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Was war das bloss wieder für eine Woche: Ging die Vorwoche noch als die verlustreichste Börsenwoche seit März in die Geschichtsbücher ein, setzte in den letzten Tagen rund um den Globus eine kräftige Gegenbewegung ein. Einmal mehr gab dabei die New Yorker Börse den Ton an, nachdem der befürchtete Erdrutsch-Sieg der Demokraten unter Joe Biden ausgeblieben ist. Biden dürfte seinen Widersacher Donald Trump im Rennen um die Präsidentschaft zwar ausgestochen haben. Allerdings bleibt der Senat aus heutiger Sicht in der Hand der Republikaner.

Mit anderen Worten: Es dürfte den Demokraten nicht leicht fallen, einige der politischen Vorstösse der letzten vier Jahre einfach so mir-nichts-dir-nichts rückgängig zu machen. Steuererhöhungen werden durch die neuen Machtverhältnisse ebenso unwahrscheinlich wie ein übertrieben üppiges Konjunkturpaket. Ob sich auch die Pharmaindustrie – und mit ihr die beiden Basler Grosskonzerne Roche und Novartis - in Sicherheit wiegen können, wird sich zeigen müssen. Schliesslich gibt es auch im republikanischen Lager Befürworter für eine Regulierung der übertrieben hohen Medikamentenpreise.

Dass die beiden Schwergewichte aus dem Swiss Market Index (SMI) am Mittwoch dennoch in den Genuss eines kräftigen Kursfeuerwerks kamen, kommentierte ich wie folgt:

Meine Vermutung: Während angelsächsische Grossinvestoren an der Seitenlinie verharren, profitierten die beiden Schwergewichte von der Glattstellung von Absicherungstransaktionen über die Index-Futures sowie von vereinzelten Käufen der hiesigen "Lokalprominenz".

Eine Börse der Extreme: Der SMI befindet sich seit zwei Wochen auf Achterbahnfahrt (Quelle: www.cash.ch)

Wenn angelsächsische Gelder am Schweizer Aktienmarkt nach Investitionsgelegenheiten suchen, dann fliessen sie entweder in diesjährige Börsenüberflieger wie Logitech, Tecan und Lonza oder aber in die Finanzwerte.

Tief blicken lässt die neuste Länder-Rangliste der Citigroup. Noch vor wenigen Wochen ganz oben auf besagter Liste, ist die Schweiz ins unterste Drittel der attraktivsten Börsen abgerutscht.

Mitte Oktober schrieb ich in diesem Zusammenhang:

Die Citigroup ist nicht die einzige Bank, welche ihre Meinung "wie andere ihre Unterwäsche" wechselt. Ziemlich genau eine Wochen ist es her, dass Mensur Pocinci und Alexis Chassagnade von Julius Bär beim SMI in die Knie gezwungen wurden und diesen von "Bullish" auf "Neutral" herunterstuften. In der neusten Ausgabe ihrer Publikation "Technical Investment Strategy" machen die beiden bekannten Markttechnikexperten diesen Schritt nun bereits wieder rückgängig.

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich ziemlich viel von Pocinci und Chassagnade halte. Ihr langjähriger Leistungsausweis spricht für die beiden. Bei allem Respekt frage ich mich jedoch, ob der Anlagekundschaft von Julius Bär mit diesem "Hüst und Hott" wirklich geholfen ist.

Für die Überraschung der Woche sorgt am heutigen Freitag Richemont. Wie der Luxusgüterkonzern im zweiten Quartal im Schmuckgeschäft abgeschnitten hat, ist schon ziemlich beeindruckend. Allen Unkenrufen zum Trotz steigerte das Unternehmen in diesem Geschäftszweig nicht nur den Umsatz, sondern auch die Margen kräftig. Gleichzeitig konnte der Verlust im Online-Vertrieb eingegrenzt werden. Auch das sind aus Aktionärssicht gute Neuigkeiten.

Als hätte es die Covid-19-Krise nie gegeben: Kursentwicklung der Richemont-Aktien während den letzten 12 Monaten (Quelle: www.cash.ch)

Spätestens ab Montag zeigt sich dann, ob sich diese geballte Ladung an Erfolgsmeldungen auch in höheren Kurszielen (Analyst Michael Pohn von der DZ Bank geht auf 69 (zuvor 59,50) Franken mit "Halten") oder gar neuen Kaufempfehlungen niederschlägt.

Wenigstens bei den Aktien von Logitech und Credit Suisse hagelte es in den letzten Tagen schon mal Kaufempfehlungen – wenn auch nicht mit übertrieben hochgegriffenen Kurszielen. Interessant ist, dass damit einer der diesjährigen Überflieger aus dem Swiss Leaders Index (SLI) auf eines der Schlusslichter trifft. Da scheinen sich einige Analysten nicht länger ans bisherige Erfolgs-Rezept "Stay with the winners" halten zu wollen.

Für die Zahl der Woche sorgte die UBS. Darf man einem mir zugespielten Strategiepapier der grössten Schweizer Bank Glauben schenken, dann dürften nach den amerikanischen Wahlen bis zu 4000 Milliarden Dollar aus den Anleihen- in die Aktienmärkte fliessen. Bei dieser geradezu abenteuerlichen Prognose stützen sich die in New York sitzenden Autoren um den dortigen Strategen Keith Parker auf historische Durchschnittswerte sowie auf die hohe Überschussliquidität ab.

Seitens von börsengehandelten Indexfonds und passiven Aktienfonds versprechen sich Parker und seine Mitautoren einen Zufluss von 300 Milliarden Dollar oder mehr, von aktiven Aktienfonds darüber hinaus gar einen von bis zu 475 Milliarden Dollar. Unnötig zu erwähnen, dass solche Zuflüsse die Kurse wohl noch einmal kräftig steigen liessen.

Und wenn wir schon bei beeindruckenden Zahlen sind, dann möchte ich meinen Leserinnen und Lesern an dieser Stelle Erhebungen von Merrill Lynch nicht vorenthalten. Wie die mächtige amerikanische Investmentbank vorrechnet, kam es in den letzten 13 Jahren zu nicht weniger als 972 Leitzinsreduktionen seitens der Zentralbanken. Darüber hinaus pumpten letztere ganze 19'000 Milliarden Dollar über Wertpapierkäufe ins Finanzsystem. Ein Ende scheint nicht in Sicht.

Die Gleichung der Banken und ihrer Aktienstrategen ist denkbar einfach: Je mehr die zweite Pandemiewelle an Wucht gewinnt, desto weiter öffnen die Geldpolitiker ihre Liquiditätsschleusen. Die (Liquiditäts-)Flut hebt bekanntlich alle (Börsen-)Boote.

Und wenn wir schon bei Ebbe und Flut sind: Die Quartalsberichterstattung ebbt ab nächster Woche langsam ab. Es folgen Nachzügler wie die Novartis-Tochter Alcon oder die beiden Versicherer Zurich Insurance und Bâloise. Letzterer hat kürzlich mit seinem diesjährigen Investorentag schon mal kräftig vorgelegt. Mal schauen, ob die Realität mit den zukunftsgerichteten Aussagen mithalten kann. Nächsten Freitag wissen wir bestimmt mehr, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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