Bitcoin, Ether oder Cardano beruhen auf einer Blockchain. Dies ist ein dezentral organisiertes Konto-Buchungssystem, mit dem Vermögenswerte ohne Mittelsmann übertragen werden können. Für den Zugriff auf das eigene Vermögen ist weder eine Bank noch der Staat notwendig. Hierzu reicht allein der dazugehörige kryptografische Schlüssel, der mithilfe einer Wallet aufbewahrt wird.

Diese Unabhängigkeit von den traditionellen Institutionen bringt auch Probleme: Die maximal 21 Millionen Bitcoin werden tatsächlich nie im Umlauf sein. Diese Maximalgrenze besteht bei der weltweit grössten Kryptowährung aufgrund der Programmierung. Experten schätzen, dass täglich 1500 Coins verloren gehen. Dies, weil Bitcoin-Besitzer den Schlüssel zu ihren Krypto-Wallets verloren oder verlegt haben. Ohne diesen Schlüssel können sie nicht an ihr digitales Vermögen herankommen.

Noch unberücksichtigt bei dieser Schätzung sind die künftigen Verluste aufgrund von Unfällen und Todesfällen. Denn gerade Kryptowährungen sind bei jungen Leuten unter 40 Jahren beliebt. Und in diesem Alter schiebt man das Thema Vererbung gerne auf die lange Bank. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema Erben ist aber gerade bei einem dezentral organisierten Konto-Buchungssystem ein grosser Fehler.

Das fehlende Bewusstsein ist weit verbreitet: "Aus zig Gesprächen mit Privatkunden oder auch Erbprofis wie Nachlassverwalter oder Anwälten weiss ich, dass die wenigsten an das Thema denken. Sogar Personen, welche achtstellige oder teilweise neunstellige Summen in Kryptowährungen haben, fehlt das Bewusstsein", sagt Bitcoin-Berater und Buchautor Marc Steiner im Gespräch mit cash.ch. Steiner unterrichtet unter anderem an der Hochschule für Wirtschaft Zürich die Grundlagen von Kryptowährungen und hat sich auf das Thema Krypro-Vererben spezialisiert. 

Es gibt keine Helpline für Erben

Davon, dass es richtig ins Geld gehen kann, können die Erben des US-Unternehmers Matthew Mellon berichten. Dieser hatte früh zwei Millionen Dollar in die Kryptowährung Ripple investiert, deren Wert in den folgenden Jahren stark stieg. Allerdings hatte er niemandem vom Aufbewahrungsort seiner Zugänge erzählt, als er Anfang 2018 unerwartet starb. Seine Erben gingen daher leer aus. Zum Zeitpunkt von Mellons Tod war sein Ripple-Vermögen zwei Milliarden Dollar wert.

Um die Verwahrung wie auch die Vererbung der Kryptowährungen muss sich jeder selbst kümmern. Es gibt keine telefonische Helpline wie bei einem Bankkonto, die die Erben anrufen können. Und ohne den kryptografischen Schlüssel bleibt das vererbte Vermögen für immer ausser Reichweite - keine Institution kann hier helfen. Dies steht ganz im Gegensatz zu "analogen" Vermögenswerten wie Haus, Auto, Aktien oder Kunst, wo die Besitzverhältnisse zentral festgehalten sind.

Doch nicht nur der Zugriff auf die Vermögenswerte stellt im Erbfall ein Problem dar, wie Steiner sagt: "Vielfach wissen die Erben nicht mal, dass ein Vermögen in Kryptowährungen vorhanden ist." Zudem kennt sich nicht jeder Begünstigte in der Kryptowelt aus. Neben den Zugangsdaten zum Vermögen selbst ist meist ein kompletter Nachlassplan sinnvoll, der den Erben Schritt um Schritt erklärt, wie sie vorgehen müssen. In der Kryptowelt gilt bekanntermassen eine "Null-Fehler-Toleranz". Sind ungewollte Transaktionen in der Blockchain, ist es zu spät für jegliche Änderungen.

Das gehört in den Nachlassplan

In einen solchen Nachlassplan gehören Informationen darüber, welches Vermögen in Kryptowährungen besteht. Zudem müssen die Begünstigten wissen, welche Wallets und Geräte vorhanden sind. Insbesondere die Zugriffinformationen wie Passwörter, Benutzernamen, Wallet-Pin und Seed-Phrasen sind zwingend.

Gerade das automatische Backup der Wallet mit Seed-Phrasen - eine Folge aus zwölf oder 24 Wörtern - ist für die Nachlassplanung bedeutend. Mit dieser kann der kryptografische Schlüssel bei Verlust wieder hergestellt werden. Ohnehin sollte der Nachlassplan so umfänglich wie möglich sein. Falls Daten auf einem Smartphone oder Computer gespeichert sind, gehören damit auch die entsprechenden Login-Informationen in den Nachlassplan.

Da in vielen Fällen die Erben nicht mit der Kryptowelt vertraut sind, lohnt es sich zudem, eine vertrauenswürdige Person mit dem notwendigen Knowhow zu definieren. Diese soll die Erben beim Einlösen des Nachlassplanes unterstützen und muss natürlich in diesem selbst erwähnt werden. 

Sichere Aufbewahrung

Der Nachlassplan mit seinen sensiblen Daten muss aber auch sicher verwahrt und vor Umwelteinflüssen geschützt werden. Dazu benötigt man ein wasserdichtes und reissfestes Papier, das mit einem dokumentenechten Kugelschreiber beschrieben wird. Gegen einen Brand kann man mit feuerfesten Dokumenttasten vorkehren. Zur Sicherheit erstellt man zwei Kopien. Eine legt man zuhause in den Safe, die andere in das Bankschliessfach.

Doch mit der Erstellung und sicheren Lagerung des Nachlassplanes ist das Werk noch nicht vollendet. Es geht jetzt um die Frage, wann und wie die Erben informiert werden. Entweder werden die Informationen zum Nachlassplan - zumindest der Aufbewahrungsort - persönlich mitgeteilt. Oder dies geschieht durch die vordefinierte Vertrauensperson oder per Testament.

Eine Möglichkeit, den ganzen Aufwand zu umgehen, bilden theoretisch sogenannte "custodial wallet". Diese werden von einem Dritten wie Bitcoin Suisse, Coinbase oder Binance verwaltet. Es ist aber nicht empfehlenswert, grosse Beträge auf diesen Wallet zu verwahren - zu gross ist das Sicherheitsrisiko wegen Hackerattacken. Aus diesem Grund bleibt die sichere und systematische Weitergabe der kryptografischen Schlüssel der einzige, aber mühselige Weg, um das Vermögen an die Erben weiterzugeben.

ManuelBoeck
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