Christopher DeVocht, ein Zimmermann aus Kanada, hat wie viele andere auch als Daytrader angefangen. Nach der Arbeit hat er in Foren über Aktienhandel gelesen. Am liebsten handelte er mit Optionen auf die Aktien von Tesla

Wie aus einer Gerichtsakte hervorgeht, erlebte er damit eine der heissesten Phasen in der Geschichte der Finanzmärkte. Ende 2019 war sein Konto bei der Brokerage-Abteilung der Royal Bank of Canada (RBC) 88’000 kanadische Dollar wert. Innerhalb von zwei Jahren habe er daraus 415 Millionen kanadische Dollar (306 Millionen Dollar) gemacht, sagt er. 

Manche Leute hätten sich aus dem Staub gemacht. DeVocht tat es aber nicht. Und als die Tesla-Aktien im Jahr 2022 fielen, verlor er alles. Dies geht aus einer Klage hervor, die er gegen RBC Dominion Securities, RBC Wealth Management und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton eingereicht hat. Die Klage, bei der es sich um eine erste Klageschrift handelt, für die in diesem Stadium keine Beweise vorgelegt werden müssen, enthielt keine Maklerauszüge oder andere Belege für seine Gewinne oder Verluste. 

DeVocht behauptet nun, dass die Beratung, die hauptsächlich auf die Minimierung von Steuern abzielte, fahrlässig war und seinen finanziellen Kenntnissen nicht Rechnung trug. Seine Tesla-Anlagestrategie beinhaltete Darlehen von einem Margenkonto der RBC.

Optionshandel und komplexe Strukturen 

«RBC hielt Herrn DeVocht für einen versierten Anleger», heisst es in der Klage. «Während dies in Bezug auf seine Strategien für Put- und Call-Optionen im Handel mit Tesla-Aktien zutraf, hat RBC nicht erkannt, dass Herrn DeVochts Wissen über Investitionen im Allgemeinen, über Finanzplanung und Steuern in Wirklichkeit begrenzt war.» 

RBC war gemäss Bloomberg für keinen unmittelbaren Kommentar erreichbar und hat noch keine Verteidigung in dem Fall eingereicht. Der Anwalt von DeVocht, Sean Hern, lehnte es ab, sich über die Klage hinaus zu äussern. Grant Thornton sagte, dass es sich nicht zu Angelegenheiten äussert, die vor Gericht verhandelt werden. 

«Die einzige Erklärung, die wir zu diesem Zeitpunkt abgeben können, ist, dass wir uns verpflichtet fühlen, allen unseren Kunden qualitativ hochwertige Dienstleistungen in Übereinstimmung mit professionellen Standards zu erbringen», so Grant Thornton in einer per E-Mail versandten Erklärung. 

In der Klageschrift schreibt DeVocht, dass er gut war im Handel mit Tesla-Aktien und -Optionen, aber er war in seinen 20ern, kämpfte mit «erheblichen Atemwegs- und anderen Gesundheitsproblemen» und hatte nur ein begrenztes Finanzwissen. Als er sich im Juli 2020 zum ersten Mal an die RBC wandte, wollte er einen Kredit aufnehmen, um aus seiner Mietwohnung ausziehen und ein Haus kaufen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war sein Portfolio etwa 26 Millionen kanadische Dollar wert - «mit stark steigender Tendenz», wie aus der Klageschrift hervorgeht, die beim Obersten Gerichtshof von British Columbia in Vancouver eingereicht wurde. 

Er wurde bald an einen «Coach und Koordinator» innerhalb der Bank verwiesen, der ihn dann mit einem Buchhalter bei Grant Thornton in Verbindung brachte, so die Klage weiter. 

Das versammelte Team von Fachleuten riet ihm, ein Unternehmen zu gründen, alle seine Wertpapiere in dieses einzubringen und innerhalb des Unternehmens Geschäfte zu tätigen, «mit der Strategie, so viele Tesla-Aktien wie möglich anzuhäufen und sie so lange wie möglich zu halten», so DeVocht in der Klage. 

Die Idee war, die kanadischen Steuerbehörden davon zu überzeugen, das Unternehmen als Investment-Holding und nicht als aktives Handelsgeschäft zu betrachten  - denn für diese Struktur wären niedrigere Steuern fällig geworden. 

Dies führte zu einer «extremen Konzentration in Tesla», die mit entsprechenden Risiken verbunden war, so DeVocht. Als die Aktie im Jahr 2021 in die Höhe schoss, zahlte sich das aus - seine Portfolios stiegen von 186 auf 415 Millionen kanadische Dollar innerhalb von etwa acht Monaten. Danach brachen sie zusammen. 

«Nichts wert»

Tesla-Aktien litten im Jahr 2022 unter einer enormen Volatilität, die geprägt war von einer Reihe von Rückgängen und sowie periodischen Erholungen. In dieser Zeit versuchte DeVocht, einen Teil der Verluste wettzumachen, indem er sich 20 Millionen kanadische Dollar von seinem Unternehmen lieh und sie für kurzfristige Geschäfte auf seinem persönlichen Konto verwendete. 

Diese Strategie schlug fehl, und er verlor das Geld. Als die Tesla-Aktien im Oktober 2022 noch stärker einbrachen, musste DeVochts Unternehmen seine Tesla-Bestände verkaufen, um die Kredite von dem Margin-Konto bei der RBC zu begleichen. 

DeVocht und sein Unternehmen versuchten, diese Verluste zu mindern, aber mit der Zeit waren die «Wertpapierbestände nichts mehr wert». Ohne die «unzureichende Beratung», die DeVocht erhielt, hätten er und sein Unternehmen «einen erheblichen Teil ihres Vermögens bewahrt und eine Finanzplanung durchgeführt, die nicht zum Verlust ihres gesamten Nettovermögens geführt hätte». 

DeVocht und sein Unternehmen fordern allgemeinen Schadenersatz wegen Vertragsbruch und Fahrlässigkeit. In seiner Klage wird auch behauptet, dass die Empfehlungen der RBC, 25,5 Millionen kanadische Dollar für wohltätige Zwecke zu spenden, einen erheblichen Teil seines Vermögens vernichtet hätten.

(Bloomberg)