19 Prozent Gewichtsreduktion in einem halben Jahr - klingt gut. Fettsenker, Abnehmspritzen und Diabetes Pillen zur Bekämpfung des überschüssigen Gewichts liegen im Trend. Der Markt ist für Pharmaunternehmen äusserst attraktiv, da mehr als eine Milliarde Menschen, also 12 Prozent der Weltbevölkerung, übergewichtig sind - Tendenz steigend (The Lancet). Verständlich daher, dass viele Pharmaunternehmen auf den Zug aufzusteigen versuchen.
Höchst erfolgreich aufgesprungen sind die Nordeuropäer. Der dänische Konzern Novo Nordisk ist derzeit der Marktleader mit zwei der meistverkauften injizierbaren Medikamenten. Novo Nordisk konnte dank des Erfolgs der Fettwegspritzen Ozempic und Wegovy kurzzeitig LVMH als grösstes börsennotiertes Unternehmen Europas ablösen und zählt zu den zwanzig wertvollsten Unternehmen weltweit mit einem Marktwert von über 500 Milliarden Dollar - mehr als das Bruttoinlandproduktes von Dänemark.
Das Unternehmen hat die Produktion weiter angekurbelt und vor kurzem angekündigt, 11 Milliarden Dollar für drei Fabriken eines anderen Arzneimittelherstellers zu zahlen. Die Nachfrage nach den Erfolgsprodukten Ozempic und Wegovy ist so hoch, dass Schwierigkeiten bestehen, diese zu befriedigen - trotz hoher Preise.
Diesbezüglich musste sich CEO Lars Jorgensen aber vor dem US-Kongress rechtfertigen. Ozempic und Wegovy haben in den USA einen Listenpreis von mehr als 935,77 Dollar für einen Monatsvorrat, was weit über den Preisen liegt, die sie in einigen europäischen Ländern verlangen.
Börsenmotor von Novo Nordisk geriet zuletzt ins Stocken
Der Börsenmotor von Novo Nordisk geriet zuletzt ins Stocken, insbesondere nach der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen. Der Absatz von Ozempic und Wegovy verfehlte im zweiten Quartal die Erwartungen der Analysten. Die Prognose beim Wachstum des operativen Gewinns im laufenden Jahr wurde vorsichtiger. Die Aktie rutschte daraufhin ab.
Obwohl die Aktien seit Anfang des Jahres um 14 Prozent zulegen konnten, haben sie seit dem Rekordhoch im Juni rund 22 Prozent an Wert verloren und befinden sich auf dem tiefsten Stand seit Ende Januar. Wichtig sind nun Projekte der nächsten Generation, um die Führung auf dem wachsenden Markt zu behalten. Kürzlich legte Novo Nordisk positive Daten für seine neue Anti-Adipositas-Pille “Amycretin” vor, worauf die Aktie um 8 Prozent anstieg. Die jüngst veröffentlichten Studiendaten zu einer anderen Abnehmpille "Monlunabant" liessen jedoch eher zu wünschen übrig.
Der US-Pharmakonzern Eli Lilly ist der grosse Konkurrent von Novo Nordisk. Das Medikament Mounjaro zeigt vielversprechende Ergebnisse, ebenso das Abnehmmittel Zepbound mit dem selben Wirkstoff. Experten sehen Zepbound in Zukunft als bestverkauftes Arzneimittel gegen Fettleibigkeit der Welt. Im letzten Jahr überstieg die Nachfrage nach Mounjaro das Angebot, so dass das Unternehmen zu kräftigen produktionssteigernden Investitionen gezwungen war. Seit 2020 hat Eli Lilly mehr als 20 Milliarden Dollar in den Kauf, den Bau und die Erweiterung von Produktionsanlagen investiert.
Im zweiten Quartal legte Eli Lilly einen Umsatz- und Ergebnissprung hin. In der Spitze zog der Eli-Lilly-Kurs am Tag der Ergebnisveröffentlichung im August um fast 14 Prozent an. Der Optimismus wird in den Aktien und Analystenempfehlungen widerspiegelt.
Die Eli Lilly-Aktie befindet sich seit Anfang April 2023 im langfristigen Aufwärtstrend und verbucht seit Januar 2024 einen Kursgewinn von 51 Prozent. Heute notiert die Aktie bei 880 Dollar, Anfang 2022 noch bei 266 Dollar.
