Für 4,6 Milliarden Franken haben gleich zehn Schweizer Unternehmen im ersten Quartal 2024 eigene Aktien zurückgekauft. Allein der Lebensmittelkonzern Nestlé investierte knapp 1,9 Milliarden Franken, das Pharmaunternehmen Novartis schlug mit 1,5 Milliarden Franken zu. Aktienrückkauf, auf Englisch „Share Buyback“ oder kurz „Buyback“, ist ein neuer Trend, sagen Experten, der in ganz Europa auszumachen ist. Insgesamt könnten in den kommenden Jahren von den im Stoxx Europe 600 gelisteten Unternehmen über 160 Milliarden Euro in Aktienrückkaufprogramme fliessen. Im Nachbarland Deutschland dürften Berechnungen nach im Jahr 2024 rund 16 Milliarden Euro von den DAX-Unternehmen in Aktienrückkaufprogramme investiert werden. Möglich ist all das, weil viele europäische Unternehmen auf sehr hohen Cash-Reserven sitzen. Diese wurden vor allem während der Corona-Pandemie gebildet, und warten nun auf ihre Ausgabe.
Das Für und Wider von Aktienrückkäufen
Dabei sind Aktienrückkäufe nicht unumstritten. Einerseits gelten sie als Kurstreiber. Denn je weniger Aktien ein Unternehmen ausstehen hat, desto grösser fällt der Gewinn je Papier aus. Und auch die Dividende je Aktie steigt. Das gleicht, so sagen Beobachter, einem Kuchen, der neu aufgeschnitten wird. Die Kuchenstücke werden grösser, wenn weniger Teile geschnitten werden.
Andererseits, so wenden Kritiker ein, stellt sich die Frage, ob die Unternehmen mit ihrem Geld nichts Besseres anfangen können, als eigene Aktien zurückzukaufen. Wären Investitionen in die Forschung und Entwicklung nicht sinnvoller, oder gar ein Zukauf konkurrierender Unternehmen, also Übernahmen? Ja, das ist denkbar. Aktienrückkäufe machen nur dann Sinn, wenn sie Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie sind.
Zudem, die Aktien, die zurückgekauft werden, müssen de facto auch vernichtet werden, nur so tragen sie zur Wertsteigerung der verbleibenden Aktien bei. Werden die zurückgekauften Aktien hingegen an die Mitarbeiter des Unternehmens ausgegeben, was auch sehr beliebt ist, handelt es sich nur um eine Verschiebung des Kapitals, das eigentlich den Aktionären gehört.
Beachtenswerte Zahlen
Aktienrückkäufe haben eine lange Tradition, vor allem im angelsächsischen Raum, in dem der Gedanke des Shareholder Value schon länger praktiziert wird. Laut Goldman Sachs könnten amerikanische Unternehmen im laufenden Jahr für rund 925 Milliarden Dollar eigene Aktien zurückkaufen. Das ist ähnlich viel wie vor zwei Jahren, 2022 gaben die Unternehmen rund 950 Milliarden Dollar für Rückkäufe aus.
Dagegen fallen die Buybacks der Schweizer Unternehmen noch relativ gering aus, dennoch sind sie beachtenswert. Neben Nestlé und Novartis gehörten am Schweizer Markt auch ABB, Geberit, Holcim, Logitech, Lonza, Mobilezone, Sonova und Swiss Life im ersten Quartal zu den Rückkäufern. Dabei ist es nicht allein die Höhe die Rückkäufe, die über die Bedeutung der Buybacks für die Aktienstruktur eines Unternehmens Auskunft geben. Letztendlich muss die Höhe ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung, zum Free Float, gesetzt werden. Je höher das Verhältnis, desto grösser die mögliche Aufwertung der verbleibenden Aktien. Mit einer Aktienrückkaufquote von etwa 1,2 Prozent rangiert Lonza dabei noch vor Nestlé und Novartis. Lonza hat im ersten Quartal zwar nur für rund 400 Millionen Franken eigene Aktien zurückgekauft, weist aber auch nur einen Free Float von 34,6 Milliarden Franken auf.
In Deutschland gehört unter anderen Mercedes-Benz zu den grossen Rückkäufern. Der Autokonzern hat für den Zeitraum 2023 bis 2025 zwei Rückkaufprogramme in Höhe von zusammen sieben Milliarden Euro bekanntgegeben.
Für 2024 könnten rund drei Milliarden Euro für eigene Aktien ausgegeben werden, was einer Aktienrückkaufquote von fast sechs Prozent entsprechen würde. Die Schätzungen variieren, da die Unternehmen zwar ihre Aktienrückkaufprogramme von den Aktionären absegnen lassen müssen, dann aber relativ frei sind, zu welchem Zeitpunkt sie das Geld auch tatsächlich ausgeben und an der Börse aktiv werden.
Auf das Umfeld achten
Bleibt die Frage, wie gross der Effekt eines Aktienrückkaufs auf den Kurs einer Aktie am Ende ist? Kritiker verweisen darauf, dass Aktienrückkaufprogramme oft durchgeführt werden, wenn der Aktienkurs zuvor schon gut gelaufen ist. Untersuchungen aus der Vergangenheit zeigen, dass dies nicht selten passiert. Unter dem Strich bedeutet das aber nichts anderes, als dass die Aktien schlichtweg zu teuer zurückgekauft werden und der Aktienpreis damit quasi künstlich in die Höhe getrieben wird. Endet dann das Rückkaufprogramm, ist die Gefahr einer grösseren Korrektur sehr hoch. Optimisten sehen aber dennoch eine Chance für Anleger in Aktienrückkaufprogrammen. Vor allem dann, wenn das Rückkaufprogramm in Zeiten passiert, in denen das Unternehmen gute Wachstumszahlen vorlegt. Dann treffen weniger Aktien auf steigende Konzernumsätze und -gewinne, ein Erfolgsmix an der Börse.
Aktienrückkaufproramme sind also per se weder schlecht noch gut. Letztendlich müssen sie Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie sein und sich ins Gesamtgefüge einpassen, wozu auch das wirtschaftliche Umfeld zählt. Stimmen die Faktoren, können Anleger aber durchaus von Rückkaufprogrammen in Form von steigenden Aktienkursen profitieren.