Der Schein am Schweizer Arbeitsmarkt trügt. Im März gab es 3000 Arbeitslose weniger als im Vormonat, teilte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) letzte Woche mit. Im Vergleich zum Vormonat blieb die Arbeitslosenquote stabil. Alles gut also?
Nicht ganz. Ein genauerer Blick auf die Statistik zeigt: Vergleicht man die Arbeitslosigkeit mit dem Vorjahresmonat sieht es alles andere als rosig aus: Die Arbeitslosigkeit stieg gegenüber März 2023 um 17,1 Prozent! Blick zeigt in vier Punkten, wie das kommt, und was es bedeutet.
1. Trendwende? Normalisierung!
«Der Schweizer Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einer sehr guten Verfassung», betont das Seco auf Rückfrage von Blick. Die Arbeitslosenquote liegt bei 2,4 Prozent. Im langjährigen Vergleich ein tiefer Wert. Zwischen 2013 und 2017 etwa lag die Quote im Jahresschnitt stets bei über 3 Prozent.
Der prozentual starke Anstieg gegenüber dem Vorjahr hängt mit dem Überschiessen der Wirtschaft nach der Pandemie zusammen. Die sowieso schon tiefe Arbeitslosigkeit sank dadurch weiter – und kehrt nun zur Normalität zurück. Von einer negativen Trendwende hingegen kann nicht die Rede sein.
2. Schwächelnde Weltwirtschaft und erste Entlassungswellen
2023 kündigten nach Jahren des branchenübergreifenden konjunkturellen Fachkräftemangels erstmals wieder vermehrt Schweizer Unternehmen Massenentlassungen an. Besonders in der exportorientierten Industrie, die sich am starken Franken und der schwächelnden globalen Konjunktur die Zähne ausbeisst.
Von der Ankündigung einer Massenentlassung dauert es mit Konsultationsverfahren und Kündigungsfrist Monate, bis die Betroffenen in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Es war eine Frage der Zeit, bis sich die Entwicklung des vergangenen Jahres in der Statistik niederschlägt.
3. Der Fachkräftemangel ist gekommen, um zu bleiben
Anders als vor zwei Jahren herrscht kein genereller Arbeitskräftemangel mehr, der sich über alle Branchen und Ausbildungsstufen zieht. Doch der strukturelle Teil des Fachkräftemangels wird uns noch Jahre begleiten: In den kommenden Jahren gehen die letzten Babyboomer (Jahrgänge 1946 bis 1964) ordentlich in Pension – und es rücken weniger neue Arbeitskräfte nach. 300'000 bis 500'000 Arbeitskräfte – je nach Schätzung – werden der Schweizer Wirtschaft in wenigen Jahren fehlen.
4. Die Statistik ist nur die halbe Wahrheit
100'000 Menschen sind gemäss Seco als arbeitslos gemeldet. Doch viele Fälle struktureller Arbeitslosigkeit sind darin gar nicht enthalten. Allein im März wurden knapp 2500 Menschen ausgesteuert. Sie haben ihr Recht auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschöpft und verschwinden aus der Statistik.
Hinzu kommen Frauen, die nach einer Mutterschaftspause wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen. Oder Leute, die temporär, in Teilzeit oder im Stundenlohn angestellt sind und gerne mehr arbeiten würden. Rechnet man sie hinein, ergibt sich die sogenannte Arbeitsmangelquote, welche laut Bundesamt für Statistik bei 8,7 Prozent liegt. Das sind 441'000 Betroffene.
Dieser Artikel erschien zuerst im Blick unter dem Titel: "17 Prozent mehr Arbeitslose als vor einem Jahr".
6 Kommentare
Die publizierte "Arbeitlosenrate" des SECO ist halt leider komplett falsch. Es ist in Wirklichkeit die Zahl der Anmeldungen beim RAV. Die tatsächliche Arbeitslosenrate ist mehr als doppelt zu hoch. Sie kann jederzeit beim BFS nachgelesen werden. Nur werden immer die SECO Zahle unter dem komplett falschen Label "Arbeitlosenrate" publiziert. Warum wohl...
Und nun kommen noch die Rumänen und Bulgaren. Natürlich alles Fachkräfte. Der Arbeitsverdrängungskampf wird noch schlimmer. Aber unsere Politiker, die merken nicht, wie es dem Volk geht. Für sie ist es primär: Bananen, Apple Kopfhörer, Spesen, Teuerungsausgleich. DAS sind wichtige Themen.
Auch interessant wäre für viele die Ausgesteuerten. Also diejenigen, die sich trotz Arbeitsbemühungen nicht wieder in die Wirtschaft rückintegrieten liessen.
Arbeitslose sind das Eine, durch die Nischen des Systems gerutschte, das Andere.
Über 55 jährige beispielsweise, die angelogen werden, dass sie über qualifiziert seien..?!
Grüessdi, ...
viele ü50 wollen keine Weiterbildung absolvieren und die Löhne verflachen sich natürlicherweise da kaum aussergewöhnliche Lohnerhöhungen stattfinden und der Lohn aufgrund der letzten BVG-Steigerung tendenziell verflacht oder reduziert. Meiner Erfahrung nach bedeutet überqualifiziert = bei Neueinstellung hat der/die zukünfige Chef/in Angst vor umfassenderem Wissen (70% Anstellung anbieten), meistens jedoch zu hohe Lohnforderung!
Zu ergänzen ist sicherlich noch, dass gerade ältere Arbeitnehmer oftmals falsche Vorstellungen zu Salärhöhe, hierarchischer Positionierung und Mühe mit jüngeren (oder weiblichen) Vorgesetzten haben.
Ein 50-Jähriger ist nicht mehr so leistungsfähig wie ein 40-Jähriger, ein 60-Jähriger ist nochmals weniger leistungsfähig. Das muss sich natürlich auch im Salär widerspiegeln.
Und Erfahrung ist in einer sich rasch wandelnden Welt kein Asset mehr, oftmals sogar eher ein Hindernis, zeigt es doch, dass ein viel zu langes verharren im selben Arbeitsbereich von Bequemlichkeit zeugt.
Alle Angaben korrekt, bis auf die Tatsache, dass Erfahrung den Aelteren schneller macht und zuverlässiger und gründlicher arbeitet.
Als jung wechselt man öfters, weil sonst Trägheit den Wissendurs lähmt, ab ca. 40 ist Weiterbildung und Flexibilität das grosse Kapital.