cash.ch: Die Preise für Wohneigentum steigen nur noch schwach. Wie hat sich die Nachfrage auf dem Markt für Wohnimmobilien in den letzten Monaten angesichts steigender Zinsen entwickelt?
Ines von der Ohe: Nachfrageseitig hat das Finanzierungsumfeld mit dem Anstieg der Hypothekarzinsen an Attraktivität eingebüsst. Damit ist der Kauf einer Wohnimmobilie für viele Haushalte wieder in weite Ferne gerückt. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Die Anzahl geschalteter Suchabos auf den gängigen Portalen hat im Vergleich zum Vorjahr schweizweit im zweistelligen Prozentbereich abgenommen. Am deutlichsten gesunken ist die Anzahl Suchabos in den Kantonen Genf, Graubünden, Zürich, Tessin und Zug.
Was konnten Sie am Beispiel der Stadt Zürich beobachten?
In der Stadt Zürich ist die Zahl der Suchabos um 17 Prozent zurückgegangen. Entsprechend gestiegen ist hier daher die durchschnittliche Insertionsdauer auf 36 Tage. Aber: Auch die Preise zogen ebenfalls erneut an. Dies zeigt, dass trotzdem momentan noch genügend solvente Käufer aktiv sind, die sich auch vom hohen Preisniveau und ansteigenden Hypothekarzinsen nicht abschrecken lassen.
Können Sie weitere Beispiele von der Front geben?
Grundsätzlich ist von Seiten der Käufer schon eine gewisse Zurückhaltung festzustellen. Aber wenn das Objekt und Preis-Leistung passt, ist das Interesse nach wie vor vorhanden und Probleme in der Absorption können wir dann nicht bestätigen. Zudem: Im langfristigen Vergleich sind die Zinsen immer noch günstig.
Im letzten Interview mit cash.ch vom Oktober sagten Sie, dass ‹einige Besitzer ihre Immobilie jetzt schnell noch auf dem Peak verkaufen wollen›. Inwiefern hat sich diese Entwicklung akzentuiert?
Diese Aussage kann ich retrospektiv nur bestätigen. Zu Beginn dieses Jahres waren wieder deutlich mehr Eigentumsobjekte auf dem Markt als im Vorjahr. Und das ist nicht etwa auf eine höhere Bautätigkeit zurückzuführen – denn die ist im langfristigen Vergleich immer noch tief – sondern eben darauf, dass einige Besitzer ihre Immobilie noch schnell verkaufen wollten bzw. wollen. Da die Nachfrage jedoch zurückgegangen ist, führt das dazu, dass die Immobilien heute vielerorts länger inseriert sind, womit das Angebot wächst.
Welches sind die wichtigsten Faktoren, die gegenwärtig Haushalte an einem Kauf einer Wohnimmobilie hindern?
Die gestiegenen Finanzierungskosten sind sicher ein wichtiger Punkt. Haushalte, die über Eigenmittel verfügen, überlegen sich zudem nun vielleicht doch noch etwas abzuwarten mit dem Kauf – in der Hoffnung, dass die Preise für ihr Traumobjekt doch noch etwas runterkommen.
Ist diese Hoffnung nicht illusorisch?
Wir konnten beobachten, dass Fantasiepreise nicht mehr durchkommen. Diese Phase ist vorbei. Dies gilt zum Teil auch für die begehrten Lagen. Im ländlich peripheren Raum könnte diese Entwicklung den einen oder anderen Kaufinteressenten zum Abwarten bewegen.
Es wird immer wieder geschrieben, dass Erbvorbezüge bei Käufen von Wohneigentum immer wichtiger werden. Wie wichtig ist die 'Mami-Papi-Bank' wirklich?
