In den vergangenen Wochen haben sich die Kurse von Kryptowährungen seitwärts entwickelt. Obwohl vereinzelt grössere Kurssprünge nach oben und unten registriert wurden, kann man im technischen Jargon nicht davon sprechen, dass der Seitwärtskanal durchbrochen wurde und sich ein neuer Aufwärts- oder Abwärtstrend etabliert hat. Die täglichen Handelsvolumen sind derweil zurückgegangen und die Positionierung am Derivatemarkt ist momentan eher als defensiv bis neutral zu werten. Für kurzfristige Kursgewinne haben insbesondere die Neuigkeiten gesorgt, dass neben BlackRock auch ETF-Grössen wie WisdomTree und Invesco neue Anträge für einen Bitcoin Spot-ETF in den USA eingereicht haben. Positiv zu bewerten ist ausserdem, dass der Korrelationstrend zu traditionellen Anlagen und insbesondere zu US Tech-Aktien weiterhin nach unten zeigt. Die rollierende 3-Monatskorrelation zwischen Bitcoin und dem Nasdaq-100 verweilt derzeit bei rund 0.20, dem tiefsten Stand seit fast 2 Jahren. Von einer Entkoppelung zwischen traditionellen Anlagen und Kryptowährungen zu sprechen, wäre jedoch verfrüht. Das jüngste FOMC-Treffen der amerikanischen Fed, hat einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig Liquiditätserwartungen zumindest kurzfristig für die Anlageklasse sind. Obwohl die Fed den Leitzins zum ersten Mal seit 15 Monaten unverändert beibehielt, liess der Ausblick auf eine weiterhin straffe Geldpolitik, die Krypto-Märkte kurzfristig nach unten korrigieren.
Neben dem makroökonomischen Umfeld kämpft die Anlageklasse derzeit insbesondere in den USA weiterhin mit regulatorischen Unsicherheiten. Die US-Wertschriftenaufsichtsbehörde SEC hat Anfangs Juni einmal mehr für Schlagzeilen gesorgt. Die Behörde hat mehrere der grössten Coins, u.a. SOL, ADA, MATIC, SAND, BUSD, BNB, ATOM als Securities eingestuft. Eine andere US-Aufsichtsbehörde, die CFTC, die vor allem für die Regulierung des Derivatemarkts zuständig ist, hat erst vor kurzem ein Urteil gefällt, dass u.a. Bitcoin und Ethereum als Commodities und nicht als Wertschriften einstuft. Die semantische Unterscheidung zwischen Ethereum als Commodity und ähnliche Layer-1 Protokolle als Wertschriften, ist alles andere als naheliegend. Die unterschiedlichen Einschätzungen erwecken den Anschein, dass die verschiedenen Behörden sich um die Hoheit der regulatorischen Aufsicht bemühen und dabei Inkonsistenzen im Umgang mit Kryptowährungen in Kauf nehmen.
Der Entscheid der SEC, gewisse Kryptowährungen als Wertschriften zu klassifizieren, hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Branche. Der Entscheid erlaubt es der Behörde regulatorisch gegen Kryptobörsen wie Binance und Coinbase vorzugehen. Der Vorwurf lautet, dass die Börsen ihre Kryptowährungs-Handelsplattform als nicht registrierte Wertpapierbörse, Broker und Clearingstelle betrieben haben. Die SEC erhob außerdem Anklage gegen Coinbase wegen des Versäumnisses, das Angebot und den Verkauf seines Staking-Programms zu registrieren. Coinbase hat aber bereits angedeutet, dass sie die oben erwähnten Coins weiterhin zum Handel und zur Verwahrung anbieten wollen. Damit ist die Fehde zwischen Coinbase und der US-Aufsichtsbehörde SEC um ein Kapital reicher. Coinbase hat bereits in der Vergangenheit mit einem Abzug aus den USA gedroht.
Binance wird von der SEC zusätzlich vorgeworfen über eine von CEO Changpeng Zhao kontrollierte Schweizer Handelsfirma sogenanntes «Wash-Trading» auf ihrer Plattform zugelassen zu haben. Beim «Wash-Trading» werden Vermögenswerte gleichzeitig gekauft und verkauft, um den Preis künstlich in die Höhe zu schrauben, Gebühren für den Broker zu generieren und den Eindruck erhöhter Handelsaktivität vorzutäuschen. «Wash-Trading» ist in den meisten Jurisdiktionen illegal. Die SEC-Klage folgte auf einen im März eingereichten Fall gegen Binance durch die CFTC. Dabei wurden Binance und Zhao beschuldigte, in den USA illegal tätig zu sein. In der CFTC-Anklage wird behauptet, dass ein Großteil des gemeldeten Handelsvolumens und der Rentabilität der Börse nur zu Werbezwecken verwendet wurde, um neue US-Kunden zu gewinnen. Binance US hat derweilen angekündigt, USD-Transaktionen bis auf Weiteres einzustellen. Zukünftig soll auf jegliche Fiat-Trading-Aktivität verzichtet werden. Der Handel mit Stable-Coins ist davon allerdings nicht betroffen. Auch jenseits des Atlantiks ermitteln die Behörden derzeit gegen Binance. Die französische Polizei wirft Binance vor, ihre Dienstleistungen illegal beworben zu haben und nicht ausreichend Kontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche durchgeführt habe.
Interessanterweise geht die SEC gegen die Börsen vor, allerdings nicht gegen die Emittenten der Coins. Dies ist bei solchen Fällen eher unüblich. Im Normalfall hätten die Behörden die Herausgeber von nicht-registrierten Wertschriften im Visier. Dies verstärkt den Eindruck eines erratischen Vorgehens, das sich primär gegen die Wertschriftenbörsen richtet und somit den Handel von Kryptowährungen unterbinden soll.
Aus den Anklageschriften lassen sich zwei Schlussfolgerungen treffen. Erstens anerkennt der Regulator explizit Kryptowährungen als Anlageklasse. Sogar Fed-Chair Powell hat vor Kurzem in einer Stellungnahme zum ersten Mal eingestanden, dass die Kryptowährungsindustrie «eine gewisse Beständigkeit aufweist». Lange Zeit hat sich insbesondere in den USA der Konsens etabliert, dass Kryptowährungen am besten ignoriert werden und die Anlageklasse früher oder später von der Bildfläche verschwindet. Diese regulatorische Laissez-faire Politik kann zumindest teilweise für die spektakulären Betrugsfälle wie FTX, Celsius, etc. verantwortlich gemacht werden. Zweitens rücken Aspekte der Sicherheit und regulatorische Fragen vermehrt ins Zentrum der Anleger. Nach den negativen Schlagzeilen rund um Kryptobörsen werden sich Anleger nun zweimal überlegen, wo sie ihre Coins verwahren. Dies kann regulierten Unternehmen, die in Ländern mit einer hohen Rechtssicherheit domiziliert sind, nur helfen.