Donald Trump (78) lenkt ein: Der US-Präsident hat seine neuen Zölle für die meisten Länder für 90 Tage ausgesetzt. Nur gegenüber China blieb er hart – und erhöhte die Einfuhrzölle sogar noch auf nun total 125 Prozent. China hatte zuvor als Reaktion auf Trumps Zollhammer Gegenzölle von 84 Prozent auf US-Waren verhängt.

Damit spitzt sich der Handelskonflikt zwischen den wichtigsten Wirtschaftsmächten weiter zu. Das hat Folgen für die ganze Welt. «Im Volksmund heisst es, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte», sagt Ökonomieprofessor Stefan Legge (38) von der Universität St. Gallen (HSG) gegenüber Blick. «Aber hier gibt es für Europa und die Schweiz wenig Grund zur Freude.»

Negative Folgen überwiegen

Zwar ergäben sich Chancen für europäische und schweizerische Firmen, die in den USA mit chinesischen Anbietern oder in China mit amerikanischen Anbietern konkurrierten, so Legge. Doch die negativen Folgen seien stärker: «Der regelbasierte Welthandel wird untergraben, und die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt wachsen langsamer.»

Hinter der EU sind die USA und China auf den Plätzen zwei und drei der wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Und in beiden Ländern droht eine Abschwächung der Wirtschaft durch den Handelsstreit. In den USA ist bereits von einer möglichen Rezession die Rede, die Trump durch seine Zollpolitik auslösen könnte. Die Aussichten für Schweizer Exporteure werden damit schlechter, auch ohne diejenigen Zölle, die Trump gestern für drei Monate auf Eis gelegt hat.

China sucht nach neuen Absatzmärkten

China kämpft seit einiger Zeit mit einer Immobilienkrise und schwachem Konsum im Inland. Nun dürften wegen der hohen Zölle auch die Exporte in die USA einbrechen. Zum Vergleich: Letztes Jahr exportierte China Waren im Wert von 440 Milliarden Dollar in die USA.

Will Peking deshalb mehr nach Europa exportieren? «Einige chinesische Anbieter suchen nun nach alternativen Märkten», sagt Legge. «Insofern ist es naheliegend, dass wir einen Anstieg der chinesischen Exporte nach Europa sehen werden.» Auch in die Schweiz.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) warnte in ihrer offiziellen Stellungnahme zu Trumps Zollankündigung bereits letzte Woche: «Wir werden genau beobachten, welche indirekten Auswirkungen diese Zölle haben könnten, denn wir können weder globale Überkapazitäten absorbieren, noch werden wir Dumping auf unserem Markt akzeptieren.» Ein klares Zeichen in Richtung China.

Noch mehr Billigwaren?

Welche Waren letztlich nach Europa kommen werden, hängt laut Legge von verschiedenen Faktoren ab: «Wie gut können chinesische Firmen die Zölle an amerikanische Kunden weiterreichen? Wie einfach lassen sich die Waren nach Europa bringen und hier verkaufen? Wo erhebt möglicherweise die EU neue Zölle?»

Klar ist: In die USA exportiert China bisher vor allem Elektrogeräte und Maschinen, aber auch Spielzeug und Plastikprodukte. Ganz ähnliche Produkte verkauft das Land auch nach Europa und in die Schweiz. Die Dumping-Sorgen sind also berechtigt. Denn schon heute machen chinesische Onlinehändler wie Temu und Shein Schweizer Händlern mit Tiefstpreisen Konkurrenz. 15 Millionen Pakete haben die zwei Onlineriesen letztes Jahr in die Schweiz geschickt, zeigen Schätzungen. Dieses Jahr dürften es noch mehr werden.

Dieser Artikel ist zuerst im «Blick» erschienen.