Eine Einleitung meines Beitrags über die Entwicklung am Krypto-Markt vor knapp zwei Wochen hätte vermutlich wie gewohnt wie folgt begonnen: «Risikomärkte stehen in diesem Jahr aufgrund steigender Zinsen, hoher Inflation, steigenden Immobilienpreisen und einem daraus folgenden düsteren konjunkturellen Ausblick mächtig unter Druck. Umso erfreulicher schien die Entwicklung von Kryptowährungen gegenüber zinssensitiven Anlageklassen wie Aktien und Anleihen im dritten Quartal. Während der Nasdaq-Index zwischen Juli und Anfang November etwa 5% Kursverluste verzeichnete, legte Bitcoin um 7% zu. Die Rendite 10-jähriger US Treasuries stieg indes um 100 Basispunkte auf über 4% an. Ist das der Startschuss der seit Langem prognostizierten Entkoppelung des Krypto-Markts von zinsanfälligen Assetklassen?»
Das herausfordernde makroökonomische Umfeld hat sich seither auch nicht massgeblich verändert, spielt jedoch für den Grossteil der Anleger in Kryptowährungen in den vergangenen Tagen, wenn überhaupt noch, eine untergeordnete Rolle.
Der damals 27 Jahre junge Sam Bankman-Fried gründete 2019 zusammen mit einem Freund Gary Wang eine Handelsplattform für Kryptowährungen, welche sich in den folgenden Jahren zu einem der grössten Sterne am Krypto-Himmel entwickeln sollte. Mit nur 30 Jahren hatte Sam die zweitgrösste Kryptobörse der Welt «FTX» auf ein 32 Milliarden schweres Unternehmen aufgebaut. Er selbst stieg damit in kürzester Zeit in die Liga der Milliardäre auf und war mit einem Vermögen von etwa USD 20 Milliarden der 32. reichste US-Amerikaner.
Der Implosion von FTX pulverisierte in den vergangenen zwei Wochen etwa USD 200 Milliarden an Vermögenswerten und ist für viele Marktteilnehmer momentan eine der verheerendsten Abschnitte überhaupt. Zudem ist auch der Ruf der Krypto-Industrie wohlmöglich für die kommenden Jahre folgenschwer ruiniert. Der filmreife Niedergang von FTX und dessen Folgeschäden für die Industrie halten Anleger in Atem.
Wie kam es zum Untergang?
Am 2. November enthüllte ein Reporter der Nachrichtenplattform CoinDesk, dass FTX seiner Tochtergesellschaft und gleichzeitigem proprietären Handelsvehikel («Hedge Fund») Alameda Research Kredite in Milliardenhöhe (USD 10 Mrd.) über die Ausgabe des eigens kreierten FTT-Tokens stellte. Grundsätzlich spricht nichts gegen die Ausgabe von Krediten – in diesem Fall zockte Alameda Research jedoch mit FTX-Kundengeldern, und zwar mit mehr als der Hälfte sämtlicher Kundenvermögen von FTX. Zu dem Zeitpunkt war die auf den Bahamas ansässige und nicht regulierte FTX-Kryptohandelsplattform mit über einer Millionen Nutzern nach Binance, die zweitgrösste Kryptobörse der Welt.
Der brisante Fund löste eine Kettenreaktion an Events aus, die den Kryptomarkt wohlmöglich für immer verändern sollten. In den ersten 72 Stunden zogen verunsicherte FTX-Kunden etwa USD 6 Milliarden von ihren Konten ab und liessen FTX zwischenzeitlich eine wahnwitzige Restbilanz von 1 Bitcoin auf den Büchern. Zum Vergleich, Coinbase und Binance halten jeweils etwa 500.000 Bitcoin in ihrer Bilanz.
Durch den Kapitalabfluss war Sam Bankman-Fried (SBF) gezwungen sich auf die Suche nach potenziellen Käufern für sein Unternehmen zu machen und blockierte gleichzeitig weitere Abhebungen von Kunden. Möglicherweise sollten die Restbestände genutzt werden, um weitere Kreditrahmen für Alameda Research bereitzustellen.
Binance als potenzieller Käufer von FTX
Als Reaktion auf den CoinDesk Bericht teilte Changpeng Zhao (CZ), der Gründer der weltgrössten Kryptobörse «Binance» über Twitter mit, dass sämtliche Binance-Bestände von FTT-Tokens liquidiert würden und beschleunigte damit den Abwärtsdruck auf den FTX-hauseigenen Token. Nachdem CZ und SBF in der Vergangenheit nicht die beste Beziehung zueinander pflegten, wurde CZ schnell unterstellt, er würde den Untergang von FTX durch den Verkauf der FTT-Token beschleunigen, um schliesslich das gebeutelte Unternehmen zu einem «Spottpreis» aufkaufen zu können.
In der Zwischenzeit unterzeichneten Binance und FTX einen nicht-bindenden LOI («Letter of Intent), der eine Übernahmeabsicht von FTX durch Binance beinhaltete. Nach einer sorgfältigen «Due-Diligence-Prüfung» seitens Binance wurde das Angebot jedoch wieder zurückgezogen. In der Zwischenzeit verlor der FTT-Token mehr als 80%, Bitcoin zeitweise über 25% an Wert.
FTX stellt Insolvenzantrag
Am vergangenen Freitag stellte das einst USD 32 Milliarden schwere Unternehmen FTX schliesslich einen Insolvenzantrag, welcher den hochverschuldeten Hedge Fund Alameda Research ebenfalls umfasste.
Der Insolvenzantrag besiegelt damit den Niedergang des einst beliebtesten Krypto-Unternehmens der Welt. Die daraus entstehenden Folgeschäden für weitere Marktteilnehmer, welche Handelsbeziehungen mit FTX pflegten, sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gänzlich zu fassen. Auch deshalb werden jetzt schon Parallelen zum Fall der US-Investmentbank «Lehman Brothers» im September 2008 gezogen, welcher Auslöser der darauffolgenden Finanzkrise war.
Kollateralschäden eindämmen und auf die Vernunft der Anleger hoffen
Wie es scheint, wird die erhoffte Entkoppelung von Kryptowährungen zu anderen risikobehafteten Anlageklassen noch etwas auf sich warten lassen. An erster Stelle steht die Eindämmung von Kollateralschäden, gefolgt von der Zurückgewinnung des Anlegervertrauens. Das Fiasko zeigt deutlich auf, wie wichtig es für Anleger ist, einen vertrauensvollen und regulierten Partner an seiner Seite zu haben, deren Handelspartner mittels einer umfassenden «Due Diligence» Prüfung auf Herz und Nieren überprüft werden. Zudem sollten Anleger sichergehen, dass die Bank oder Börse ihrer Wahl keinen Zugriff auf Kundenvermögen hat und diese mit höchstmöglicher Sicherheit aufbewahrt. Glücklicherweise vertritt mein Arbeitgeber genau diese Prinzipien.
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