Die Coronavirus-Pandemie hat überall auf der Welt zu einem schweren Einbruch der Wirtschaftstätigkeit und damit auch zu einer deutlich tieferen Nachfrage nach Öl geführt. Dazu kommt ein epischer und nur oberflächlich gelöster Förderstreit zwischen den Ölmächten Saudi-Arabien und Russland. Der Ölpreis hat sich innerhalb der vergangenen drei Monate auf dramatische Weise auf ein Drittel reduziert. 

Am Montag verschreckte zuerst die Meldung, dass der Ölpreis so tief gefallen war wie zuletzt 1986. Dann die Nachricht, dass der Ölpreis in den USA ins Minus gefallen sei. Im folgenden die wichtigsten Punkte, um die Situation am Öl-Markt zu erklären: 

Was genau ist unter Null gefallen? 

Es geht um einen Rohstoffkontrakt respektive "Commodity Future". Das heisst, eine bestimmte Menge Öl wird zu einem festgelegten Preis zu einem späteren Zeitpunkt geliefert. Ein anderes Wort für diese Art der Transaktion ist Termingeschäft.

Bei einem Ölkontrakt kommt es im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zu einer Preisbildung. In der Regel weicht ein so zustande gekommener Preis vom aktuellen Ölpreis ab.

Der Tagesverlauf des Mai-Kontrakts für WTI (Grafik: Bloomberg)

Die extremen Verzerrungen am Ölmarkt haben am Montag dazu geführt, dass ein Öl-Future für die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) mit physischer Lieferung im Mai unter Null gefallen ist. Er rutschte von 17,85 Dollar pro Barrel auf bis zu -40,32 Dollar. 

Dies führt aus kaufmännischer Sicht zur vordergründig absurden Situation, dass die Ölproduzenten den Abnehmer für eine Lieferung bezahlen. Zumindest theoretisch: In der Realität sind ist Handel mit Futures vor allem spekulativ getrieben. Inhaber von Futures haben oft keine Möglichkeit, physisches Öl zu lagern.

Was sind die Ursachen für den Crash vom Montag? 

Über die unmittelbaren Gründen für den Crash des Öl-Futures rätselten die Märkte am Montag: Haben Händler falsch agiert? Waren unerfahrene Anleger am Werk?

Der Hintergrund ist klarer: Die Nachfrage nach Öl ist dermassen gesunken, dass in den USA die Lager voll werden. In Cushing im US-Staat Oklahoma, dem Zentrum des amerikanischen Pipeline-Systems, sind die Lager zu etwa drei Vierteln voll. Bei der Lagerung von Öl besteht ein Platzproblem. 

 

 

Welche Rolle spielt der «Contango»?

Der WTI-Kontrakt hat sich am heutigen Dienstag wieder auf 1,38 Dollar erholt. Die Ölfutures für Juni liegen allerdings bei rund 20 Dollar pro Barrel.  

Händler sprachen am gestrigen Montag auch von einem "Super-Contango". Vom Contango ist die Rede, wenn ein auf spätere Monate laufender Kontrakt deutlich höher tendiert als der unmittelbare Kontrakt oder auch der Spot-Ölpreis. Da der Juni-Kontrakt den Mai-Kontrakt dieser Tage ersetzt, dürfte dies zum Preiscrash des Mai-Kontrakts beigetragen haben, weil Händler ihre Futures loswerden wollten. 

Der Unterschied zwischen dem Future für Mai und dem Future für Juni war bereits vor dem Montag gross. Möglich ist, dass der Preis des Juni-Kontrakts in den nächsten Wochen ebenfalls sinken wird. 

Wie geht es weiter?

Analyst Ed Morse von der Citigroup sagte: "Wenn sich die Lage bei der globalen Lagerung schneller verschlechtert, könnte Brent WTI nach unten hinterherjagen." Gemeint ist die Nordsee-Ölsorte Brent, die derzeit noch über 23 Dollar pro Fass tendiert.  

Der Ölmarkt werde in den nächsten Wochen "gewaltsam" in eine Art Balance gebracht werden, schreiben Analysten. "Wenn letztlich begrenzt Platz für die Lagerung vorhanden ist, wird die Produktion spürbar sinken müssen", so Experten von Goldman Sachs. Dies könnte den Markt bis Juni ausbalancieren. 

Wird Benzin billiger? 

Der Crash eines Ölkontrakts in den USA wird sich an den Tanksäulen in der Schweiz wohl wenig auswirken. Der insgesamt sinkende Ölpreis wird die Preise für Benzin, Flugbenzin und Diesel voraussichtlich im Mai sinken lassen, aber wohl nicht dramatisch. 

Benzin an den Schweizer Tankstellen ist seit Beginn der Krise Ende Februar um etwa 20 Rappen billiger geworden und kostet derzeit rund 1,40 Franken. Unter Autofahrern wächst der Unmut, dass Benzin angesichts eines kollabierenden Ölpreises nicht bereits viel billiger geworden ist. 

Weil viele von daheim aus arbeiten, wird weniger Auto gefahren, somit dürften Tankstellen noch von gelagertem Benzin leben. Die Mineralölgesellschaften haben damit ein Argument, weswegen der sinkende Ölpreis nicht sofort an die Konsumenten weitergeben werden müsse. Und nicht zu vergessen: Fast 80 Rappen pro Liter beansprucht der Staat in Form von Steuern für sich.

Mit Material der Agenturen Bloomberg und Reuters.