Nachdem AstraZeneca Daten zu seiner Abnehm-Pille vorgelegt hatte, fielen die Aktien des Konkurrenten Viking am Montag um 13 Prozent, sie verzeichneten damit den grössten Verlust seit März. Die Daten von AstraZeneca deuteten auf ähnliche Vorteile bei der Gewichtsabnahme wie die von Viking hin. Die Valoren der beiden weiteren Konkurrenten Eli Lilly und Novo Nordisk litten ebenfalls unter Gewinnmitnahmen.
Die Viking-Titel hatten sich in diesem Jahr bis Freitag vervierfacht, angetrieben von der Wette an der Wall Street, dass die nächste Wachstumswelle im Adipositas-Markt durch leichter einzunehmende Pillen ausgelöst wird, die mehr Komfort und möglicherweise weniger Nebenwirkungen versprechen. Die Pillen könnten auch dazu führen, dass mehr Patienten die Medikamente länger einnehmen, ein potenzieller Umsatztreiber mit langfristiger Wirkung.
Die Ergebnisse erhöhen die Intensität des Wettlaufs zwischen grossen Pharmakonzernen und kleineren Biotech-Unternehmen. Mit der Lancierung von Pillen gegen Fettleibigkeit wird erhofft, dass sich die Anzahl potenzieller Anwender stark vergrössert. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird der Markt schätzungsweise 130 Milliarden Dollar erreichen.
Aufgrund des derartigen Marktwachstums sind Investoren jedoch über die Fähigkeit von Viking besorgt, die Medikamente in ausreichenden Mengen produzieren zu können, so Joon Lee, Analyst bei Truist Securities.
Viking befindet sich deshalb in Gesprächen mit verschiedenen Unternehmen - Arzneimittelherstellern und Auftragsfertigern - über Partnerschaften, um die Produktion zu steigern, sagte Unternehmenschef Brian Lian kürzlich in einem Interview.
Verstärkter Konkurrenzdruck
Die Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten aus der Studie von Viking, die am Sonntag auf einer Branchenkonferenz veröffentlicht wurden, zeigen, dass eine Pille gegen Fettleibigkeit bald Realität werden könnte: Laut der Präsentation auf der ObesityWeek-Tagung verloren Personen, die 100-Milligramm-Dosen der Pille von Viking einnahmen, in einer Frühphasenstudie mit 92 Personen nach 28 Tagen durchschnittlich 6,8 Prozent ihres Körpergewichts im Vergleich zu denjenigen, die ein Placebo einnahmen.
Das Medikament «wurde gut vertragen, es traten nur leichte Fälle von Übelkeit auf, und die Patienten brachen die Behandlung nicht ab», gemäss einem Bloomberg-Analysten. Die Nebenwirkungen ähnelten denen anderer Medikamente gegen Fettleibigkeit. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Unternehmen im vierten Quartal zu einer Studie im mittleren Stadium übergehen könnte, so der Experte weiter.
AstraZeneca veröffentlichte jedoch auf der gleichen Konferenz Daten, die zeigen, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes in einer frühen Studie mit seiner GLP-1-Pille AZD5004 über vier Wochen durchschnittlich 5,8 Prozent ihres Körpergewichts verloren. Die Gewichtsreduktion sei wichtig, so der britische Arzneimittelhersteller, da diese Patienten im Vergleich zu fettleibigen Patienten ohne Diabetes in der Regel weniger Gewicht mit GLP-1 verlieren.
AstraZeneca möchte seine Medikamente zur Gewichtsreduzierung mit anderen Produkten in seinem Portfolio kombinieren, einschliesslich Medikamenten zur Behandlung von Herzkrankheiten.
Novo Nordisk entwickelt ebenfalls eine Pille zur Gewichtsabnahme, die nach eigenen Angaben den Patienten hilft, ungefähr so viel Gewicht zu verlieren wie die Wegovy-Spritze.
Und auch Eli Lilly befindet sich in fortgeschrittenen klinischen Versuchen für sein oral einzunehmendes Medikament Orforglipron, das laut einer im letzten Jahr veröffentlichten Mid-Stage-Studie bei täglicher Verabreichung der höchsten Dosis an Erwachsene mit Fettleibigkeit einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von etwa 15 Prozent innerhalb von 36 Wochen bewirkte.
Arzneimittelhersteller wie Pfizer und AstraZeneca haben ebenfalls Pillen in Arbeit, ebenso Roche.
Nach der Veröffentlichung der Daten von Viking fielen die Aktien von Novo Nordisk in Kopenhagen um gut 2 Prozent. Die Lilly-Aktien schlossen in New York mit einem Minus von 1,6 Prozent. Roche reagierte kaum auf die Nachrichten.
Hoffen auf eine Übernahme
Die Daten zur Gewichtsabnahme von Viking übertrafen die Erwartungen der Investoren und erhöhten die Chancen, dass ein grösseres Pharmaunternehmen das Biotech-Unternehmen kaufen könnte, so der für das Unternehmen zuständige Analyst bei William Blair.
Das in San Diego ansässige Unternehmen Viking wurde 2012 vom derzeitigen Firmenchef Lian mitbegründet, der als Forscher im Bereich Krebs und endokrine Erkrankungen bei Amgen tätig war, bevor er Analyst bei SunTrust Robinson Humphrey wurde und sich auf Diabetes und andere Krankheiten konzentrierte.
Das Unternehmen entwickelt auch Medikamente gegen nichtalkoholische Lebererkrankungen und andere Krankheiten. «Wir erkennen zwar an, dass es riskant ist, unsere Investitionsthese auf eine eventuelle Übernahme zu stützen, aber die Aussichten sind ziemlich gut», meint der William-Blair-Analyst.
(Bloomberg/cash)