cash.ch: Das Wirtschaftswachstum in den USA ist überdurchschnittlich, die Inflation fast unter Kontrolle und die Bondrenditen sind attraktiv. Ist das die perfekte Welt für Investoren?

Bill Campbell: Die Märkte stehen im Einklang mit dem Ergebnis der US-Wahl. Der Markt versucht also, die Auswirkungen all der politischen Veränderungen vorherzusehen, die unter der Trump-Regierung zu erwarten sind. Diese Politik zielt darauf ab, das inländische US-Wachstum mit einer angepassten Zoll- und Handelspolitik zu unterstützen. Insofern bewegen sich die Zinsen und Aktienmärkte im Moment auf einem angemessenen Niveau.

Welche konkreten Verbesserungen erwarten Sie von der neuen Trump-Regierung?

Die USA werden sich darauf konzentrieren, die Steuern generell niedrig zu halten, die Unternehmenssteuern möglicherweise zu senken, die Regulierung abzubauen, die Angebotsseite der US-Wirtschaft durch Deregulierung zu erweitern oder versuchen, die Produktion in Bereichen wie Energie zu steigern und die eigentliche Produktion zurück auf das amerikanische Festland zu verlagern - weg von den internationalen Märkten. All das gibt uns eine Untergrenze für die Wachstumsaussichten in den nächsten Jahre. 

Aber das hohe Budgetdefizit bleibt ein Problem?

Der designierte Finanzminister Scott Besant will die fiskalischen Probleme der USA angehen und das Defizit bis 2028 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken. Das klingt grossartig, aber wir bleiben intern etwas skeptischer. Sollte es zu massiven Budgetkürzungen kommen, würde das Wachstumspotenzial für die amerikanische Wirtschaft deutlich reduziert. 

Kann eine Budgetreduktion mit Trump überhaupt funktionieren? 

Es wird schwierig sein, die laufenden Ausgaben zu kürzen, insbesondere angesichts der Wahlversprechen des künftigen Präsidenten. Die Zinsausgaben im US-Haushalt werden wohl auch in den kommenden Jahren weiter steigen. 

Was bedeutet das für die Zinsen?

Da ergibt sich automatisch ein schwieriges Bild für fallende Zinsen, insbesondere am längerfristigen Ende. 

Die in letzter Zeit sinkende Inflation hilft nicht?

Die Inflation ist wirklich ein Joker. Wir hatten in letzter Zeit viele positive Inflationsentwicklungen. Erstens sind die Güterpreise von ihren Höchstständen nach der Pandemie auf ihre Tiefststände vor der Pandemie zurückgegangen, während andererseits die Dienstleistungspreise zwar zäh bleiben, aber nun allmählich sinken. Zudem gibt es eine positive Entwicklung beim Lohnwachstum, obwohl die Löhne immer noch relativ hoch sind. Wir haben einen gewissen Rückgang der Wohnkostenkomponente der Inflation gesehen, obwohl sie hartnäckig bleibt. 

Lässt die Inflation gerade bei den Wohnkosten nach?

Wenn wir uns die zukunftsorientierten Indikatoren bei den Wohnkosten ansehen, deutet dies auf eine nachlassende Inflation hin. Viele Sprecher der amerikanischen Notenbank Fed und deren Gouverneure haben bereits darauf hingewiesen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob die neuen Zölle den Anfang für eine bedeutsame Inflationsentwicklung auslösen - auch in Bezug auf die Einwanderungspolitik. Falls der Arbeitskräftepool und das Lohnwachstum gleich bleiben, könnte das den Abschwung bei der Inflation stoppen und sich als stabiler erweisen. Für ein Urteil ist es zu früh, bis wir mehr über die Zölle wissen.

Werden die erwarteten Zölle nominell die Warenpreise und die Importinflation nach oben treiben?

Grundsätzlich ja. Es gibt aus US-Sicht aber einige mildernde Faktoren, die wir berücksichtigen müssen. Erstens haben wir bereits einen Anstieg des Dollars beobachtet. Werden diese Zölle eingeführt, so dürfte der Anpassungsmechanismus weiter über einen stärkeren Dollar erfolgen. Das funktioniert für beide Seiten. Wenn das exportierende Land wie Deutschland oder die Schweiz seine Währung abwertet, gleicht es die Auswirkungen der Zölle aus. Und wir, die wir mit einer stärkeren Währung importieren, können diese Auswirkungen ausgleichen. 

Eine steigende US-Erdölproduktion könnte ebenfalls helfen?

Wenn die USA in der Lage sind, ihre Energieproduktion zu steigern und dies zu einem Rückgang der Ölpreise führt, gibt es so viele Verknüpfungen, dass es auch disinflationär sein kann. Vor diesem Hintergrund zusammen mit den in Aussicht gestellten Reduzierung des Budgetdefizits hat sich der Renditeanstieg bei US-Staatsanleihen jüngst etwas abgeschwächt. 

