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Am Schweizer Aktienmarkt wird schon seit Wochen fleissig an einem neuen Kapitel der Börsenhausse geschrieben. Was Anleger vermutlich nicht gerne hören: Es könnte das vorerst letzte sein.

Denn für gewöhnlich ist die späte Phase einer Börsenhausse von Übertreibungen geprägt. Und solche sind mittlerweile schon fast an der Tagesordnung.

Auch bei uns fallen immer wieder neue Unternehmen aus dem Ausland kolportierten Übernahmespekulationen zum Opfer. Gestern traf es nun Actelion. Darf man der britischen Wochenendpresse Glauben schenken, dann liegt dem Verwaltungsrat ein 17 Milliarden Franken schweres nicht-bindendes Übernahmeangebot von Shire vor. Prompt schossen die Aktien von Actelion in die Höhe.

Für mutige Anleger lässt sich mit solchen Spekulationen eine goldene Nase verdienen. Die Angst, etwas verpassen zu können, ist gross.

Da überrascht es nicht, dass bei ABB am vergangenen Donnerstagnachmittag alleine schon die Meldung über einen Neuzugang im Aktionariat ausreichte, damit die Aktien innerhalb von Minuten zum Höhenflug ansetzten.

Seit sich Cevian Capital mit 3,1 Prozent beim in Zürich beheimateten Industriekonzern eingekauft hat, jagt ein Gerücht das nächste. Von bevorstehenden Anpassungen der Firmenstruktur ist zu hören, genauso wie von grossen ausserbörslichen Blocktransaktionen. Von diesen wird abgeleitet, dass Cevian Capital oder andere Grossaktionäre munter Titel hinzukaufen.

Ganz abwegig ist das nicht. Schliesslich ist der Neuzugang im Aktionariat von ABB kein unbeschriebenes Blatt. Cevian Capital ist bekannt für seine Einflussnahme bei Unternehmen, welche oft über einen Sitz im Aufsichtsrat hinausgeht.

Allerdings genügt eine Milchbuchrechnung, um die Spekulationen rund um einen Beteiligungsausbau zu entkräften. Denn eigenen Angaben zufolge verwaltet der Investmentfonds umgerechnet 15 Milliarden Franken. Das an ABB gehaltene Aktienpaket hat hingegen einen Wert von gut 1,5 Milliarden Franken, was 10 Prozent des Fondsvermögens entspricht. Cevian Capital müsste schon gute Gründe haben, um ein Klumpenrisiko im Beteiligungsportfolio in Kauf zu nehmen.

Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass die millionenschweren ausserbörslichen Blocktransaktionen eher aufs Konto von Trittbrettfahrern gehen.

Dennoch bekommen die ersten Baissiers kalte Füsse. Gestern stufte der für Kepler Cheuvreux tätige Experte die Aktien von ABB mit einem neu 23 (18) Franken lautenden Kursziel von "Reduce" auf "Hold" hoch. Der Einstieg eines einflussnehmenden Aktionärs komme nicht überraschend, so schreibt er. Schliesslich hätten die Papiere des Industriekonzerns in den vergangenen fünf Jahren nahezu 50 Prozent schlechter als der breite Markt abgeschnitten. Die Unzufriedenheit im Aktionariat sei deshalb nur allzugut nachvollziehbar.

Der Experte rechnet mit einer strategischen Neuausrichtung, welche mit einem Abverkauf von Geschäftsaktivitäten mit einem Beitrag von bis zu 40 Prozent des Jahresumsatzes einhergehen könnte. Seines Erachtens liessen sich mit einer Stärkung des Automationsgeschäfts nicht nur ein höheres Wachstum, sondern auch bessere Margen erzielen.

Heute nun legt sein Berufskollege von HSBC nach. Auch er stuft die Aktien von "Reduce" auf "Hold" hoch und beziffert das Kursziel neu auf 22 (18) Franken. Mit der Rückkehr des ehemaligen Finanzchefs Peter Voser als Verwaltungsratspräsident nehme die Wahrscheinlichkeit für eine längst überfällige Straffung des Firmenportfolios zu, so ist einer Studie zur europäischen Investitionsgüterindustrie zu entnehmen. Auch vom Beteiligungsausbau des Grossaktionärs Investor AB geht für den Studienverfasser Signalwirkung aus. Schliesslich habe die Beteiligungsgesellschaft der Familie Wallenberg ihre Beteiligung innerhalb von eineinhalb Jahren von 8,1 auf 9,3 Prozent ausgebaut.

Meines Erachtens ist das Aktionariat von ABB noch immer zu stark fragmentiert, um massgeblichen Druck auf die Entscheidungsträger am Hauptsitz in Zürich aufzusetzen. Alle Hoffnungen beruhen nun auf dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Peter Voser.

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In den letzten Jahren profitierte Adecco in Frankreich von einem staatlichen Programm zur Verbesserung der dortigen Beschäftigungslage. Einem Kommentar aus dem Hause Barclays Capital entnehme ich, dass damit verbundene Steuervergünstigungen beim Westschweizer Stellenvermittler in den letzten Jahren geschätzte 14 Prozent zum Vorsteuergewinn beigetragen haben. Das ist mehr als nur ein Apropos.

In der französischen Presse wird immer öfter Kritik an diesem Programm laut, ist die Beschäftigungslage seit dessen Einführung von Ende 2012 doch nicht gerade besser geworden. Das dürfte auch der dortigen Politik nicht entgangen sein.

Sollten die Steuervergünstigungen wegfallen, hätte das einschneidende Folgen für die Gewinnentwicklung von Adecco und letztlich auch für die Dividendenaussichten. Letztere sind es denn auch, welche den Aktien in den vergangenen Monaten einen regelrechten Höhenflug bescherten. Bleibt aus Aktionärssicht bloss zu hoffen, dass sich die politischen Wolken am Horizont des hiesigen Börsenlieblings wieder verziehen.

Zumindest bei Barclays Capital gibt man sich noch immer ziemlich entspannt. Die Aktien von Adecco werden im Kommentar jedenfalls weiterhin mit "Overweight" und einem Kursziel von 85 Franken zum Kauf empfohlen.

 

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