Ethereum steht kurz vor dem Übergang des Validierungssytems von einem stromfressenden Proof-of-Work System zu einem umweltfreundlichen Proof-of-Stake-System. Dieser Wechsel wird als «The Merge» bezeichnet und steht kurz bevor. Was bedeutet das nun konkret? Ethereum funktioniert ähnlich wie Bitcoin: Transaktionen werden von einem dezentralen Netzwerk von Computern, den sogenannten «Minern» abgearbeitet. Die Miner stehen in Konkurrenz zu einander, in dem sie um die Wette mathematische Rätsel lösen. Dafür werden sie mit neuen Coins belohnt. Diese Methode, bei der sich die Computer darauf einigen müssen, welche Transaktionen zu einem neuen Block hinzugefügt werden (Proof-of-Work), ist jedoch sehr energieaufwändig. Ethereum wird nun bald zu einem Konsensmechanismus namens Proof-of-Stake wechseln, der weit weniger Energie verbraucht und das Netzwerk nach Angaben der Ethereum Stiftung um etwa 99 % energieeffizienter machen soll. Beim Proof-of-Stake werden Transaktionen von Adressen bestätigt, welche möglichst viele ETH zu genau diesem Zweck halten und diese dazu einsetzen. Diejenigen, die mehr ETH halten und eingesetzt haben, erhalten entsprechend höhere Belohnungen. Das Konzept des Proof-of-Stake macht die Reichen reicher, das System jedoch sicherer. Proof-of-Stake setzt die Anreize so, dass es sich für einen Validator nicht lohnt zu betrügen, da er im Falle eines Betrugs seinen Risikobeitrag, seinen sogenannten «Stake» verlieren würde. Seit geraumer Zeit wird an diesem Konzept gearbeitet doch erst jetzt wird es umgesetzt. Die Umstellung soll zwischen dem 10. und 20. September umgesetzt werden. Investoren, welche ihre ETH bei den gängigen Kryptobörsen hinterlegt haben, werden nichts unternehmen müssen. Alle vergangenen Transkationen sind wie gewohnt einsehbar.
Welche Verbesserungen wird «The Merge» bringen?
In den vergangenen Monaten hat sich der Preis von ETH positiv entwickelt vor allem im Vergleich zu Bitcoin. Dies auch wegen der positiven Erwartungen, welche mit «The Merge» einhergehen. Die Entwickler der Ethereum Blockchain haben angekündigt, dass nach dem Wechsel des Konsensus-Mechanismus weitere Anpassungen folgen werden. Momentan wird Ethereum von langsamen Transaktionszeiten und hohen Kosten geplagt. Zu Spitzenzeiten kann ein einfacher Tausch auf Uniswap (eine Anwendung, welche auf der ETH Blockchain läuft) im Wert von USD 1 über USD 50 an Transaktionsgebühren kosten. Dies wird sich auch mit «The Merge» nicht sofort ändern. Über die Zeit sind jedoch ein Ausbau der Netzwerkkapazität und eine Erhöhung der Geschwindigkeit vorgesehen. «The Merge» ist somit nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu Ethereum 2.0. Wann genau diese Anpassungen umgesetzt werden, ist jedoch nicht bekannt. Im Markt kursieren aber hohe Erwartungen, welche auch zur positiven Preisentwicklung beigetragen haben. Im Weiteren gibt es viele Erwartungen im Zusammenhang mit den hinterlegten ETH, die «staked ETH», für welche ein Ertrag ausbezahlt wird. Wer in welchem Ausmass und über welchen Zeithorizont kompensiert wird, wird verschieden interpretiert. «The Merge» ist sicherlich ein bedeutender Schritt in der Entwicklung der ETH Blockchain. Aber wie bei der Bewertung von Aktien sollte man genau beobachten, welche positiven Entwicklungen bereits im Preis enthalten sind und welche sich schlussendlich auch materialisieren. Im Moment sind alle «Good News» im Preis enthalten. Die Umsetzung von «The Merge» sollte ohne grosse Überraschungen erledigt werden. Wir erwarten eine Konsolidierung nach der ersten Phase der Umsetzung. Die weiteren Verbesserungen, welche auf der Grundlage des «The Merge» eingeführt werden, brauchen aber noch eine gewisse Zeit bis sie live sind.
Ist «The Merge» der Beginn des Kryptomarkt-Frühlings?
Im Zuge der globalen ökonomischen Herausforderungen und der geopolitischen Veränderungen, welche die Finanzmärkte stark beschäftigen hat sich der Begriff Krypto-Winter etabliert. Als sehr risikobehaftete Anlageklasse sind Kryptos entsprechend stark von der Preiskorrektur der globalen Finanzmärkte betroffen. Die oben beschriebene Anpassung der ETH Blockchain, neben Bitcoin die zweit bedeutendste Kryptowährung, ist ein positives Signal für den Markt im Allgemeinen. Die ETH Blockchain ist die Blockchain, welche am meisten kommerziell erfolgsversprechende Projekte beheimatet. Zum Beispiel Uniswap, eine dezentrale Börse, oder AAVE, eine Kreditplattform. Diese Anwendungen haben sich etabliert und weitere werden dazukommen. «The Merge» ist ein starkes Signal, welches aufzeigt, dass die Krypto-Industrie sich weiterentwickelt. Investitionen in Krypto-Projekte sind trotz des Preiszerfalls nicht zum Erliegen gekommen. Risikokapitalgeber sind nach wie vor bereit, in Projekte zu investieren. Auch institutionelle Investoren haben das Interesse am Krypto-Markt nicht aufgegeben. Die Entwicklung unter dem Oberbegriff Web 3.0 wird weitergehen. «The Merge» ist ein bedeutender Schritt, jedoch stellt sich die Frage, ob damit das nötige Gegengewicht zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage geschaffen werden kann und der Krypto-Markt sich aus der aktuellen Lethargie befreien kann. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass durch «The Merge» ein Zeichen gesetzt wird. Wir sind zuversichtlich, dass die Ethereum-Umstellung sowie neue Anwendungen und Teilnehmer dem Markt einen Aufschwung geben können.
Martin Hüppi – Portfolio Manager SEBA BankMartin Hüppi verfügt über langjährige Erfahrung im Portfolio Management und in der Verwaltung digitaler Vermögenswerte auf diskretionärer Basis. Bevor er zur SEBA Bank stiess, war er als Manager von Fixed Income und Multi-Asset Class Funds bei einer Schweizer Privatbank und einem unabhängigen Asset Manager tätig. Bei der SEBA Bank ist er für die Produktstrukturierung von ETPs, AMCs und strukturierten Produkten sowie für die Verwaltung der diskretionären Mandate verantwortlich. Martin hat einen Master-Abschluss in Economics von der Universität St. Gallen (HSG). |