Senkt die amerikanische Notenbank Fed die Zinsen in 2025?

Es ist zu diesem Zeitpunkt eine Art gemischte Kommunikation. Nach der Zinssenkung im Dezember könnte sich die Fed für eine längere Pause entscheiden. Die US-Notenbank wird abwarten wollen, welche Auswirkungen all die neuen Massnahmen der Trump-Regierung haben werden. 

Dieses Umfeld spricht trotz hoher Renditen nicht für langlaufende Obligationen?

Wir bevorzugen untergewichtete Positionen am längeren Ende der US-Renditekurve. Und wenn sich herausstellt, dass die Inflation tatsächlich steigt oder das US-Wachstum anzieht, dürfte dies weiteren Aufwärtsdruck auf das hintere Ende der Renditekurve ausüben. Langlaufende US-Staatsanleihen sehen zum jetzigen Zeitpunkt nicht attraktiv aus. 

Was bedeutet das für die US-Aktienmärkte?

Am US-Aktienmarkt sollten die Unternehmensgewinne auch in diesem Jahr schneller wachsen als an den anderen Märkten. Wir erachten ein robustes Gewinnwachstum von zwölf bis dreizehn Prozent als realistisch. Ich wäre allerdings nicht überrascht, wenn ein Gewinnwachstum erzielt wird, welches das Vielfache der bezahlten Gewinne gemessen am Kurs-/Gewinn-Verhältnis schrumpfen lässt. Mit anderen Worten, die Gewinne holen den Preis ein. Eine niedrige zweistellige Rendite von vielleicht zehn Prozent liegt drin. Mit den Eingangs erwähnten Unsicherheiten um die Zölle und Fiskalpolitik könnte eine gewisse Volatilität auch zu einer etwas tieferen Rendite im hohen einstelligen Bereich von sieben bis acht Prozent führen. Wenn Aktien billiger wären, hätten wir vielleicht eine andere Antwort, aber das ist der Stand der Dinge heute.

Wie sieht es auf dem alten Kontinent aus?

Europa hat von Deutschland bis Frankreich alle möglichen innenpolitischen Probleme, das Wirtschaftswachstum ist ziemlich schwach. Angesichts von Handel und Zöllen, aggressiven Handelspolitiken und dem Potenzial für anhaltende geopolitische Risiken ist es sehr schwierig, einen Wachstumskatalysator für die Eurozone zu finden, der das Wachstum aus seiner sehr, sehr niedrigen Kurve herausholt. Genau das wäre nötig, um eine Aufwertung Europas zu erleben.

Was heisst das für die Zinspolitik in Europa?

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auf einem allgemein gemässigten Kurs bleiben und mit einer lockeren Politik versuchen, das Wachstum zu unterstützen, ohne die Aussichten für den Euro allzu sehr zu beeinträchtigen. Es würde mich deshalb nicht überraschen, wenn der Euro zum Dollar im ersten Quartal nächsten Jahres die Parität erreichen würde. 

Der Schweizer Franken sollte sich wegen des Wirtschaftswachstums besser gegenüber dem Dollar entwickeln als der Euro. Oder ist der Zinssatz in der Schweiz so niedrig, dass der Dollar ebenfalls weiter steigen wird?

In Europa besteht eine etwas stärkere wirtschaftliche Abwärtsgefahr. Offensichtlich wird das den Schweizer Franken aufwerten, da die Schweiz eine bessere Wachstumskurve hat. Ganz im Gegensatz zur EZB, welche zu aggressiveren Kürzungen gezwungen wird, als sie erwartet hatte. Die andere Frage, über die man vielleicht nachdenken sollte, ist, wieso dieses Geld aus Europa in die Schweiz zurückfliesst. 

Wie meinen Sie das?

All die politischen Störungen, die in Europa stattfinden und den Haushalt und die Schuldenquote in Deutschland und Frankreich betreffen. Europa muss eine einheitliche Front bilden. Die Europäer dürften ihre Differenzen nicht begraben und müssen versuchen, eine gemeinsamen Weg zu finden. Stattdessen sehen wir Brüche in Europa, und die Aussichten werden immer besorgniserregender. Diese Problematik könnte sich unter Trump weiter verschärfen. 

Bill Campbell ist Portfoliomanager der DoubleLine Global Bond Strategy und ständiges Mitglied des Fixed Income Asset Allocation Committee. Bevor er 2013 zu DoubleLine kam, arbeitete Bill für Peridiem Global Investors als globaler Fixed-Income-Research-Analyst und Portfoliomanager. Davor war er Vizepräsident der Taxable Fixed Income Group von Nuveen Investment Management, nachdem er als quantitativer Analyst in deren Risk Management and Portfolio Construction Group tätig war. Zuvor arbeitete er als Investmentanalyst bei John Hancock Financial.

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren