Dieser Artikel ist Teil des am 1. Dezember 2017 erschienenen Anlegermagazins «VALUE» von cash. Sie können das Magazin als E-Paper lesen, als PDF herunterladen oder gratis als gedruckte Ausgabe bestellen.

 

Die Schweizer Wirtschaft bewies immer wieder eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit. Aus Industriekonzernen wurden im Zuge des Strukturwandels Technologieunternehmen und Hightech-Spezialisten. Pillenhersteller verschrieben sich als forschende Unternehmen der Biotechnologie. Aus den Zinsgeschäfts- und Privatbanken werden mit dem Wegfall des Bankgeheimnisses hochregulierte Finanzgruppen.

Aber der Wandel ist nicht zu Ende: Digitalisierung, Robotertechnologie und künstliche Intelligenz schieben eine neue Welle von Veränderungen an, genauso wie das Aufkommen von Digitalwährungen oder das "Internet der Dinge". Schaffen die Schweizer Unternehmen den Schritt nach vorne auch diesmal? Vier Beispiele, wie grosse und bekannte Schweizer Unternehmen in der Zukunft für den Konsumenten aussehen könnten.

Prognose UBS: Die digitalisierte Vermögensverwalterin

Als UBS-Kunde im Jahr 2027 wickelt man die Kontoführung, den Zahlungsverkehr und, wer will, auch Geldanlagen über eine einzige App ab. Auch Vorsorgedienstleistungen und Hypothekargeschäfte werden darüber verwaltet. Der Zahlungsverkehr erfolgt zwar in Schweizer Franken, aber die meisten Kunden halten Depots in Internetwährungen. Einige spekulieren damit auf höhere Kurse, viele nutzen diese virtuellen Devisen aber auch, um Einkäufe im Internet zu erledigen.

Eine Bank, die den Kunden nicht extrem einfache, angemessen taxierte und transparente Wege anbietet, verliert im Konkurrenzkampf. Der Wettbewerb ist sehr hart: Die angestammte Bankenwelt ist durch neue Anbieter stark unter Druck geraten, die nicht nur in Sachen Technologie, sondern auch punkto Transparenz konsequent sind. Einige davon setzen bei der Datenspeicherung auf die Blockchain.

Die vermögenden Privatkunden der UBS derweil goutieren die hohen Gebühren im Anlagegeschäft längst nicht mehr: Vermögen bis zu drei Millionen Franken werden zum Grossteil preiswert über Robo-Advisors verwaltet. Damit hat die UBS einige traditionelle Privatbanken aus dem Geschäft gedrängt, aber auch darauf reagiert, dass kleine Finanzdienstleiter das automatisierte Anlegen sehr flexibel anbieten.

Prognose Nestlé: Gesundheit noch vor Nähreffekt

Dass Nestlé 2027 ein Pharmakonzern ist, wäre etwas übertrieben. Aber ein Körnchen Wahrheit ist da vorhanden. Das Credo des Konzerns, das sich auch wie ein Band durch die Marketingstrategien zieht, ist: Bevor Essen den Menschen nährt, soll es gesund sein.

Zu Nestlé gehören 2027 längst forschende Biotech-Unternehmen, welche die Wirkung von Eiweissen oder Nahrungsfasern auf bestimmte Leiden und Krankheiten untersuchen. Entsprechend sind Joghurts, Shakes oder Nahrungsergänzungsgetränke des Konzerns "designt". Zwar bekommt man Nestlé-Produkte nach wie vor rezeptfrei, aber gewisse Erzeugnisse des Konzerns gleichen eher Medikamenten als Lebensmitteln.

Wer früher kein Brot essen konnte, kann dank der Nestlé-Allergieforschung nun ein Produkt essen, das wie Brot aussieht und (fast) genauso schmeckt, aber keine allergenen Stoffe enthält. Um den Vorwurf der Doppelbödigkeit zu vermeiden, wurden die Süssigkeitenhersteller des Konzerns teils verkauft, vor allem aber gebündelt und eigenständig an die Börse gebracht. Nestlé bleibt dort Grossaktionär und verdient kräftig mit, denn Schokoladen verkaufen sich weltweit immer noch gut.

Prognose Zurich: Ohne «Big Data» geht nichts mehr

Wer bei Zurich eine Motorfahrzeugversicherung abgeschlossen hat, muss im Jahr 2027 aufpassen: Die Versicherung sammelt Informationen, die laufend von Fahrtenschreibern in Autos übermittelt werden. In der Motorfahrzeugversicherung hat sich das "Pay as you drive" durchgesetzt, also ein Prämienmodell, das individuell auf die Datenauswertung des Fahrverhaltens von Versicherten abgestützt ist.

Genauso senden Schiffe mit deren versicherten Ladung permanent Daten über Satelliten weiter, was einen genauen Überblick über die Warenströme erlaubt. Allerdings muss Zurich, wie andere Versicherer auch, kostenintensive Taskforces unterhalten, um gross angelegten Cyperbetrug zu bekämpfen.

Der Hunger nach Information für die Risikomodelle von Versicherern ist so gross, dass ein massiver Handel mit diesen Daten besteht. Zahlreiche Unternehmen bieten der Industrie diese Daten wie Rohware an. In der Lebens- und Krankenversicherung ist Datensammeln über Menschen nach einigen "Daten-Skandalen" indessen stark eingeschränkt. Zudem steigt die Befürchtung, dass die Datenanalysen dem "solidarischen" Gedanken der Versicherung als Risikogemeinschaft abträglich sind.

Prognose ABB: Die «smarte» Technologie

Anlagen in der Industrie funktionieren nicht einfach nur noch automatisch, sondern werden durch künstliche Intelligenz gesteuert. Roboter fertigen mehr als einzelne Teile: Sie organisieren den gesamten Produktionsvorgang. Die Firmen sind de facto auf dem Weg dazu, einen Betrieb ganz ohne Personal und nur per Robotiktechnologie betreiben zu können.

Zu den grossen Robotikentwicklern 2027 gehört ABB. Dazu musste sich der Weltkonzern allerdings neu ausrichten. Automatisierung und Elektrotechnik im traditionellen Sinn hätten das Überleben der Unternehmensgruppe mit schweizerischen und schwedischen Wurzeln nicht gesichert. Selbst das Paradepferd der intelligenten Stromnetze, die sogenannten Smart Grids, musste ABB den Gegebenheiten anpassen. Die Politik will, dass die Stromverteilung in westlichen Ländern noch viel effizenter wird.

Auch in der Medizinaltechnik hat ABB Fuss gefasst. Im Operationssaal automatisieren sich die Abläufe. In den modernsten Spitälern der Welt, vor allem in Asien und in arabischen Ländern, unterstützen Roboter Ärzte während einer gesamten Operation. Um sich in diesem Teil der Technologie zu etablieren, greift ABB auf ein bewährtes Mittel zurück: umfangreiche und milliardenschwere Zukäufe.