In einem besonders augenfälligen Fall wurden laut einem CNN-Bericht rund 300 Mitarbeiter der US-Atomsicherheitsbehörde NNSA Donnerstagnacht (Ortszeit) gefeuert. Am Freitag sei allerdings schon begonnen worden, die Entlassungen rückgängig zu machen. Unter Berufung auf anonyme Quellen hiess es weiter, die für die Freistellungen Verantwortlichen hätten wohl nicht gewusst, welche Aufgaben die gefeuerten Mitarbeiter genau hatten.
Die NNSA gehört zum Energieministerium und überwacht den Bestand Tausender Atomwaffen. Sie ist für die Wartung und für die Sicherheit der Sprengköpfe zuständig und beaufsichtigt auch den Bau neuer Nuklearwaffen. Nach einem Bericht des öffentlichen Rundfunks NPR ist die NNSA auch damit befasst, Terroristen und Schurkenstaaten daran zu hindern, sich waffenfähiges Plutonium oder Uran zu beschaffen.
«Niemand weiss, ob er gefeuert ist»
Das Team von Tesla-Gründer Musk mit der Bezeichnung Doge (Department of Government Efficiency) durchforstet gerade eine US-Behörde nach der anderen. Präsident Trump hatte Musk damit beauftragt, die Regierungsausgaben auf den Prüfstand zu stellen und zu kürzen. Beide behaupten ohne Beweise, dass dabei neben milliardenschwerer Geldverschwendung auch Betrug offengelegt worden sei.
Selbst vor dem Militär machen Trump und Musk nicht halt. Die Opposition schäumt. «Mr. Musk, dies ist kein Tech-Startup», sagt der demokratische Senator Chuck Schumer. Musk habe keinerlei Berechtigung, Staatsdiener zu feuern. Doch die Opposition erscheint bisher eher machtlos.
Musks Leute, laut Trumps Beschreibung «Genies in Unterhemden», gehen rigoros vor: Die Kündigungen kommen ohne Fristen, allein am Freitagnachmittag wurden laut «Washington Post» in der Umweltbehörde EPA 388 Menschen gefeuert. Eine Alleinerziehende erzählte, wie ihre Kündigung abends um 22.30 Uhr per E-Mail herein flatterte. Eine Frau aus dem Wohnungsbauministerium erzählte, wie sie am Freitag zur Toilette ging - als sie zum Schreibtisch zurückkam, waren ihre Zugänge gelöscht.
Verheerende Folgen
Musks Vorgehen führte unter anderem zu einer Schliessung grosser Bereiche der Entwicklungshilfe-Behörde USAID - mit schon jetzt verheerenden Auswirkungen für notleidende Menschen in Entwicklungsländern. Von der Hungerhilfe in Afrika bis zum Wiederaufbau der Ukraine fehlt durch den De-facto-Wegfall des grössten Geberlandes in der internationalen Gemeinschaft plötzlich Geld, Personal und Know-how. Auch die katholische Bischofskonferenz der USA musste 50 Stellen streichen, weil staatliche Subventionen ausbleiben, wie die «New York Times» berichtet.
Erst vor wenigen Tagen hatte es eine Direktive aus dem Weissen Haus gegeben, wonach alle Bediensteten mit Zeitverträgen und in Probezeit entlassen werden sollen. Das könnte bis zu 200.000 Menschen betreffen, wie viele davon tatsächlich bereits gefeuert sind, ist derzeit nicht klar.
Goldener Handschlag für 75.000
Einer Berechnung der «Washington Post» zufolge könnten allein dieser Massnahme bereits 14.000 Bedienstete zum Opfer gefallen sein. Gesichert ist lediglich - nach Angaben des Weissen Hauses - die Zahl von insgesamt 75.000 Staatsdienern, die im Zuge eines Buy-Out-Programmes freiwillig ihre Jobs aufgeben und dafür eine Abfindung mitnehmen.
Die Berichte lassen auch einen Blick auf das augenscheinliche Chaos zu, das in den US-Behörden gegenwärtig herrscht. Angekündigte Kündigungsschreiben kamen NPR zufolge nur bei manchen an. «Niemand weiss, ob er gefeuert ist oder nicht», zitierte der Sender einen anonymen NNSA-Mitarbeiter. Am Freitag seien die Entlassungen unter anderem wegen des entstandenen Chaos ausgesetzt worden.
Vom Ministerium bis zum Ranger
Das Spektrum der Entlassungen umfasst spektakuläre und weniger spektakuläre Fälle. Nach Angaben der «Washington Post» wurden etwa Hunderte Menschen einer Behörde des Energieministeriums entlassen, die Stromrechnungen bearbeiten. Im Finanzministerium sollen 9.000 Menschen gehen, die Steuern kassieren. Und im Gebirgsbundesstaat Wyoming sei ein Mann gefeuert worden, der seit Jahren darauf schaut, dass Wanderer und Bergsteiger nicht ohne geeignete Ausrüstung in die Wildnis aufbrechen.
Warum Trump das alles macht? Aus dem Weissen Haus kommen auf diese Frage Allgemeinplätze. «Der Präsident hat klargemacht, dass er das Versprechen, unsere Regierung für das amerikanische Volk effizienter und produktiver zu machen, einlösen will», sagte Sprecherin Karoline Leavitt.
Trump war einst mit dem Credo «Jobs, Jobs, Jobs» angetreten, allerdings auch mit dem Versprechen, die öffentliche Verwaltung zu verkleinern. Kritiker bezweifeln allerdings, dass sich das Ganze finanziell lohnt. Eine Einsparung des Personals um ein Viertel würde die gesamten öffentlichen Ausgaben nur um ein Prozent senken, errechnete die «Washington Post».
Klagewelle rollt
Ob die Massnahmen vor Gerichten standhalten ist unklar. Arbeitsrecht, Bürgerrechte, Verwaltungsrecht, Datenschutz - das alles könnte berührt sein. In mindestens zwölf Fällen haben Richter Trump teilweise und vorübergehend einen Riegel vorgeschoben. Abschliessende Entscheidungen stehen aus, einige der jetzt schon Dutzenden Verfahren werden nach Einschätzung von Rechtsexperten vor dem Supreme Court, dem höchsten US-Gericht, landen. Und das hat Trump schon in seiner ersten Amtszeit - auch dank für ihn glücklicher Fügungen - mit Richtern besetzen können, auf deren Urteil er glaubt, sich verlassen zu können. Zumindest mit einem Teil seiner Vorhaben - so offenbar das Kalkül - wird er durchkommen./dm/nk/DP/he
(AWP)