Der historische Gefangenenaustausch, der zur Freilassung des US-Journalisten Evan Gershkovich und 15 weiterer Gefangener führte, wurde durch ein persönliches Versprechen ermöglicht, das Bundeskanzler Olaf Scholz dem US-Präsidenten Joe Biden bei einem Besuch im Weissen Haus gab. Bis Donnerstag war es alles andere als klar, dass der Plan gelingen würde.

Während der Kanzlerreise am 9. Februar hatte Biden an Scholz appelliert, Wadim Krassikow, den sogenannten Tiergartenmörder, als Teil einer komplexen Sechs-Länder-Vereinbarung freizulassen.

Der Bundeskanzler war zunächst zurückhaltend: Krassikow hatte 2019 am helllichten Tag in dem Berliner Park einen Georgier tschetschenischer Abstammung ermordet, angeblich auf persönlichen Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russische Behörden hatten den Mann als tschetschenischen Terroristen eingestuft. Krassikow wurde dann in Deutschland wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und hatte erst einen kleinen Teil seiner Strafe verbüsst. Am Ende lenkte Scholz, der Biden als engen Freund bezeichnet, ein.

«Wir machen das»

«Es waren zwei Männer, die versucht haben, eine Lösung zu finden», sagte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, am Donnerstag nach der Bekanntgabe der Vereinbarung gegenüber Journalisten. «Darum ging es bei all diesen Gesprächen, und letztendlich konnte der Kanzler dem Präsidenten sagen: ‘Wir machen das’.»

Scholz hatte dem Gefangenenaustausch in der Annahme zugestimmt, dass auch der russische Aktivist Alexej Nawalny beteiligt sein würde. Eine Woche später verstarb der Regime-Gegner jedoch in russischer Haft.

Am 16. Februar, Nawalnys Todestag, traf sich Sullivan mit den Eltern von Gershkovich, Ella Milman und Mikhail Gershkovich, so ein hoher Beamter der US-Regierung. Der Reporter des Wall Street Journal wurde in Russland unter dem Vorwurf der Spionage festgehalten — Vorwürfe, die er und die Zeitung stets zurückwiesen.

Das nationale Sicherheitsteam befürchtete laut dem Beamten, dass sich der Tod Nawalnys auf die Bemühungen um die Freilassung von Gershkovich und Paul Whelan, einem weiteren in Russland inhaftierten Amerikaner, auswirken würde. Sullivan habe jedoch gegenüber Gershkovichs Eltern betont, dass er immer noch eine Lösung sehe.

Kurz darauf machte Putin in einem Interview mit dem ehemaligen Fox-News-Moderator Tucker Carlson deutlich, dass jegliche Einigung von der Freilassung Krassikows abhängen würde. «Wir haben bestimmte Bedingungen, die über die Kanäle zwischen den Spezialdiensten diskutiert werden», sagte Putin. «Ich glaube, dass eine Einigung erzielt werden kann.»

Im April entwarf Sullivan in Bidens Auftrag einen Vorschlag für Scholz, der nach Angaben des hochrangigen US-Beamten die Arbeit des nationalen Sicherheitsteams des Weissen Hauses von mehr als einem Jahr widerspiegelte.

Unterdessen hatten deutsche Regierungsvertreter wiederholt Berichte dementiert, wonach Krassikow Teil eines Deals sein könnte. Scholz lehnte einen Kommentar zu der Angelegenheit stets ab, wenn er danach gefragt wurde.

Slowenien miteinbezogen

Die endgültigen Vereinbarungen seien am 21. Juli getroffen worden, nachdem Biden den slowenischen Ministerpräsidenten Robert Golob angerufen habe, sagte ein US-Beamter. Der US-Präsident habe den slowenischen Regierungschef gebeten, zwei in Slowenien als Spione inhaftierte Russen freizulassen, um das Abkommen zu ermöglichen.

Es war ein intensiver Tag für den 81-Jährigen. Etwa eine Stunde später kündigte Biden an, seine Wiederwahlkampagne zu beenden.

Scholz brach am Donnerstagabend sein Schweigen und unterbrach seinen Sommerurlaub, um die im Rahmen des Austauschs freigelassenen deutschen Staatsangehörigen zu begrüssen.

«Niemand hat sich diese Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nach nur wenigen Jahren der Haft abzuschieben», sagte Scholz am Flughafen Köln-Bonn. Aber die Verpflichtung der Regierung, ihre Bürger zu schützen, und die Solidarität mit den USA zähle mehr.

Biden sagte am Donnerstag, er schulde Scholz «grossen Dank».

«Die Forderungen, die an mich gestellt wurden, verlangten von mir, dass ich einige bedeutende Zugeständnisse von Deutschland erhalte, was sie ursprünglich wegen der fraglichen Person nicht tun konnten», sagte der Präsident im Weissen Haus.

(Bloomberg)