Wenige Wochen nach dem «Quantenbeben» im Februar, bei dem die kleinstkapitalisierten chinesischen Aktien regelrecht untergingen, warnte Li Bei, ein bekannter Fondsmanager aus dem Reich der Mitte, dass Kleinstaktien «Brandherde» seien und sie unbedingt vermieden werden sollten. 

Neun Monate später werden diese Aktien auf einem neuen Rekordhoch gehandelt, wie aus einem Korb der kleinsten 400 A-Aktien der Wind Information hervorgeht. Die verblüffende Kehrtwende zeigt, dass Chinas Einzelhändler und professionelle Spekulanten wieder voll und ganz auf die riskanteste Ecke des Marktes setzen und dabei die oft fragwürdigen Fundamentaldaten ausser Acht lassen. 

Small-Cap-Aktien - damals von Li als «teuren Trash» bezeichnet - waren in den letzten zwei Monaten die grössten Gewinner an den chinesischen Börsen. Der CSI 2000 Index stieg seit dem 24. September um über 40 Prozent und übertraf damit den Anstieg des CSI 300 Index um 23 Prozent. Eine Bloomberg-Faktoranalyse zeigt, dass Aktien mit hoher Volatilität und Handelsaktivitäten in letzter Zeit besser abgeschnitten haben, während diejenigen mit besseren Gewinnrevisionen und Dividendenausschüttungen zurückblieben. 

Ein Hauptgrund für den jüngsten Aufschwung der Small Caps sind Spekulationen einzelner Händler. Ein Beispiel dafür ist Shijiazhuang Changshan BeiMing Technology. Dabei handelt es sich um einen relativ unbekannten Textilhersteller, der sich gerade auf Softwaredienstleistungen umstellt. Am 5. November wechselten Aktien im Wert von rund 20 Milliarden Yuan (2,8 Milliarden Dollar) den Besitzer. Das Unternehmen wird mit weniger als 50 Milliarden Yuan (7 Milliarden Dollar) bewertet. 

Das Handelsvolumen war mehr als doppelt so hoch wie der von Kweichow Moutai, einem 2-Billionen-Yuan-Giganten (276 Milliarden Dollar). Auf Changshan BeiMing allein entfielen an diesem Tag fast 1 Prozent des gesamten Handels an den Festlandsbörsen. 

Fernab von rationellen Investmentthesen

Das obskure Unternehmen hat viel Gesellschaft. Die Börsen von Shanghai und Shenzhen veröffentlichen am Ende jeder Börsensitzung eine Liste der meistgehandelten und volatilsten Aktien. Das gesamte Handelsvolumen dieser bei Einzelhändlern und Spekulanten beliebten Aktien ist nach Angaben der Strategen von Minsheng Securities auf ein Rekordhoch gestiegen. 

Die Kaufargumente für viele dieser Aktien sind wackelig. Vielleicht sind es einfach ihre Namen, die wie ein Zitat von Präsident Xi Jinping oder «Trump Wins Big» klingen. Oder, wie im Fall von Changshan BeiMing, die Spekulationen über die Zusammenarbeit des Unternehmens mit dem Tech-Champion Huawei und die Pläne, ein defizitäres Textilgeschäft auszulagern. 

Wie die Geschichte zeigt, können auf einen Höhenflug dieser Aktien auch grössere Korrekturen folgen. Changshan BeiMing ist von seinem Höchststand im Oktober bereits um 19 Prozent gefallen, nachdem es in zwei Monaten um 400 Porzent gestiegen war. Auch die Regulierungsbehörden scheinen hart durchzugreifen: Douyin, die chinesische Version von TikTok, hat in den letzten Wochen eine ganze Reihe von Aktien-Influencern verboten. 

Es ist zwar schwer, einen Absturz zeitlich einzugrenzen, aber laut den Strategen von Minsheng dauerten vier vergangene Phasen intensiver Spekulationen ein bis drei Monate. Der Rückschlag bei Small Caps kann schnell und heftig sein: Der CSI 2000 stürzte zwischen Januar und Februar in nur 26 Sitzungen um 33 Prozent ab, als sich die quantitativen Fonds auf den Ausstieg stürzten. Zwischen März und April fiel der Wert aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Regulierung um 17 Prozent. 

Die schnellen Erholungen bei «billigen» Small Caps zeigen, dass Kleinanleger nach wie vor eine dominierende Kraft auf dem Festlandmarkt sind. Aber: Sie kehren immer wieder zurück, unbeeindruckt von den wackeligen Fundamentaldaten der Unternehmen, den Vorschriften und der vorsichtigen Haltung der institutionellen Anleger. 

(Bloomberg)