Erbvorbezug ist natürlich immer von Vorteil. Wer über Eigenmittel verfügt bzw. wer auf finanzielle Unterstützung aus der Familie zurückgreifen kann, dürfte mit dem Anstieg der Hypothekarzinsen wohl wieder eher darauf zurückgreifen. Die meisten Verkäufe die wir begleiten gehen aber ohne Mami-Papi Bank.
Was sollten Interessenten derzeit vor einem Kauf einer Wohnimmobilie beachten?
Natürlich muss man sich jetzt zwei Mal überlegen, ob man sich die Finanzierung wirklich leisten kann - auch vor dem Hintergrund, dass Lebenshaltungskosten auch steigen.
Die Preise für Wohneigentum sind in der Schweiz auch wegen dem grossen Nachfrageüberhang gestiegen. Was sind die wichtigsten Hemmschwellen für ein grösseres Marktangebot an Wohnimmobilien?
Die immer knapper werdenden Bodenressourcen, hohe Landpreise insbesondere in den urbanen Regionen und gestiegene Baustoffpreise. Zudem versprechen festverzinsliche Anlagen nun wieder attraktive Renditen, was den Anlagedruck grundsätzlich schmälert.
Wie stark fallen bei dieser Entwicklung die gestiegenen Baukosten ins Gewicht?
Die gestiegenen Baukosten sind sicher eine wichtige Komponente. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) zogen die Baupreise zwischen Oktober 2021 und Oktober 2022 um 8,3 Prozent an.
Wie attraktiv ist es denn noch, mit den steigenden Zinsen sein Geld in Liegenschaften zu stecken?
Der vielzitierte Anlagenotstand hat mit der Trendwende beim Leitzinssatz ein Ende gefunden. Seit dem Ende der Negativzins-Ära gibt es wieder alternative Anlagemöglichkeiten – abseits der Immobilie als Anlageklassen. Investitionen in Renditeliegenschaften bleiben insofern interessant, dass sie insbesondere in den grossen Arbeitsplatzzentren in Zeiten von Beschäftigungs- und Bevölkerungswachstum sichere Cashflows bieten. Zudem sind mit zunehmender Marktliquidität auch die Preise für Renditeimmobilien im vergangenen Jahr wieder etwas zurück gegangen und entsprechend gestiegen sind die Nettoanfangsrenditen: An den erstklassigen Lagen, den sogenannten A-Lagen, belief sich der Anstieg auf 45 Basispunkte und landete bei einem Wert von 2,3 Prozent. B- und C-Lagen lagen zuletzt bei 2,8 Prozent bzw. 3,0 Prozent.
Inwiefern machen sich beim Angebot auch regulatorische Entwicklungen bemerkbar?
Gerade in den Zentren hindern mit wachsender Dichte immer häufiger Vorschriften und Einsprachen am Bau die Erstellung von Wohnraum. Beispielsweise sind aufgrund der Lärmvorschriften derzeit diverse Bauvorhaben in Zürich blockiert.
Wie werden sich die Preise für Wohnimmobilien 2023 entwickeln?
Die Zahl der Kaufinteressierten ist trotz der jüngsten Entwicklungen insgesamt nach wie vor grösser als das verfügbare Angebot. Entsprechend hochpreisig blieb 2022 das Niveau der Kaufabschlüsse für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser – obschon das Preiswachstum der letzten Jahre abflachte und kaum mehr Phantasiepreise bezahlt wurden. In einigen ländlichen Regionen und an weniger attraktiven Standorten kamen die Preise per Ende Jahr bereits unter Druck. Diese Entwicklungen dürften sich auch im laufenden Jahr weiter fortsetzen bzw. akzentuieren. Gesamtschweizerisch betrachtet gehen wir nur noch von leicht steigenden Preisen aus.
Was erwarten Sie 2023 betreffend der kommenden Leitzinserhöhungen durch die SNB?
