cash.ch: Herr Lechner, von den 7,8 Prozent Umsatzwachstum gingen 1,5 Prozent auf Volumen/Mix- und 6,3 Prozent auf Preissteigerungen zurück. Die Konsumenten scheinen bisher kaum auf Preissteigerungen zu reagieren. Wissen Sie, an welchem Punkt die Stimmung kippt und die Verkäufe zurückgehen?

Adalbert Lechner: Die Glaskugel hat niemand. Wir wissen aber, dass der globale Schokoladenmarkt letztes Jahr rückläufig war und Lindt & Sprüngli sich dieser Entwicklung widersetzen konnte. Das hat mit unserer Markenstärke und dem Trend hin zu Premiumprodukten zu tun. Zudem eröffnen wir neue Shops, wir tätigen grössere Werbeausgaben - wir sind eine Angreifermarke, wenn Sie so wollen. Aber natürlich gibt es auch bei Lindt & Sprüngli eine Preiselastizität. Darum wollen wir in der Umsetzung besser werden.

Was heisst das?

Dass wir beispielsweise mit dem Handel Mehrregalstrecken und bessere Produktplatzierungen vereinbaren, dass wir neue Geschäftsfelder erschliessen und weitere Stores eröffnen. Mit diesem Mix können wir uns gegen sinkende Volumen im globalen Schokoladenmarkt aufgrund höherer Preise stemmen und uns insgesamt gut behaupten.

Inwieweit sichern Sie sich eigentlich gegen Preisschwankungen beim Kakao ab?

Wir fahren eine konservative Einkaufspolitik. Wir haben einerseits physische Lagerbestände, andererseits haben wir Verträge, die uns über einen bestimmten Zeitraum absichern. Damit fangen wir die meisten Preisschwankungen ab. Das aber ist ein Balanceakt: Wenn jeder erwartet, dass die Preise wieder korrigieren, wollen auch wir nicht zu langfristig gebunden sein. Da wollen wir nicht zu hart am Wind segeln. Lindt & Sprüngli ist seit 180 Jahren am Markt und will weitere 180 Jahre erfolgreich sein. Deswegen lassen wir eine gewisse kaufmännische Vorsicht walten.

Wie sichern Sie sich gegen Lieferengpässe ab?

Wir haben einen soliden Bestand an physischen Bohnen und über das Farming-Programm dauerhafte Zulieferbeziehungen. Zudem zahlen wir auskömmliche Prämien. Daher sind uns die Abnahmemengen sicher. Wir sind - auch wenn es andernorts zu Engpässen gekommen ist - noch immer an unsere Bohnen gekommen.

Gibt es bei Lindt & Sprüngli ein Szenario für fallende Kakaopreise - konkret: Würden Sie in diesem Fall die Preise wieder senken oder doch eher die Margen verteidigen respektive steigern?

Zunächst glauben wir an die Gesetze des Marktes. Der hohe Kakaopreis macht den Anbau lukrativ. Das erleben wir speziell in Mittelamerika, wo der hohe Preis tatsächlich bei den Farmern ankommt und diese nun vermehrt in den Anbau investieren. Für das laufende Jahr rechnen wir mit einem ausgewogenen Verhältnis von Angebot und Nachfrage. So gesehen ist der Preis momentan unerklärlich hoch - da sind Übertreibungen im Markt. Wir gehen also von einer Preiskorrektur aus.

Was heisst für Ihre Preis- respektive Ihre Margenpolitik?

Wir halten an unserer Guidance fest und streben - ungeachtet des Kakaopreises - eine um 20 bis 40 Basispunkte höhere Marge pro Jahr an. Das haben wir angekündigt, und wir werden alles tun, damit wir diese Vorgabe einlösen können.

Sie haben die Erwartungen beim operativen Gewinn und der Marge im Geschäftsjahr 2024 übertroffen. Was machen Sie geschickter als die Branchennachbarn, die teilweise stark unter Druck sind?

Qualität und Genuss stehen bei uns im Mittelpunkt. Diese Strategie verfängt langfristig auch bei den Konsumenten - gerade in einer Zeit, in der bewusster Konsum im Trend liegt. Man nascht nicht mehr so häufig nebenher oder vor dem Fernseher, sondern gönnt sich besondere Momente. Von diesem Trend werden wir noch Jahrzehnte profitieren.

Gilt das auch angesichts des Aufkommens von Abnehmmitteln?

Diese Abnehmspritzen werden genommen, um die Lebensqualität zu erhöhen. Zu dieser Lebensqualität gehört auch Genuss. Eine Lindor-Kugel am Tag schliesst eine langfristige Gewichtsreduktion nicht aus.

Sie rechnen für 2025 damit, dass der Konsumtrend weg von Quantität hin zu qualitativ hochwertiger Premium-Schokolade anhält. Das würde ihre Strategie unterstützen. Doch was macht Sie so sicher, dass es kommt, wie Sie es erwarten?

Zum einen kennen wir die Marktforschung. Sie zeigt, dass die Menschen aufgeklärter sind, bewusster einkaufen und konsumieren. Zum anderen spielt uns die Demografie in die Karten. Menschen werden mit steigendem Alter hedonistischer und gönnen sich eher Premium- als Massenprodukte. Zudem wächst die Mittelschicht in Asien. Dadurch können sich Hunderte von Millionen Menschen ein besseres Leben leisten.

Weshalb genau schliessen Sie ein Splitting der Namensaktie und des Partizipationsscheins aus?

Die Namensaktie ist zugegebenermassen sehr teuer. Doch mit dem Partizipationsschein kann man genauso von der Kursentwicklung profitieren - einfach zu einem Zehntel des Preises der Namensaktie und ohne Stimmrecht. Und ganz ehrlich: Zu einer Premiummarke wie Lindt & Sprüngli passt eine teure Aktie. Sie ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale.

Adalbert Lechner ist seit Oktober 2022 CEO von Lindt & Sprüngli. Zuvor übte er während rund drei Jahrzehnten verschiedene Managementfunktionen beim Schokoladenhersteller aus. Er verfügt über einen Doktortitel in Rechtswissenschaften.

Reto Zanettin
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