Trumps vorläufig unterbrochener Zollhammer und die damit verbundene Unsicherheit rütteln seit Wochen die Finanzmärkte durch. Die Pharmaindustrie ist bisher davon gekommen, denn Arzneimittel waren vorläufig von den neuen US-Zöllen ausgenommen.
Die Unsicherheit in der Branche ist dennoch gross. Denn Donald Trump kündigte an, er werde Zölle «in einem Ausmass, wie man es noch nie zuvor gesehen hat», gegen ausländische Pharmaunternehmen einführen. Trump sagt: «Je höher der Zoll, desto schneller kommen sie.» Am Markt war von Zöllen um die 25 Prozent die Rede - die Frage ist nur, wann. Er habe einen Zeitplan, so der US-Präsident.
Am Montag machten erneut Spekulationen die Runde, wonach die US-Regierung formelle Untersuchungen zu den Importen von Arzneimitteln und Halbleitern einleitet, welche die Grundlage für Zölle aus Gründen der nationalen Sicherheit schaffen.
Solche Zölle würden Herausforderungen für Unternehmen mit sich bringen, die in den USA Medikamente verkaufen, aber nicht da produziert werden. Dies betrifft im Grunde die gesamte Branche, da die meisten Unternehmen weltweit tätig sind und somit ihre Produktionsstätten über den Globus verteilt haben. Zölle würden zu höheren Kosten und demnach Preisen für Endkunden führen, die bei nicht lebenswichtigen Medikamenten durchaus zu einem Umsatzrückgang führen könnten, da die Wettbewerbsfähigkeit reduziert würde.
Für die Schweiz wäre dies ein erheblicher Schlag. Da die USA mit beinahe 50 Prozent der Schweizer Pharmaexporte ein wichtiger Absatzmarkt sind, ist eine gewisse Furcht wohl berechtigt. So gaben die Schweizer Gesundheitswerte nach Trumps erster Ankündigung um bis zu 3,8 Prozent nach.
Grösse und Geografie als Vorteil
Aber: Nicht alle Sektoren dürften gleichermassen betroffen sein, wie Rune Sand-Holm, Portfoliomanager bei DNB Asset Management, betont. Insbesondere bei den hoch kapitalisierten Biopharmaunternehmen sieht er wenig Grund zur Sorge. Die Welt und die Amerikaner benötigen nach wie vor die lebensrettenden Behandlungen, die diese Unternehmen herstellen.
Dies bestätigt Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter, wie sie gegenüber primenews sagte: «Die USA sind bei bestimmten lebenswichtigen medizinischen Produkten von der Schweizer Pharmaindustrie abhängig.» Die Abhängigkeit sei so gross, dass die USA insgesamt mehr Waren aus der Schweiz importiere als umgekehrt. «Es sind genau die Produkte der Pharmaindustrie, welche dieses Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber der Schweiz verursachen», so Schneider-Schneiter.
Sand-Holm von DNB führt weiter aus, dass die meisten der Biopharmaunternehmen in ihren Betriebsabläufen flexibel genug seien, um zumindest einige der negativen Auswirkungen auszugleichen und trotz allem weiterzuwachsen. So will der Pharmakonzern Novartis in den nächsten fünf Jahren insgesamt 23 Milliarden Dollar in den Ausbau der Produktion und der Forschung in den USA investieren. Einen zweistelligen Milliardenbetrag will auch Roche in den USA investieren, wie die «NZZ am Sonntag schrieb».
Auch Unternehmen der Medizintechnik, die oftmals ihre Fertigung in Ländern haben, in denen Trump hohe Zölle eingeführt hat, müssen sich auf Änderungen einstellen. Allerdings sollten gerade für grosse Unternehmen dank flexibler Abläufe solch politische Veränderungen zu bewältigen sein, beziehungsweise zumindest einige der negativen Auswirkungen ausgeglichen werden.
Aus Schweizer Sicht ist hier besonders Lonza von Interesse. Aus einem Marktbericht von Vontobel geht jedoch hervor, dass potenzielle US-Zölle das Unternehmen direkt wenig schmerzen würden, höchstens indirekt durch höheren Preisdruck bei künftigen Verträgen. Finanzchef Philippe Deecke informierte Analysten relativ schnell in einem Call über das geringe Exposure des Unternehmens gegenüber den US-Zöllen. Sollten US-Zölle kommen, könne Lonza aber dank der Vertragsstruktur die höheren Kosten an die Kunden weitergeben, heisst es von Jefferies.
Unter Druck
Kritischer sieht Sand-Holm die Situation für kleine und mittlere Biotechnologieunternehmen, insbesondere solche, die Finanzmittel benötigen. Der Zugang zu den Kapitalmärkten ist in unsicheren Zeiten schwieriger, was diese Unternehmen herausfordert. Gleichzeitig habe die Biotechnologiebranche seit mehreren Jahren mit Herausforderungen zu kämpfen und die Bewertungen seien attraktiv, was zu einer Zunahme der Übernahmeaktivitäten führen könnte. Besonders internationale Pharmakonzerne könnten diese Gelegenheit nutzen, um sich Zugang zu vielversprechenden Technologien zu verschaffen.
Ähnlich sieht es für Unternehmen im Sektor «Life Sciences Tools & Services» aus. In wirtschaftlich angespannten Zeiten gehören Forschungsausgaben oft zu den ersten Posten, an denen gespart wird. Daher haben Anbieter solcher Produkte und Dienstleistungen bisher einen harten Schlag erlitten. Es drohen Rückgänge bei Auftragseingängen, Preisdruck und eine vorsichtigere Planung auf Kundenseite. Laut Sand-Holm könnten sich selbst etablierte Anbieter gezwungen sehen, ihre Preisstrukturen anzupassen, um konkurrenzfähig zu bleiben und Marktanteile zu halten.
Es kristallisiert sich also heraus: Grosse Unternehmen, die in ihrer Produktion und der Produktpalette breit abgestützt sind, müssen weniger bangen als kleinere Unternehmen. Es bleibt demnach abzuwarten, wie Trump mit seinen Zollentscheiden fortfährt. Der Einfluss hängt massgeblich davon ab, welche Art von Zöllen eingeführt werden und welche Handelsrouten oder Produktkategorien betroffen sind.
Je nachdem könnten sich Schweizer Unternehmen gezwungen sehen, Teile ihrer Produktion in die USA zu verlagern, um die Auswirkungen der Zölle abzumildern und den Marktzugang aufrechtzuerhalten. Novartis und Roche scheinen sich mit den angekündigten Investitionen in Milliardenhöhe auf diesem Pfad zu bewegen. Dies wiederum könnte jedoch die Attraktivität des Wirtschaftsplatzes Schweiz reduzieren und insbesondere die Region Basel treffen.
1 Kommentar
Roche ist sogar über 25 % runter gerasselt. Sicher nicht hilfreich waren die erneuten Fehlschläge und die abschätzigen Bemerkungen über Trump vom Idealisten André Hofmann.
Erstaunlich, denn Roche hat in den USA bereits jetzt 25 000 Arbeitsplätze und vor Jahren bei Covid mit den Diagnosemöglichkeiten den USA viel Unterstützung geboten.
Was fehlt, ist eine starke Führungspersönlichkeit..