Der Blick in die Statistik des Bundes zeigt: Eine neu ausbezahlte Rente aus der beruflichen Vorsorge beläuft sich für Frauen im Median auf 1217 Franken pro Monat, für Männer auf 2077 Franken pro Monat. «Im Median» bedeutet, dass die eine Hälfte der ausbezahlten Renten höher und die andere Hälfte tiefer als der jeweilige Betrag war.
Die Spanne ist dabei mitunter gross. Manche Männer erhalten weniger als 1200 Franken, während einige über 4000 Franken bekommen. Nicht wenige Frauen beziehen weniger als 1000 Franken aus der zweiten Säule, derweil andere über 2300 Franken empfangen.
Das Bundesamt für Statistik (BfS) erklärt die Leistungsdifferenzen zwischen Frauen und Männern mit den unterschiedlichen beruflichen Laufbahnen. Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und arbeiten mehr Teilzeit, beides in erster Linie aus familiären Gründen, heisst es. Auch der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern führt zu Differenzen bei den Pensionskassenleistungen.
«Das aktuelle Rentensystem des BVG orientiert sich an einer 100-Prozent-Beschäftigung und benachteiligt Teilzeitbeschäftigte.» Und dies sei einer der Hauptgründe für die Rentendifferenz zwischen Mann und Frau, sagt Andrea Klein, die das Fachzentrum Finanzplanung von Raiffeisen Schweiz leitet.
Sie beobachten allerdings auch, dass Rollenbilder sich verändern. Sprich: Eltern teilen sich Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit neu auf und orientieren sich nicht mehr an dem klassischen Familienmodell. «Zahlreiche Männer geniessen einen Papa-Tag und arbeiten Teilzeit», illustriert Klein die veränderte Situation.
Nach offizieller Statistik arbeiteten im Jahr 2010 rund 13 Prozent der Männer weniger als 90 Prozent und damit Teilzeit. Mittlerweile sind es fast 20 Prozent. Im gleichen Zeitraum blieb der Anteil teilzeiterwerbstätiger Frauen in etwa konstant. Der Anteil Teilzeitarbeitender an der Gesamterwerbsbevölkerung ist etwas gestiegen - von 34 auf 37,6 Prozent.
Unter anderem hier will die aktuell diskutierte Reform der beruflichen Vorsorge anknüpfen. Mit dieser Reform werde der Nachteil der Teilzeitbeschäftigung weitgehend aufgehoben, sagt Klein. «Dies ist eine gute Motivation, die Aufteilung von Familienarbeit und Beruf zu überdenken - frei von finanziellen Nachteilen in der 2. Säule.»
Zwei Bausteine der Pensionskassenreform sollen Teilzeiterwerbstätige und Personen in flexiblen Arbeitsmodellen besserstellen: Die Senkung der Eintrittsschwelle und die Reduktion des Koordinationsabzugs.
- Eintrittsschwelle: Sie soll von 22’050 auf 19’845 Franken sinken. Das sieht nach einem kleinen Schritt aus. Er dürfte nach Angaben des Bundes und von Raiffeisen allerdings 70'000 Personen neu in die Pensionskasse befördern; rund 30'000 werden mit einem höheren Lohn versichert. «Dies sind vor allem Erwerbstätige mit tiefem Einkommen - überwiegend Teilzeitarbeitende - sowie Arbeitnehmende mit mehreren Arbeitgebern», schreibt Raiffeisen in einem am Dienstag veröffentlichten Papier. Ein Problem heute ist: Wer beispielsweise drei Jobs ausübt und bei jedem 20'000 Franken pro Jahr verdient, ist in der Regel nicht versichert, obwohl er insgesamt 60'000 Franken verdient. Mit der Reform würde er in die berufliche Vorsorge aufgenommen.
- Koordinationsabzug: Der versicherte Lohn wird ermittelt, indem ein Betrag vom Bruttolohn abgezogen wird - der Koordinationsabzug. Gegenwärtig beträgt er 25'725 Franken und ist unabhängig von Einkommen und Beschäftigungsgrad fix. Somit wirkt sich der Abzug besonders stark auf tiefe Einkommen aus. Neu soll der Koordinationsabzug 20 Prozent des Bruttogehalts betragen. Versichert sollen somit 80 Prozent des Lohns sein.
Raiffeisen hat berechnet, wie sich der Koordinationsabzug bei unterschiedlichem Bruttolohn auf den versicherten Lohn auswirkt. Die Kernbotschaft lautet: «Je tiefer der Lohn, desto grösser die Wirkung.»
Wie sich die Anpassung des Koordinationsauszugs auswirkt:
Bruttolohn | Koordinationsabzug heute | Versicherter Lohn heute | Koordinationsabzug neu | Versicherter Lohn neu | Veränderung in % |
30'000 | 25’725 | 4’275 | 6’000 | 24’000 | 461 |
50’000 | 25’725 | 24’275 | 10’000 | 40’000 | 65 |
88’200 | 25’725 | 62’475 | 17’640 | 70’560 | 13 |
Quelle: Raiffeisen.
Aufgrund der Umstellung steigt der versicherte Lohn, insbesondere von Menschen mit tiefem Einkommen, also von Personen in Teilzeitpensen, in Tieflohnjobs und in Mehrfachbeschäftigung. Dadurch sinkt der gegenwärtige Nettolohn, dafür wird die Altersvorsorge gestärkt.
Allerdings zeigen Erhebungen, dass zurzeit nur ein kleiner Teil der Pensionskassen den gesetzlichen Koordinationsabzug verwendet. Laut dem Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PWC) sind es 12 Prozent, gemäss Raiffeisen 11 Prozent. Die anderen Vorsorgeeinrichtungen «nutzen schon heute ihren Gestaltungsfreiraum im Interesse ihrer Destinatäre», schreibt PWC. So betrachtet erscheint die BVG-Reform eher als Evolution, nicht als Revolution des Schweizer Vorsorgesystems.
2 Kommentare
Die bvg Revision soll Gunsten der tieflöhner und der Frauen in Teilzeit angenommen werden
Genau so ist es.
Leider aber ist der Widerstand von Links so gross, dass es die Vorlage schwer haben wird.
Es ist schade, dass linke Kreise auf Teufel komm raus immer die Taube auf dem Dach wollen, statt sich mit dem Spatz in der Hand zufrieden zu gebe.