nestlé täglich mehr als eine Million Titel zu. An gewöhnlichen Tagen sind es bloss zwischen 100'000 und 250'000.

Jetzt sollte der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey nur noch angemessen von der Börse für die wirklich gute Arbeit belohnt werden. Mal schauen, ob sich das SMI-Schwergewicht nächste Woche wieder über der symbolischen Marke von 100 Franken einpendeln kann. Mehr dazu am kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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