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Ganz unter uns gesagt: Ich habe in meiner Börsenlaufbahn schon so einiges erlebt – sei es den Zinsbuckel vom Sommer 1994, die Dotcom-Blase und ihr Platzen wenige Jahre später oder den Höhenflug hiesiger Bank- und Versicherungsaktien in den Wochen bevor die Finanzkrise von New York aus ihre Bahn um die Welt antrat.
Was sich in diesen Tagen an der dortigen Börse abspielt, verblüfft allerdings selbst mich alteingesessenen Börsenhasen. Nicht, dass mir die Leerverkäufer leid tun würden. Ganz im Gegenteil. Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, dass bei mir nicht auch ein bisschen Schadenfreude mitspielt. Schliesslich weiss ich, wie despektierlich in den Handelsräumen grosser amerikanischer Hedgefonds und Banken stets über Kleinstanleger geredet wurde. Als "Clowns" oder gar als "Kanonenfutter" wurde diese Anleger-Spezies belächelt – wobei es sich hierbei noch um die weniger verletzenden Beinamen handeln dürfte.
Zur Erinnerung: Über soziale Netzwerke verabreden sich Kleinstanleger, um mit geballter Kraft die Leerverkäufer in die Knie zu zwingen. Das Rezept ist denkbar einfach: Man nehme ein Unternehmen, bei dem bekannt ist, dass umfangreiche Wetten gegen dessen Aktien laufen und treibe den Kurs kräftig nach oben. Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht. Die Leerverkäufer kapitulieren dann und müssen Aktien zukaufen, um ihre Wetten zu schliessen – was dann erst recht eine Aufwärtsspirale in Gang setzt.
Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, irgendwann auch nur ansatzweise einem solchen Massenphänomen begegnet zu sein. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, herrscht bei Aktien Goldgräberstimmung wie zu besten Dotcom-Zeiten – bloss auf Steroide.
Wenn ein einzelner Tweet von Elektromobilpionier und Multimilliardär Elon Musk reicht, um den Bitcoin-Kurs mal eben schnell um 15 Prozent emporschiessen zu lassen, ist eigentlich schon alles gesagt, was gesagt werden muss.
Ein Tweet von Tesla-Mitgründer Elon Musk lässt den Bitcoin-Kurs innerhalb von Minuten nach oben springen (Quelle: www.cash.ch)
Den für die Société Générale tätigen Albert Edwards scheinen die jüngsten Eindrücke ebenfalls zu überfordern. Der bekannte Stratege – er ist bekannt dafür, kein Blatt vor dem Mund zu nehmen – findet denn auch klare Worte. Die amerikanische Notenbank habe ungewollt eine "wütende Meute kriegerischer Kleinstanleger" herangezüchtet und damit ein Monster geschaffen. Trunken von den jüngsten Erfolgen schaue sich die Meute nun nach immer grösseren und mächtigeren Gegnern um.
Edwards gibt denn auch der amerikanischen Notenbank die Schuld an den Spekulationsexzessen. Schliesslich eile sie dem heimischen Aktienmarkt seit Jahren schon bei den kleinsten Turbulenzen zu Hilfe und vermittle so den Marktakteuren ein völlig falsches Gefühl der Sicherheit. Seines Erachtens sollte sich die amerikanische Notenbank sowas von schämen.
Und selbst wenn es Edwards nicht wortwörtlich schreibt, so lässt er zumindest durchblicken, dass gar die amerikanische Notenbank selbst der "Endgegner" sein könnte.
Am letzten Mittwoch hätte Notenbankchef "Jay" Powell die Gelegenheit gehabt, sich zu den Spekulationsexzessen an der New Yorker Börse zu äussern. Diese Gelegenheit hat er allerdings verstreichen lassen. Ahnt er etwa, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr los wird?
Spekulationsgetriebener Höenflug bei den Aktien von GameStop (Quelle: www.cash.ch)
Meine Vermutung: Für die meisten Kleinstinvestoren wird dieses Massenphänomen in Tränen enden. Denn irgendwann haben die Leerverkäufer ihre Wetten gegen eine Aktie eingedeckt, womit die künstlich erzeugte Nachfrage wegbricht und die Gesetze der Gravitationskraft wieder greifen.
Am Donnerstag schrieb ich in diesem Zusammenhang:
Ergänzend sei gesagt, dass es für Kleinstanleger fast immer aufs selbe hinausläuft. Wer sich nicht rechtzeitig verabschiedet, realisiert oft erst wenn es zu spät ist, bloss von irgendwelchen Anstiftern zu deren eigenem finanziellem Vorteil missbraucht worden zu sein. Umso schlimmer, wenn diese Anstifter – wie in diesen Tagen – auch noch vorgeben, aus den eigenen Reihen zu sein...
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