Der Boom um Abnehmmedikamente ist etwas abgeflaut, er hält aber an. So hat sich das Suchinteresse bei Google am Begriff «GLP-1» nach dem starken Anstieg vor dem Jahreswechsel auf hohem Niveau eingependelt.

Die Aktien von Novo Nordisk sind inzwischen zwar weniger als halb so viel wert wie im Sommer 2024, als sie auf einen Rekordstand geklettert waren. Doch das dänische Pharmaunternehmen zählt nach wie vor zu den dominierenden Spielern im Feld der Arzneien gegen Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes und Übergewicht. Führend ist auch das amerikanische Pharmaunternehmen Eli Lilly, dessen Aktien sich besser gehalten haben als die Valoren von Novo Nordisk.

«Das Wachstum ist intakt», sagt Damian Burkhardt, Senior Portfolio Manager bei EFG International, zum Markt für Abnehmprodukte. Dieser werde sich von heute 50 Milliarden Dollar auf über 100 Milliarden Dollar im Jahr 2030 entwickeln, insbesondere durch den Anteil Übergewichtiger in den USA getrieben. Andere Schätzungen sagen ein Volumen von über 200 Milliarden Dollar bis Anfang des kommenden Jahrzehnts voraus.

Mehrere Schweizer Unternehmen haben sich an den Markt für Fettsenker angedockt. Beispielsweise beliefert Ypsomed den Pharmakonzern Novo Nordisk mit Autoinjektoren. Laut Burkhardt spielt noch eine andere Gruppe von Firmen eine wichtige Rolle: «Peptide-Hersteller profitieren vom Outsourcing der grossen Pharmaunternehmen. Zurzeit sind rund 60 Prozent der Peptide-Produktion ausgelagert.» Und man kann davon ausgehen, dass dieser Trend anhalten wird.

Auftragsfertiger sind folglich zunehmend gefragt, und laut Branchenkennern mischen zwei Schweizer Firmen vorne mit: Bachem mit einem Anteil von 25 Prozent an der weltweiten Peptide-Herstellung, und Polypeptide mit einem Anteil von 20 Prozent an dieser Produktion. Beide Unternehmen waren in den vergangenen Jahren an der Börse erfolglos.

Doch laut einer Mitteilung vom Dezember 2022 hat Polypeptide eine mehrjährige Vereinbarung unterzeichnet, die nach einer Anlaufphase ab 2024 einen jährlichen Auftragswert von rund 100 Millionen Euro umfasst. Das ist beträchtlich, gemessen an einem Umsatz von 320 Millionen Euro im Jahr 2023 respektive 336 Millionen Franken im Jahr 2024.

Das Unternehmen kommentiert den Vertrag auf Anfrage von cash.ch nicht weiter, dies unter Hinweis auf die Kundenvertraulichkeit. Laut einem Medienbericht vom Dezember 2022 soll es sich bei dem Kunden offenbar um Eli Lilly respektive um das Medikament Mounjaro handeln; diese Arznei wird gegen Diabetes und Übergewicht angewendet.

Was sich sagen lässt: Die Vereinbarung läuft und ist konsistent mit dem mittelfristigen Ausblick von Polypeptide und beinhaltet über die Zeit zusätzliches Auftragspotenzial. EFG-Portfolio-Manager Burkhardt sagt auch: «Vorauszahlungen an die Produktion sind ein Zeichen des Vertrauens, das Investoren bislang aber noch nicht vollständig wahrgenommen haben.»

Für den Experten ist ebenfalls die Antwort auf die Frage massgebend, wo die Kapazitäten für die Produktion herkommen.

Polypeptide und Bachem bauen Kapazitäten auf

Polypeptide stellt gewissermassen die Zutaten für Therapien her, mit denen Patienten gegen Leiden wie Diabetes, Fettleibigkeit, Krebs, Herz-Kreislauf- und neurologische Erkrankungen behandelt werden. Grossaufträge sind zwar lukrativ, müssen aber auch gestemmt werden.

Um mit dem Auftragwachstum mithalten zu können, hat das Unternehmen neue Kapazitäten aufgebaut - beispielsweise im letzten Jahr in Belgien. Im Januar hat das Management zudem eine Verdoppelung der Produktionskapazität am Standort Malmö angekündigt.

Die zusätzlichen Anlagen unterstützen die Partnerschaft, die im Dezember 2022 vereinbart wurde. So etwa ermögliche es die Erweiterung in Malmö, «die langjährige Zusammenarbeit mit einem wichtigen GLP-1-Kunden weiter zu vertiefen», sagte Juan José González, CEO von Polypeptide Anfang Jahr.

Gemäss dem mittelfristigen Ausblick soll der Umsatz bis 2028 auf das Doppelte der im Jahr 2023 erzielten Verkäufe ansteigen. Dabei seien Investitionen in Höhe von 15 bis 25 Prozent des Umsatzes geplant, teilte Polypeptide im Januar ebenfalls mit.

Im Kapazitätsaufbau befindet sich auch Bachem. Das Unternehmen erweitert beispielsweise seinen Produktionsanlagen am Hauptsitz in Bubendorf und will mittelfristig ein neues Werk in Sisslerfeld errichten. Bis 2026 soll der Umsatz auf über eine Milliarden Franken steigen, von rund 600 Millionen Franken im Jahr 2024. Zugleich soll die Gewinnmarge auf Stufe EBITDA auf über 30 Prozent von zuletzt 29,1 Prozent steigen.

Liegen höhere Aktienkurse drin?

«Wir sind jetzt schon in einem Wendepunkt, was die Zulieferer angeht. Bei solchen Unternehmen ist ein Aufschwung wahrscheinlich, wenn es dem Management gelingt, das Anlegervertrauen zu stärken und die Zusatzkapazitäten auszunutzen», sagt Burkhardt.

So gesehen werden wieder höhere Aktienkurse greifbar - zumal sowohl Polypeptide als auch Bachem zurzeit markant unter den Höchstständen der vergangenen Jahre notieren. Die Aktien von Bachem waren im Herbst 2021 rund 171 Franken wert, gegenwärtig werden sie zu 48 Franken gehandelt. Ein Aufstieg auf 71 Franken ist möglich, sagt das Gros der Analysten.

Die Valoren von Polypeptide sind seit dem Allzeithoch vom September 2021 bei 147 Franken auf 15 Franken abgetaucht. Der Analystenkonsens sieht einen Wiederanstieg auf 29 Franken in den kommenden zwölf Monaten, was fast eine Verdoppelung des Aktienwertes und einen ansatzweisen Anschluss an die besten Zeiten bedeuten würde. Wie nachhaltig eine solche Entwicklung ist, wird sich früher oder später zeigen.

Reto Zanettin
Reto ZanettinMehr erfahren