Das Gute vorweg: Der Versicherungssektor ist weiterhin in einer sehr guten Verfassung. Die schlechteste Gesamtrendite eines Schweizer Versicherungstitels war vergangenes Jahr immer noch etwa dreimal so hoch wie die Rendite des Swiss Performance Index SPI. Und diese Überperformance dürfte auch in den kommenden Monaten anhalten.
Zu diesem Schluss kommt das Team um Simon Fössmeier, Senior Equity Analyst bei der Bank Vontobel. «Wir sehen wenig Grund zu der Annahme, dass sich das Umfeld für Versicherer im Jahr 2025 drastisch ändern wird», schreiben sie in einem Bericht. Das Jahr 2025 dürfte jedoch nicht ganz so spektakulär ausfallen wie 2024.
Immobiliensektor als Rettungsanker
Drei makroökonomische Faktoren dürften für den Schweizer Versicherungssektor in diesem Jahr entscheidend sein. Die aktuelle Situation der Versicherer zeigt, dass die Zinssätze und die Inflation in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern niedriger sind, was den Versicherern sicherlich zugutekomme, so die Vontobel-Experten. Trotz dieser positiven Rahmenbedingungen bestehe ein Kreditrisiko. In den letzten Jahren waren die Kreditausfälle niedrig, und es gibt keinen Anlass zur Annahme, dass sich dies bald ändern wird. Höhere Kreditausfälle würden wahrscheinlich lediglich eine Rückkehr zu normalen Niveaus darstellen.
Ein gewisser Nachteil für die Schweizer Versicherer sei, dass die inländischen Zinssätze inflationsbereinigt leicht negativ sind, was in vielen anderen Ländern nicht der Fall ist. Dies habe insbesondere Auswirkungen auf inländisch ausgerichtete Versicherer. Gemäss den Vontobel-Analysten dürfte dabei der Immobiliensektor Abhilfe schaffen. Da Schweizer Versicherer einen erheblichen Teil ihrer Anlagen - zwischen 16 Prozent und 28 Prozent - in Immobilien investieren, dürften sie via diese Anlageklasse durch sinkende Zinssätze und einer Zunahme der Attraktivität profitieren. Zudem hat sich der Sektor in den letzten Jahren als widerstandsfähig erwiesen, insbesondere in der Schweiz.
Auch Megatrends wie demografische und klimatische Veränderungen, Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data, Mobilität und die Energiewende könnten dem Sektor Aufwind verschaffen. Naturkatastrophen beispielsweise verzeichnen mittlerweile ein schnelleres Wachstum als das Bruttoinlandprodukt (BIP) der USA. Versicherte Schäden von mehr als 100 Milliarden Dollar pro Jahr seien keine Ausnahme mehr. Die Schweiz stehe weltweit an neunter Stelle, was das Risiko wirtschaftlicher Verluste aufgrund von Wettergefahren, insbesondere Überschwemmungen und Stürmen, betreffe.
Vorsicht geboten
Für die einzelnen Marktteilnehmer in der Versicherungsindustrie gehen die Prognosen auseinander - nicht alle erwarten dieselben Hürden und Chancen.
Bei Baloise ist insbesondere die Ankündigung von Bedeutung, die Ökosystemstrategie einzustampfen. Dies führt zu niedrigeren Investitionsanforderungen. Vontobel stuft die finanziellen Ziele als «in Ordnung» ein - weder unzureichend noch übermässig ehrgeizig. Allerdings sei das Ambitionsniveau mit einem aktivistischen Investor unter den Aktionären wahrscheinlich unzureichend, insbesondere im Vergleich zu anderen Unternehmen.
Der Aktienkurs scheint vor allem durch Übernahmespekulationen getrieben zu sein - aber bei diesen Kursen ist es für einen rationalen Investor schwer, eine Übernahme zu erklären, geschweige denn sie finanziell zu realisieren. Solange jedoch ein Aktivist am Unternehmen beteiligt ist, werden die Baloise-Titel wahrscheinlich nicht viel fallen. Daher stuft Vontobel die Titel mit dem Rating «Halten» ein.