Hoffnungen bei Roche
So klein die Schweiz, so klein ist auch der Anteil von Rohe im Kampf um die Spitze im "Abnehm-Game". Obwohl der Basler Pharmariese mit der Fett-Weg-Tablette Xenical vor rund 30 Jahren so etwas wie ein Pionier auf dem Gebiet der Abnehmmedikamente war, hinkt er heute der Konkurrenz hinterher.
Vor einigen Wochen veröffentlichte Roche erste Daten zu den Schlankheitsmittel-Kandidaten CT-388 und CT-996. Sie stammen von der Übernahme der US-Firma Carmot Ende des letzten Jahres, mit der Roche verlorenes Terrain beim Thema Abnehm-Medis zurückgewinnen will.
Trotz eigentlich positiver Ergebnisse in der Studie wurde über arge Nebenwirkungen berichtet, was Fragen über die Wettbewerbsfähigkeit der Kandidaten und somit Roche aufwarf.
Pharma-Experte Stefan Schneider von Vontobel sagt: “Roche ist eine Firma mit interessanten Produkten in der frühen Entwicklungsphase. Ob diese Produkte schlussendlich von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich weisen.”
Die Fantasie um die neuen Roche-Kandidaten beflügelte die zuvor darbenden Genussscheine, sie erreichten Anfang September ein Jahreshoch bei 288 Franken. Nach den enttäuschenden Studienergebnissen hat sich der Kurs nun im 265-Franken-Bereich eingependelt. Auf das Gesamtjahr betrachtet verzeichnen die Papiere eine Zunahme von rund 8 Prozent.
Fokus auf Pipeline
Für die Bewertung von Pharmaunternehmen generell ist laut einer Studie von Berenberg vor allem die Pipeline entscheidend, da die Branche kontinuierlich neue Medikamente entwickeln muss, um auslaufende Patente und Konkurrenz durch Generika auszugleichen. Dies ist bei einigen bislang erfolgreichen Abnehmmitteln in bestimmten Ländern schon 2026 Tatsache.
Die Schlüsselkennzahl dabei ist die Rentabilität von Investitionen in Forschung und Entwicklung. Sie zeigt die Rendite auf, die ein Unternehmen trotz der langen Entwicklungszeiten und der hohen Ausfallraten von Medikamentenkandidaten erzielt. Mit Renditen von 26 respektive 24 Prozent gehen Novo Nordisk und Eli Lilly als Favoriten aus der Studie hervor, auch Schneider stimmt dieser Bewertung zu.
Weitere Namen, die man gemäss Vontobel-Experte Schneider im Zusammenhang mit Abnehmmitteln im Auge behalten soll, sind die US-Firmen Amgen und Viking Therapeutics sowie die dänische Firma Zealand Pharma. Denn auch diese drei verfügen über Medikamente, die sich in fortgeschrittenen Studienphasen befinden wie beispielsweise MariTide (Amgen), «VK2735» (Viking Therapeutics) oder die Kndidaten Dapiglutide und Petrelintide (Zealand Pharma).
Auch Astra Zeneca oder Pfizer arbeiten fleissig an entsprechenden Produkten. Für solche "Nachzügler" dürfte es jedoch schwierig werden, die Vorreiter einzuholen, nicht zuletzt aufgrund erheblicher Investitionen in Produktionskapazitäten.
Schneider rät von Produktfortschritten als Entscheidungsfaktor für eine Aktien-Wahl ab: “Aktuell ist es noch zu früh, um auf Produkte zu investieren, die frühestens im Jahr 2028 auf den Markt kommen."
Als Anlage aus dem "Dunstkreis" mit den Abnehmspritzen sieht Schneider auch die Burgdorfer Firma Ypsomed als empfehlenswert an. Die Firma stellt Autoinjektoren her, unter anderem für Novo Nordisk, mit denen die Medikamente verabreicht werden können. Die Aktie hat sich im Wert seit Mitte 2022 jedoch schon mehr als verdeifacht.
Für den Gesamtmarkt blickt Schneider optimistisch in die Zukunft: “Der Markt dürfte sich weiterhin positiv entwickeln und auch noch auf andere Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen ausdehnen – diesen Trend sehen wir bereits gut in den Entwicklungspipelines abgebildet.”
1 Kommentar
Bis die Roche-Medis auf dem Markt sind, ist der Kuchen längst verteilt. Das bringt der Volksgesundheit kaum Nutzen.