Die Verpflichtung der britischen Regierung, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, ist eine gewaltige, aber machbare Aufgabe. Sie ist realisierbar, wenn die Regierung einen kohärenten Plan vorlegt und umsetzt, der Investoren die nötige Investitionssicherheit bietet.
Bisher hat die Umstellung des britischen Stromsystems auf erneuerbare Energien entscheidend zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beigetragen. Die CO2-Emissionen aus dem Stromnetz sind zwischen 2010 und 2020 um mehr als die Hälfte zurückgegangen, da die Kohle aus dem System genommen und durch erneuerbare Energien ersetzt wurde.
In anderen Sektoren (mit Ausnahme der Abfallwirtschaft) wurden nur sehr langsam Fortschritte erzielt.
Allein die enorme Dimension des Netto-Null-Ziels erfordert eine Ausweitung der Anstrengungen, einschliesslich der Elektrifizierung eines Grossteils des Verkehrs und der Wärmeversorgung.
Das Ziel ist zudem 0 % und nicht 20 % der historischen Emissionen. Dies ebnet den Weg für Wasserstoff in Sektoren, die schwer zu elektrifizieren sind.
Wasserstoff ist ein flexibler Energieträger, der Elektrizität, Kraftstoffe für den Land- & Luftverkehr, Wärme, langfristige Energiespeicherung und chemische Grundstoffe für industrielle Prozesse liefern kann. Er kann gasförmig oder flüssig gespeichert und für die Langzeitspeicherung in Ammoniak oder Methanol umgewandelt werden. Diese Flexibilität hat dem Wasserstoff den Beinamen „Schweizer Taschenmesser“ der Energiewende eingebracht.
Die britische Regierung ist sich der potenziellen Bedeutung von Wasserstoff bewusst und hat im August 2021 ihre Wasserstoffstrategie für das Vereinigte Königreich veröffentlicht. Im März 2023 wählte sie 20 Projekte in England, Schottland und Wales (mit einer Gesamtkapazität von 250 MW) für die Förderung im Rahmen des Programms für elektrolytischen Wasserstoff aus.
Trotz seiner Flexibilität ist Wasserstoff kein Allheilmittel. Im Folgenden wird untersucht, welche Rolle Wasserstoff realistischerweise spielen kann und wo wir eher skeptisch sind.
Die Rolle von Wasserstoff auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen in Grossbritannien
Viele der Anwendungen von Wasserstoff werden bereits durch andere Kraftstoffe oder Technologien abgedeckt.
Sauberer Wasserstoff wird sich aus wirtschaftlichen Gründen in Nischen durchsetzen müssen, in denen es schwierig sein wird, fossile Brennstoffe zu ersetzen. In vielen Fällen wird die Elektrifizierung mit einem zunehmend kohlenstoffarmen Stromnetz wirtschaftlich effizienter sein als Wasserstoff, z. B. im Personenverkehr und bei der Beheizung von Wohnungen.
Konventioneller Wasserstoff wird in der Regel durch die Reaktion von Wasserdampf (H2O) mit Methan (CH4) hergestellt, wobei erhebliche CO2-Emissionen entstehen. Dieser „braune“ Wasserstoff wird dann aufgefangen.
Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser mit elektrischer Energie aus einer sauberen Quelle erzeugt. Bei blauem Wasserstoff wird versucht, das bei der Herstellung von braunem Wasserstoff freigesetzte CO2 abzutrennen und zu speichern.
Der naheliegendste Fall ist der Einsatz von blauem oder grünem Wasserstoff dort, wo Wasserstoff bereits heute verwendet wird, z. B. in der petrochemischen Industrie.
In Zukunft wird er unter anderem in der Luft- und Schifffahrt eingesetzt werden, wo seine Energiedichte (oder die seiner verwandten Chemikalien Ammoniak oder Methanol) einen plausiblen Ersatz für fossile Brennstoffe darstellt. Diese Sektoren sind für etwa 4,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, und um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, muss eine saubere Alternative mit hoher Energiedichte zu fossilen Brennstoffen gefunden werden.
Die wahrscheinlichste Anwendung ist die Verwendung von sauberem Ammoniak oder Methanol – hergestellt aus sauberem Wasserstoff – als Treibstoff für die Schifffahrt. Sie sind relativ leicht zu lagern und werden bereits als Massengut auf dem Seeweg transportiert, im Gegensatz zu Wasserstoff, bei dem es bekanntermassen zu Leckagen durch Blei hindurch kommt.
Andere Industriezweige mit einem hohen Kohlenstoff-Fussabdruck, wie die Stahl- und Zementindustrie, können ebenfalls mit Wasserstoff dekarbonisiert werden. Hier wird Wasserstoff wegen seiner reduzierenden Wirkung in chemischen Reaktionen und auch wegen seines Energiewertes eingesetzt. Die Stahl- und Zementindustrie sind zusammen für etwa 16 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, und eine moderne Wirtschaft ohne diese Grundstoffe ist kaum vorstellbar. Während eine gewisse Elektrifizierung möglich ist (beispielsweise durch Lichtbogenöfen), wird Wasserstoff voraussichtlich eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung dieser Sektoren spielen. Ferner sei erwähnt, dass diese Sektoren aufgrund ihrer Grösse und der Investitionen in hochqualifizierte technische Arbeitsplätze, die sie benötigen, wichtige „Ankerpunkte“ für jede Industriestrategie sind.
An der Börse sind Ammoniak für Düngemittel und andere industrielle Anwendungen (Materialhandhabung, Chemie, Stahl), aber auch Kraftstoffe für die Schifffahrt und die Luftfahrt diejenigen Bereiche, die unserer Meinung nach am meisten an Dynamik gewinnen werden.
