Im Jahr 2022 sollte die Erfolgsgeschichte der Krypto Branche fortgeschrieben werde. Die Renditenaussichten wurden von vielen Marktteilnehmern einfach extrapoliert. Bestehende und neue Projekte konnten problemlos finanziert werden, selbst institutionelle Investoren hatten die Skepsis gegenüber Kryptos abgelegt. Alles schien sich weiter positiv zu entwickeln. Doch ökonomische Realitäten wie steigende Inflation und ein absehbares Ende der unlimitierten Zentralbanken Liquidität haben anfangs 2022 zu einem Rückgang der Kurse am Krypto Markt geführt. Die geopolitischen Ereignisse und die damit einhergehenden Unsicherheiten haben den Druck auf die Kurse noch weiter verstärkt. Risikobehaftete Anlagen im Allgemeinen wurden auf Grund dieser Tatsachen neu bewertet, mit der Folge, dass Krypto Anlagen entsprechend stark betroffen waren. Der Kursrückgang setzte sich fort, eine Stabilisierung kam nur zögerlich.
Im Mai 2022 hat der Kollaps des Luna Krypto Netzwerks den Markt weiter unter Druck gesetzt. Die bis zu diesem Zeitpunkt nicht gross in Frage gestellten «Stablecoins» waren auf Grund des Zusammenbruchs des UST Coins plötzlich nicht mehr die sichere «Cash» Alternative des Krypto Marktes. Die Liquiditätskrise, welche damit einherging hat zu weiteren Kursrückgängen, insbesondere auch bei den Bluechips, Bitcoin und Ethereum, geführt. . Die Kurse haben sich bis Mitte Jahr mehr als halbiert.
Der Markt hat sich danach auf den tiefen Kursniveaus konsolidiert und mit der Einführung des «Proof of Stake» Validierungsverfahrens beim weitverbreiteten Ethereum Netzwerk auch wieder einen gewissen Optimismus zurückgewonnen.
Doch leider hat ein weiteres Beben den Mark erschüttert: der Zusammenbruch der FTX Börse. Ein Ereignis, welches für die gesamte Krypto Branche einschneidende Konsequenzen hatte. Das Vertrauen unter den Markteilnehmer ist, gelinde gesagt, angekratzt. Ein offensichtliches Versagen von Kontrollen und bewusste Manipulation der Buchhaltung haben den Zusammenbruch herbeigeführt. Der Begriff «Krypto-Winter» ist ein gängiger Ausdruck, welcher in der Vergangenheit für Phasen mit starken Kursrückgängen gebraucht wurde. Der eisige Winterwind bläst derzeit mit voller Wucht und lässt die Branche erstarren. Da stellt sich die Frage, wann ist der Kryptwinter vorbei und was bringt uns der Frühling?
Was ist 2023 zu erwarten
In vielen Diskussionen rund um das Thema Krypto ist zu hören, dass die Technologie eine gute Sache sei und sich diese durchsetzen werde. Hingegen werde die ausufernde Spekulation, welche die Branche erfasst hat, keine Zukunft haben. Diese Aussage ist zu kurz gegriffen. Die Technologie per se ohne konkrete Umsetzungsversuche ist nutzlos. Es braucht Lösungen basierend auf der Blockchain Technologie, welche einen Nutzen schaffen und damit auch eine ökonomische Rendite abwerfen können. Wie bei jeder neuen Technologie ist das ein «Trial-and-Error» Prozess. Die Bewertung der Projekte durch Marktteilnehmer ist davon losgelöst.
In erster Linie erwarten wir im kommenden Jahr eine stärkere Regulierung der Branche. Die Exzesse, welche zu den oben erwähnten Zusammenbrüchen geführt haben, verlangen nach einer Regulierung. Der Krypto Markt als Teil des globalen Finanzgeflechts muss eingebunden werden und gewissen Regeln unterworfen werden. Dies widerspricht zwar der ursprünglichen Idee eines völlig demokratischen Systems, welches sich selbst kontrolliert. Das angekratzte Vertrauen wird durch eine stärkere Regulierung wieder zurückkommen und den Markt stabilisieren. Sowohl in Europa als auch in den USA werden derzeit Massnahmen zur Regulierung des Krypto Marktes vorbereitet und im kommenden Jahr umgesetzt.
Ein weiterer Schritt in die gleiche Richtung ist die Errichtung von Prinzipien für alle Marktteilnehmer. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass nach exzessiven Phasen die Märkte wieder in gelenkte Bahnen geführt werden müssen und Ungleichgewichte korrigiert werden müssen. Die Technologie wird sich weiterentwickeln und neue Lösungen hervorbringen aber die fundamentalen Prinzipien, welche in der Finanzwelt angewendet werden können, dürfen nicht ignoriert werden. Nur so kann Vertrauen aufgebaut werden und damit auch Innovation umgesetzt werden. Auch in diesem Bereich erwarten wir Veränderungen.
Aus Anlegersicht ist es angebracht, für das kommende Jahr moderat zuversichtlich zu sein. Ein weiterer signifikanter Rückgang der Kurse auf breiter Basis ist aus unserer Sicht nicht zu erwarten. Die Kurse der etablierten Namen der Krypto Welt (Bitcoin, Ethereum) werden sich weiter stabilisieren. Ein «Back to Basics» aus Investorensicht ist angesagt. Es gilt die Projekte, Coins und Tokens, welche am Markt gehandelt werden, genau zu analysieren, Chancen und Risiken auf technologischer Ebene genau zu verstehen und das ökonomische Potential vernünftig zu beurteilen. Auf jeden Fall ist es verfrüht, den Krypto Markt abzuschreiben. Die Möglichkeiten, welche diese Art von Digitalisierung anbietet, sind nach wie vor attraktiv.
Martin Hüppi – Portfolio Manager SEBA Bank
Martin Hüppi verfügt über langjährige Erfahrung im Portfolio Management und in der Verwaltung digitaler Vermögenswerte auf diskretionärer Basis. Bevor er zur SEBA Bank stiess, war er als Manager von Fixed Income und Multi-Asset Class Funds bei einer Schweizer Privatbank und einem unabhängigen Asset Manager tätig. Bei der SEBA Bank ist er für die Produktstrukturierung von ETPs, AMCs und strukturierten Produkten sowie für die Verwaltung der diskretionären Mandate verantwortlich. Martin hat einen Master-Abschluss in Economics von der Universität St. Gallen (HSG).