Die Notenbanken versuchen weiterhin, mittels Leitzinserhöhungen die Inflation zu bremsen. Allerdings sind gemäss Einschätzungen der Experten der Migros Bank Jumbo-Schritte von 75 Basispunkten derzeit kein Thema mehr, und auch ein Ende des Straffungszyklus zeichnet sich ab. Für die SNB erwarten wir, dass sie an der Juni-Sitzung die geldpolitischen Zügel vorerst zum letzten Mal strafft. Nach Erreichen der 'terminal rates' zeichnet sich eine rasche Lockerung der Leitzinsen gegenwärtig nicht ab. Mit einem derartigen Run auf Wohnimmobilien, wie wir ihn in den vergangenen Jahren erlebt haben, dürfte es damit vorerst vorbei sein.
Welche Rolle nimmt das Bevölkerungswachstum bei der Preisgestaltung ein?
Die hochbleibende Zuwanderung treibt das Bevölkerungswachstum – einer der Haupttreiber für die gestiegene Nachfrage nach Wohnraum. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn auch die zunehme Überalterung und Singularisierung unserer Gesellschaft führen zu mehr Wohnraumbedarf und letzten Endes auch zu einem wachsenden Druck auf die Preise. Viele ältere Menschen ziehen nicht in eine kleinere Wohnung, obwohl sie im Alter vielleicht auch mit weniger Platz auskommen würden. Und gerade in den Zentren gibt es generell viele Ein- oder Zweipersonenhaushalte. In der Stadt Zürich zum Beispiel lag der Anteil Einpersonenhaushalte 2021 bei 45 Prozent – schweizweit bei 37 Prozent.
Auch freie Mietwohnungen werden knapp – vor allem in den Städten. Handelt es sich hier um einen langfristigen Trend?
Der Wohnraumbedarf wächst. Gerade in den grossen Arbeitsplatzzentren wird das zum Problem, sofern die Wohnungsproduktion sich dort nicht belebt. Dann wird auch der Mangel an freien Mietwohnungen weiter anhalten bzw. sich sogar verschärfen. Diese Entwicklung treiben dort die Mieten in die Höhe. Finanzschwächere Haushalte werden damit zunehmend an periphere, preisgünstigere Standorte verdrängt.
Mit welcher Mietzinsentwicklung müssen die Haushalte rechnen?
Gerade in den Zentren dürfte sich der Druck auf die Mieten 2023 unter den heutigen Voraussetzungen deutlich erhöhen. Aber auch abseits der Zentrumslagen dürfte es an Standorten mit einer guten Erreichbarkeit zu Preisanstiegen kommen. Im Wirtschaftsraum Zürich stiegen die inserierten Mietzinse bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 in allen Teilregionen, was angesichts der zunehmenden Knappheit nicht erstaunt. In der Stadt Zürich werden heute selbst an unterdurchschnittlichen Lagen bereits überzogene Mietpreise für Neubauwohnungen beobachtet. Abzuwarten bleibt, ob die Zürcher Politik nach den Beispielen von Genf und Basel ebenfalls regulatorisch in den Markt eingreifen wird. Der Druck von Seiten der Bevölkerung zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum jedenfalls steigt.
Ines von der Ohe leitet bei der CSL Immobilien AG den Bereich Research & Marktanalyse und ist verantwortlich für die CSL-Marktberichte. Von der Ohe verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Immobilienmarktanalyse.
2 Kommentare
Habe gerade die Erfahrung gemacht, dass offenbar die Nachfrage aus dem Süddeutschen Raum in den Grenzgebieten der Nordostschweiz sehr hoch ist. Das kompensiert den Preisschock bei weitem.
Besten Dank für diese Standort-Analyse und Perspektive mit guten Fragen und cleveren Antworten.
Aus meiner Sicht sind die aktuellen Verkaufspreise objektiv betrachtet viel zu hoch, entsprechend auch die Marktmieten. Der Markt spielt nicht richtig, bedingt durch die hohe Nachfrage bei knappem Angebot. Wie und wann normalisiert sich dies?