Wo wir unsere Zweifel haben
Andererseits gibt es potenzielle Anwendungen, bei denen wir uns fragen, wie effizient Wasserstoff wirklich sein wird.
Wohnraumbeheizung
Die Wasserstoffstrategie der britischen Regierung gibt denjenigen Hoffnung, die den Einsatz von Wasserstoff in diesem Bereich befürworten. Wir sind jedoch nach wie vor nicht davon überzeugt, dass die Produktion von sauberem Wasserstoff und der Ausbau des Übertragungsnetzes für seine Verteilung kosteneffizient sein werden. Wir halten derzeit nicht aktiv nach Investitionen in diesem Bereich Ausschau.
Die Elektrifizierung durch Wärmepumpen ist wahrscheinlich eine effizientere und kostengünstigere Lösung. Allerdings muss dafür die thermische Effizienz des Gebäudebestands erheblich verbessert werden.
Autos und andere Strassenfahrzeuge
Unserer Meinung nach ist das Rennen bereits gelaufen, und die Elektrofahrzeuge für den privaten Gebrauch sind die klaren Gewinner. Die Haushalte verfügen bereits über Stromanschlüsse, um die Lithium-Ionen-Batterien aufzuladen. Es gibt zwar Herausforderungen, um zu gewährleisten, dass eine ausreichende Menge an Elektronen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung steht, aber diese Herausforderungen sind leichter zu bewältigen als die Versorgung mit Wasserstoff. Ausserdem ist es schlicht ineffizient, grünen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu verwenden, den Wasserstoff zu transportieren und ihn dann zum Antrieb eines Fahrzeugs zu verwenden. Anstatt grüner Moleküle macht es also durchaus Sinn, grüne Elektronen direkt in die Fahrzeugbatterien fliessen zu lassen.
Es gibt eine Reihe weiterer potenzieller Anwendungen, die in Betracht gezogen werden können. Eine nützliche Übersicht bietet die „Wasserstoffleiter“ von Liebreich Associates, die die konkurrierenden Technologien in jedem Bereich aufzeigt (siehe unten).
Die orangefarbenen Kästchen zeigen das Potenzial für die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze, z. B. um sauberer als mit Erdgas zu heizen. Die Schlussfolgerung ist, dass es keinen Sinn macht, die Kosten und Risiken der Produktion von sauberem Wasserstoff in Kauf zu nehmen, um ihn für Dinge zu verwenden, die einfacher mit sauberem Strom erreicht werden können.
Der Einsatz von Wasserstoff sollte sich vielmehr auf diejenigen Bereiche konzentrieren, in denen sauberer Wasserstoff die einzige Option ist.
Wie geht es weiter?
Es gibt einige Bereiche, in denen grüner Wasserstoff eindeutig eine Rolle spielen wird. Die Anwendungsfälle werden sich erst in den nächsten zehn Jahren herauskristallisieren, während sich die Politik und die relative Wirtschaftlichkeit der verschiedenen technologischen Lösungen weiterentwickeln. Sicher ist, dass es mittel- bis langfristig erhebliche Investitionen in wasserstoffbezogene Anlagen geben wird, die für das Erreichen der britischen Netto-Null-Ziele von entscheidender Bedeutung sind. Dies wird über die Wasserstoffproduktion hinausgehen und Investitionsmöglichkeiten in die Speicherung und Ammoniak-/Methanolproduktion einschliessen.
In naher Zukunft wird es wahrscheinlich interessante mittelgrosse Projekte geben, die die Regierung unterstützen wird, um sich ein fundiertes Urteil über die Leistungsfähigkeit der Technologie bilden zu können.
Diese Vorzeige-Investitionen, die häufig durch staatliche Zuschüsse gefördert werden, dürften attraktive Investitionsmöglichkeiten in Höhe von mehreren hundert Millionen Pfund bieten. Sie werden jedoch vorerst nicht die Grössenordnung von Solar- und Windkraftanlagen erreichen, deren Investitionsvolumen sich auf mehrere hundert Milliarden Pfund beläuft.
Diese Entwicklung wird durch einen Wettlauf zwischen den Regierungen der europäischen Länder verstärkt. Wir gehen davon aus, dass sie um die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen, die in diesen Technologien führend sind, konkurrieren werden, um nicht den Anschluss zu verlieren und in Zukunft anderswo produzierte Technologien zukaufen zu müssen. Bei Wind- und Solarenergie tun dies die meisten Regierungen bereits.
Dies wird ein zentrales Element des Narrativs eines „gerechten Übergangs“ oder „grüner Arbeitsplätze“ sein, insbesondere im Zusammenhang mit der innenpolitischen „Levelling up“-Agenda der britischen Regierung, die darauf abzielt, benachteiligte Regionen auf ein höheres Entwicklungsniveau zu heben.
Schroders Greencoat ist bestrebt, bei der Entwicklung von Investitionsmöglichkeiten in sauberen Wasserstoff in Grossbritannien an vorderster Front zu stehen. Wir gehen davon aus, dass wir in Kürze mit Investitionen im Rahmen des Hydrogen Business Model (HBM)/Net Zero Hydrogen Fund-Prozesses der britischen Regierung beginnen werden.
Wir prüfen derzeit eine Reihe von Projekten, die durch die staatlichen Programme gefördert werden. Im Erfolgsfall würden wir Verträge erhalten, die eine Absicherung der Betriebskosten und inflationsgebundene Einnahmen durch die britische Regierung vorsehen. Ähnliche Projekte werden in ganz Europa durchgeführt, und aufgrund unserer Grösse und unseres Beziehungsnetzwerks gehen wir davon aus, dass wir uns daran beteiligen können.
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