Die entsprechenden Beschränkungen seien aufgehoben worden, sagten drei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Regierung in Kiew wolle den ersten derartigen Angriff in den kommenden Tagen ausführen. Einzelheiten wurden nicht genannt. Stellungnahmen der genannten Staaten lagen am Sonntagabend zunächst nicht vor. Die Entscheidung dürfte in Deutschland die Debatte über eine Lieferung von Taurus-Raketen neu anfachen.

Den Insidern zufolge dürften die ersten Angriffe mit ATACMS-Raketen ausgeführt werden. Diese haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern. Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, die Raketen dürften zunächst gegen russische und nordkoreanische Soldaten in der Oblast Kursk eingesetzt werden. Demnach traf die US-Regierung die Entscheidung als Reaktion auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seit Monaten eine Freigabe für Angriffe tiefer im russischen Landesinneren. Die Regierung in Moskau hat erklärt, ein derartiger Schritt wäre eine Eskalation.

Die Entscheidung der USA könnte in Deutschland kurz vor den erwarteten Neuwahlen die Debatte über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine neu befeuern. Kanzler Olaf Scholz lehnt dies entschieden ab. Er hat erklärt, angesichts der Reichweite von 500 Kilometern müsse Deutschland die Kontrolle über die Zielführung behalten. «Wenn wir das täten, wären wir beteiligt an dem Krieg», sagte er etwa Ende April. Andere deutsche Spitzenpolitiker fordern jedoch ein Umschwenken.

Der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat Zustimmung für eine Lieferung der Waffen signalisiert. Kurz vor dem Bekanntwerden der US-Entscheidung am Sonntag sagte auch der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, er würde als Regierungschef die Raketen an die Ukraine liefern. In einer Umfrage Ende April lehnte eine Mehrheit der Deutschen die Lieferung dagegen ab.

Bidens Entscheidung kommt etwa zwei Monate bevor sein designierter Nachfolger Donald Trump die Macht im Weissen Haus übernimmt. Es war zunächst unklar, ob dieser die Regelung fortführen würde. Auch prominente Mitglieder seiner republikanischen Partei haben gefordert, die Vorgaben für die Ukraine zu lockern.

Umstritten ist in den USA, wie gross die Auswirkungen auf den Kriegsverlauf sein dürften. Die Ukraine hat zuletzt Geländeverluste hinnehmen müssen. Möglicherweise könnte die neue US-Regelung die Verhandlungsposition der Regierung in Kiew bei etwaigen Gesprächen über eine Waffenruhe stärken. Trump hat angekündigt, den Krieg schnell beenden zu wollen. Bislang hat er nicht mitgeteilt, wie er dies erreichen will.

(Reuters)