Fokus auf die Anführer
Bei Helvetia steht insbesondere der neue CEO, Fabian Rupprecht, im Rampenlicht, der zusammen mit fünf neuen Mitgliedern im Group Executive Management frischen Wind in das Unternehmen bringt. Es heisst, dass er nicht auf «business as usual» setzt, sondern aktiv nach Optimierungsmöglichkeiten sucht. Für Vontobel ist die neue Führung ein klarer Pluspunkt: «Das Team ist jünger und internationaler als das vorherige, und nach dem, was wir bisher gesehen haben, sind die Neueinstellungen von hohem Kaliber.» Die im Dezember verkündeten finanziellen Ziele miteinbezogen, ist die Bank optimistisch und vergibt eine Kaufempfehlung.
Auch bei Swiss Re gab es im vergangenen Sommer einen neuen CEO, dem Vontobel Potenzial zurechnet: «Wir glauben, dass Andreas Berger sich nicht ausruhen wird und die Rentabilität von Swiss Re weiter verbessert.» Die Prognose des Managements für 2025 betrachten sie als vorsichtig, da sich derzeit langfristige Wachstumstreiber für Rückversicherer aus vorhin erwähnten Mega-Trends ergeben. «Swiss Re wird im Vergleich zu seinen deutschen Konkurrenten zwar niedriger bewertet, bietet jedoch eine höhere Dividendenrendite, was eine Kaufempfehlung rechtfertigt.»
Bei Swiss Life hat das langjährige Managementteam seine Stärke bereits bewiesen. Sie hätten in einem anspruchsvollen Umfeld stets gute Ergebnisse erzielt, die in der Regel den Konsens übertreffen, so Vontobel. Die Fähigkeit, die Dividende im Laufe der Zeit zu erhöhen, ist für die Bank aber nach wie vor die Hauptattraktion. «Wir erwarten, dass die Dividende je Aktie im Prognosezeitraum jährlich um 7 Prozent wachsen wird.» Die Dividendenrendite sei ebenfalls attraktiv, genau so die ungewöhnlich hohe Eigenkapitalrendite. Sie bekräftigten das Halten-Rating.
Marktfokus und Wachstum
Vaudoise ist der einzige Schweizer Versicherer, der sich ausschliesslich auf den heimischen Markt konzentriert und somit eine starke Position in der Schweiz hat. Zudem kann Vaudoise mit finanzieller Stabilität überzeugen. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren ein attraktives Wachstum gezeigt und das Eigenkapital wurde um über 60 Prozent erhöht - alles bei stabilem Nettogewinn. Externe Aktionäre stehen aufgrund der Eigentümerstruktur, in der Mutuelle Vaudoise fast 70 Prozent der Anteile hält, weniger im Fokus. Dies und ein niedriges Handelsvolumen führen zu reduzierten Bewertungsmultiplikatoren. Das derzeitige Rating lautet «Hold».
Der Plan von Zurich Insurance lässt sich gemäss Vontobel in einem Wort zusammenfassen: Wachstum. «Der Investorentag war beeindruckend, da er die Stärke und Breite von Zurichs Managementteam demonstrierte.» Die finanziellen Ziele erscheinen ehrgeizig, aber sie seien das Ergebnis von Bottom-up-Initiativen, was bedeutet, dass der Erfolg des Plans von der Ausführung und nicht von externen Faktoren abhängt. Dies sei positiv zu bewerten.
Trotz einer attraktiven Equity Story und der attraktiven Dividende haltet Vontobel an ihrem Rating «Hold» bei Zurich Insurance fest. Die wichtigsten Bewertungskennzahlen seien deutlich höher als die der wichtigsten europäischen Konkurrenten (Allianz, AXA, Generali), und die Dividendenrendite sei kein Ausreisser im Vergleich zu den Konkurrenten.