Sie müssen sich entscheiden: Glauben Sie an steigende Kurse in den nächsten Monaten, oder trauen Sie dem Markt nicht? Als Leserinnen und Leser von cash.ch haben einige von Ihnen kürzlich abgestimmt. Das Resultat war: Für 54 Prozent sind die Unsicherheiten zu gross für eine so genannte Jahresendrally, für 46 Prozent hingegen ist das Potenzial für steigende Kurse noch da.
Aber egal, wie die Prognose ist – man will vor allem die Risiken kennen. Mit Handelskonflikten und der sich verändernden Geldpolitik, schwankenden Währungskursen, politischen Krisen oder unternehmensspezifischen Unwägbarkeiten gibt es genug solcher Risiken. Anlegerinnen und Anleger beschäftigen sich mit ihnen jeden Tag.
Ob man risikofreudig oder risikoavers anlegt: Man hat die Möglichkeit, sich den Beta-Faktor von Aktien anzuschauen. Der Beta-Faktor gibt an, wie viel mehr oder wie viel weniger als der Markt der Kurs einer Aktie schwankt. Ein Beta-Faktor über 1 besagt, dass die Aktie stärker steigt und fällt als der Index, der zum Vergleich herangezogen wird. Ist der Wert tiefer als 1, schwankt der Kurs weniger deutlich als der Markt.
Risiko oder Schutz vor Risiko
Bei der Anwendung dieses Kennwerts müssen am Anfang einige Warnungen vorangestellt werden: Der Beta-Faktor, ein Bewertungsinstrument, hat auch seine Schwächen und Grenzen. Weil er rückwärtsbetrachtend ist, ist seine Funktion als Vorlaufindikator limitiert. Wenn Unternehmen im Betrachtungszeitraum grössere Veränderungen erlebt haben, wie beispielsweise Zukäufe oder Kapitalerhöhungen, nimmt seine Aussagekraft ab.
Aber trotzdem ist der Beta-Faktor in der Finanzanalyse etabliert. Denn das generelle Kursrisiko lässt sich mit ihm besser abschätzen. In der ETF-Industrie, also bei den börsenkotierten Indexfonds, wird mit dem Beta für Anlagestrategien geworben. Smart-Beta-ETF verwenden neben anderen Kennzahlen den Beta-Faktor, um beispielsweise möglichst risikoarme Aktien zu definieren und so Indizes zu bauen, die dann vor starken Schwankungen oder fallenden Märkten schützen sollen.
SMI-Aktien mit Beta höher als 1
3-Monate- Beta | 12-Monate- Beta | |
Lonza | 1,31 | 0,9 |
Credit Suisse | 1,25 | 0,92 |
ABB | 1,24 | 1,08 |
Novartis | 1,17 | 1,38 |
UBS | 1,16 | 0,88 |
Sika | 1,15 | 1,25 |
Julius Bär | 1,11 | 0,81 |
Adecco | 1,08 | 0,81 |
LafargeHolcim | 1,04 | 1,01 |
SMI | 1 | 1 |
Alle Daten: Interactive Data/cash.ch
Im Schweizer Leitindex SMI, wie die Tabelle zeigt, haben Banken und Zykliker in letzter Zeit ein hohes Beta erreicht. Bei Lonza, wo das Drei-Monats-Beta bei 1,31 liegt und damit den Höchstwert im SMI bildet, müssten gemäss Beta-Faktor die Kurse bei einer Jahresendrally stärker steigen als der SMI. Wer sich von der relativ hohen Bewertung von Lonza mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 33 nicht abschrecken lässt, kann sich also von dieser Aktie noch Rendite erhoffen.
Der Beta-Faktor wird auch herangezogen, um Vergleiche zu machen: So weisen in den vergangenen drei Monaten alle drei Banken im SMI ein Beta über 1 auf: Die Credit Suisse mit 1,25, die UBS mit 1,16 und Julius Bär mit 1,11. Wer also an einen Kursschub auf Ende Jahr setzt und dabei mit Bankaktien verdienen will – und ein bisschen spekulativ unterwegs ist – investiert am besten in Titel der Credit Suisse. Bei den Pharma-Aktien zeigt sich bei Novartis ein Drei-Monats-Beta über 1, während es bei Roche tiefer als 1 liegt. Eine positive Marktstimmung würde somit die Novartis-Aktie besser tragen. Generell stehen manche Analysten im Moment auf der Seite von Novartis, so auch der Anlagechef der Zürcher Kantonalbank, Christoph Schenk.
Und auch bei den konjunktursensitiven Aktien wie ABB und LafargeHolcim dürfte sich ein Kursanstieg am Markt positiv auf die Performance auswirken. Diese Titel haben den Druck gespürt, der vom Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der USA und der EU ausgegangen sind. Eine Entspannung des Konflikts würde dem Markt generell und zyklischen Titeln im Besonderen helfen. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn der Markt tatsächlich in den Rückwärtsgang geht, sind bei diesen Titeln höhere Verluste wahrscheinlich.
SMI-Aktien mit Beta tiefer als 1
Auch für diesen Fall wollen viele Anleger gewappnet sein. SMI-Aktien mit einem tiefen Beta sind interessant für jene, die dem Markt nicht trauen und auf Sicherheit setzen. Die Dividendentitel Zurich, Swiss Life und Swiss Re mit Betas unter 1 werden so gesehen zu "Aktien für alle Fälle". Zurich und Swiss Re haben im bisherigen Jahresverlauf keine massiven Ausschläge gezeigt und stehen auch nicht im Risiko, dass sie bis zum Jahresende massive Kursveränderungen erleben werden.
Bei den Luxusgüter-Aktien Swatch und Richemont hat sich das Beta von der 12-Monate-Betrachtung zum 3-Monate-Rückblick deutlich verändert. Von hohen 1,37 (Swatch) beziehungsweise 1,32 (Richemont) fiel der Wert auf tiefe 0,91 respektive 0,92. Anfang Jahr stiegen beide Aktien deutlich, getrieben von Exportdaten und einem effizienteren Vertrieb. Dann kam in beiden Fällen der Kursverlauf ins Stocken und liess nach. In beiden Fällen sind die Anleger deutlich risikoaverser geworden. Mit Blick auf die nächsten Monate bleiben diese Aktien wohl eher wenig volatil, auch wenn ihnen längerfristig von vielen Analysten noch einiges an Potenzial zugetraut wird.