Nach dem Zerwürfnis vor den Augen der Welt beharren sowohl US-Präsident Donald Trump als auch sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj auf ihren Positionen. Der beispiellose Eklat beim Zusammentreffen der beiden im Weissen Haus könnte dramatische Folgen für das von Russland angegriffene Land haben und die Aussicht auf einen baldigen Frieden trüben.
Selenskyj stellte in einem TV-Interview nach dem Vorfall im Oval Office klar, dass er sich nicht bei Trump entschuldigen wolle und pochte weiter auf Sicherheitsgarantien für ein mögliches Friedensabkommen mit Russland, die der Republikaner ablehnt. Trump hingegen machte deutlich, dass er die Gespräche mit Selenskyj nicht sofort wieder aufnehmen will.
Kremlchef Wladimir Putin hingegen dürfte der offene Streit zwischen den USA und der Ukraine eine Genugtuung sein. Er führt seit mehr als drei Jahren einen Krieg gegen das Nachbarland und hat knapp ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes unter seine Kontrolle gebracht.
Kiew hingegen ist auf die Unterstützung des Westens - und vor allem der USA - angewiesen, um den Angriff abzuwehren. Ein vor allem von Trump vorangetriebenes Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine dürfte nach der aufgeheizten Konfrontation zwischen Selenskyj und Trump nicht wahrscheinlicher geworden sein.
Meloni warnt vor Spaltung des Westens
Wie gross die Sorge in Europa nach dem verpatzten Treffen in Washington ist, zeigt ein Vorstoss der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie schlug einen sofortigen Gipfel zwischen Europa und den USA vor. «Jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer und begünstigt die, die den Untergang unserer Zivilisation herbeiführen wollen», mahnte Meloni.
Unklar blieb, ob nach ihren Vorstellungen das von Russland angegriffene Land an einem solchen Treffen teilnehmen soll. Die rechtsgerichtete Ministerpräsidentin gilt im Kreis der europäischen Regierungschefs als eine der wichtigsten Ansprechpartnerinnen der neuen US-Regierung.
Trump erwartet Friedensbotschaft von Selenskyj
Der US-Präsident stellte sich einige Stunden nach dem Eklat im Oval Office vor die Kameras. «Das war kein Mann, der Frieden schliessen wollte, und ich bin nur interessiert, wenn er das Blutvergiessen beenden will», sagte Trump kurz vor dem Abflug in den US-Bundesstaat Florida. Dort will er in seinem Anwesen Mar-a-Lago das Wochenende verbringen. «Ich will jetzt einen Waffenstillstand.» Selenskyj habe «die Karten nicht in der Hand». Er solle nicht über Putin und all die «negativen Sachen» sprechen. «Er muss sagen: Ich will Frieden.»
Diesen Gefallen tat Selenskyj dem US-Präsidenten aber nicht - im Gegenteil. In einem Fox-News-Interview dankte er dem amerikanischen Volk, Trump und dem Kongress zwar für die Unterstützung - eine Entschuldigung an Trump lehnte er jedoch ab. Stattdessen betonte er, man müsse «sehr offen und sehr ehrlich» miteinander sein.
Selenskyj versuchte ausserdem, seine Position zu erklären: Ein Rohstoff-Deal zwischen den USA und der Ukraine reiche allein nicht aus, um Friedensverhandlungen mit Russland aufzunehmen. Trump hatte US-Hilfen an den Zugang zu ukrainischen Rohstoffen geknüpft - doch nach dem Zerwürfnis kam es nicht zu einer Vereinbarung.
Selenskyj pocht auf alte Bündnisse
Der ukrainische Präsident appellierte eindringlich: Die USA und Europa seien die «besten Freunde» der Ukraine, Putin und Russland der Feind. Diese Realität müsse anerkannt werden. Genau diese direkte Haltung hatte im Oval Office für Unmut gesorgt - besonders, als er Trump direkt konfrontierte: «Ich spreche mit meinen Freunden in Polen und sie sind besorgt, dass Sie sich zu sehr auf die Seite von Putin schlagen. Was sagen Sie denen?»
Die Konfrontation habe keiner Seite genützt, räumte Selenskyj später ein. Es gehe aber nicht um ihn persönlich, sondern um die Frage: «Wo bleibt die Freundschaft zwischen der Ukraine und den USA?», wenn führende US-Politiker behaupteten, die Ukraine stehe vor der Niederlage, ihre Soldaten seien keine Helden - und ihr Präsident ein Diktator.
Auch in der Ukraine wurde Trump kritisiert. «Trump hat sich dafür entschieden, lieber mit einem mörderischen Tyrannen gemeinsame Sache zu machen als mit einem demokratisch gewählten Staatsführer», kommentierte das Nachrichtenportal «Kyiv Independent».
Verbündete stellen sich hinter Selenskyj
Breite Unterstützung erhielt Selenskyj nach dem Eklat von seinen Verbündeten in Europa. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte, dass sich die Ukraine auf Deutschland und Europa verlassen könne. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz erklärte, der Ukraine in guten wie in schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen. «Wir dürfen in diesem schrecklichen Krieg niemals Angreifer und Opfer verwechseln.» Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas teilte mit: «Heute ist klar geworden, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht. Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.»
(AWP)