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Noch bis vor wenigen Monaten machten es sich die Aktienstrategen etwas gar einfach: Aufgrund des unsicheren Umfelds setzten die meisten der Experten auf konjunkturunabhängige Qualitätsaktien.

Dies bescherte unserem Schweizer Aktienmarkt in den vergangenen Jahren einen regelrechten Höhenflug. Denn die als defensiv geltenden Aktien aus dem Pharma- und dem Nahrungsmittelsektor machen hierzulande mehr als die Hälfte der Börsenkapitalisierung aus.

Mit ihrer Politik des billigen Geldes liessen sich die Banken und ihre Grosskunden allerdings von der Europäischen Zentralbank (EZB) hinter dem Ofen hervorlocken. In der Erwartung einer wirtschaftlichen Belebung wird schon seit Wochen im grossen Stil in konjunkturabhängige Aktien und Sektoren umgeschichtet.

Einer der ersten Stunde war der für Barclays Capital tätige Aktienstratege. Schon Monate vor seinen Berufskollegen riet er seiner Anlagekundschaft zum Kauf von Aktien aus den Sektoren Grundstoffe, Industrie und zyklischer Konsum sowie von Finanzwerten.

Für den Experten steht fest: Die Umschichtungen in Richtung zyklischer Aktien und Sektoren ist noch lange nicht abgeschlossen. Noch immer werde dieses Marktsegment gegenüber dem Gesamtmarkt mit einem Bewertungsabschlag gehandelt, so schreibt er. Höhere Kurse verspricht man sich bei Barclays Capital insbesondere von den europäischen Bankaktien.

Auch die beiden Schweizer Grossbanken haben die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt. Die UBS brach schon im Ausblick auf das neue Börsenjahr eine Lanze für konjunkturabhängige Branchen und trat den Beweis an, dass es auch in diesem Marktsegment Aktien mit guten Dividendenaussichten gibt. Diesem Grundsatz sind die der Investmentbank zurechenbaren Strategen bis zum heutigen Tag treu geblieben.

Bei der Credit Suisse sah man sich hingegen erst vor wenigen Tagen zu einer Anpassung der Branchenpräferenzen veranlasst. Aufgrund des freundlicheren Umfelds stufte die kleinere der beiden Grossbanken den europäischen Investitionsgütersektor von "Underweight" auf "Benchmark" hoch. Gleichzeitig riet sie der Anlagekundschaft zum Zukauf von Aktien aus dem Bergbausektor. Dieser wird neu nur noch marginal in den Kundenportfolios untergewichtet. Im Gegenzug stuften die Strategen die europäischen Erdölunternehmen von "Benchmark" auf "Underweight" herunter. Den Schweizer Aktienmarkt tangierten diese Anpassungen bestenfalls am Rande.

Nichts von unserem Heimmarkt wissen will man bei Kepler Cheuvreux. Erst vor wenigen Wochen stufte der für das Cross Asset Research tätige Stratege diesen um zwei Stufen von "Overweight" auf "Underweight" herunter (siehe Kolumne vom 18. März). Die hierzulande prominent vertretenen Aktien aus dem Nahrungsmittel- und dem Pharmasektor widersprechen den Branchenpräferenzen des Experten. Gefallen findet er neuerdings an den Finanzwerten, welche er von "Neutral" auf "Overweight" hochstuft. Die Aktien aus dem Grundstoffsektor werden hingegen von "Neutral" auf "Underweight" gesenkt.

Mitte Februar warfen die für BNP Paribas tätigen Berufskollegen beim europäischen Nahrungsmittelsektor das Handtuch und stuften ihn auf "Underweight" zurück. Im Gegenzug erhöhten sie den Chemiesektor von "Underweight" auf "Neutral" und die Finanzwerte von "Neutral" auf "Overweight".

Erst vor wenigen Tagen warnte die französische Grossbank nun erstmals vor einem drohenden Rückschlag an den europäischen Aktienmärkten. Die Experten favorisieren neu die Sektoren Grundstoffe, Detailhandel, Bau und Baumaterial sowie die Finanzwerte. Der eigenen Anlagekundschaft raten sie hingegen von Aktien aus den defensiven Sektoren Nahrungsmittel, Telekommunikation und Versorger ab, was ein bisschen inkonsequent anmutet.

Eine Ausnahme sind die für Morgan Stanley tätigen Aktienstrategen. Anfang Monat rieten sie ihrer Anlagekundschaft dazu, den Anteil konjunkturabhängiger Aktien in den Portfolios substanziell zu reduzieren. In Zuge dessen stuften die Experten die zyklischen Konsumaktien von "Overweight" auf "Equal-weight" herunter und kürzten das Übergewicht im Industriesektor. Gleichzeitig erhöhten die Amerikaner den Energiesektor von "Equal-weight“ auf "Overweight" und verdoppelten das Übergewicht bei den Bankaktien.

In einer heute erschienenen Studie gehen die Verfasser der Frage nach, ob Anleger wieder in dividendenstarke Qualitätsaktien umschichten sollten. Diese Frage beantworten sie allerdings mit einem klaren "Nein" und raten statt dessen zu Wachstumsaktien mit guten Dividendenaussichten. Dazu zählen sie am Schweizer Aktienmarkt nur gerade jene von Adecco.

Die Aktienstrategen bleiben mehrheitlich zuversichtlich, was die zukünftige Entwicklung an den europäischen Börsen anbetrifft. Dasselbe gilt für die Branchenpräferenzen: Mit Ausnahme von Morgan Stanley setzen die Banken und ihre Experten weiterhin auf konjunkturabhängige Aktien und Sektoren.

Diese ungebrochene Zuversicht birgt aber auch Gefahren. Denn vermutlich sind die Banken und ihre Anlagekunden bereits weitestgehend in europäischen Aktien und in konjunkturabhängigen Sektoren positioniert. Beginnt der Zustrom von frischem Kapital zu versiegen, droht oft ein Rückschlag wenn nicht gar eine Trendumkehr. Für den bei den Banken und ihren Aktienstrategen wenig beliebten Schweizer Aktienmarkt wäre das allerdings kein Unglück.

 

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