Der stärkere Franken habe die Umsatzentwicklung im ersten Halbjahr gehemmt, zudem werde der Jahresnettoumsatz 2024 - währungsbedingt - unverändert wohl leicht unter dem Vorjahreswert zu liegen kommen. Das teilte Ems Chemie zu den Zahlen des ersten Semesters mit.
Anleger können nun aber Hoffnung schöpfen. Keim ist ausgerechnet der starke Franken - und die mögliche künftige Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank. Experten sowohl von Belvédère Asset Management als auch der Zürcher Kantonalbank gehen von einer weiteren Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,00 Prozent aus. «Damit wäre das neutrale Niveau erreicht und weitere Senkungen nicht mehr opportun», schreibt Belvédère-Experte Giorgio Saraco in einem Marktkommentar von Anfang Woche.
Für die USA und die Eurozone sehen die Fachleute ein grösseres Zinssenkungspotenzial. Die US-Notenbank Fed könnte die Leitzinsen bis gegen drei Prozent senken, die Europäische Zentralbank bis auf zwei Prozent. Damit würde sich die Zinsdifferenz zwischen der Schweiz und den anderen Währungsräumen verringern - was Aufwertungsdruck auf den Franken bedeutet. Das aber ist eben nur ein Teil des Gesamtbildes.
Die Nationalbank verfügt noch über einen anderen Hebel als Zinssenkungen zum Umgang mit einem starken Franken: Bei Bilanztransaktionen bestehe sehr wohl ein gewisser Spielraum, sagt Saraco. «Sollte der Franken weiter stark bleiben, wird die SNB früher oder später intervenieren und den Franken mit Devisenkäufen schwächen.»
Die Zürcher Kantonalbank sieht in den Anfang August angestiegenen SNB-Sichtguthaben ein Indiz für bereits erfolgte Devisenmarktinterventionen. Zur Erklärung: Wenn die Nationalbank am Markt eingreift, kauft sie Devisen und schreibt den Banken im Gegenzug Franken gut. Dadurch steigen die Sichtguthaben. Zugleich weicht der Druck einer Frankenaufwertung.
Ein schwächerer Franken wäre ein «willkommener Rückenwind» für Schweizer Unternehmen, wie Saraco bemerkt - insbesondere für Firmen «mit Produktion in der Schweiz, die exportieren», so der Experte. Er nennt Ems als ein Unternehmen, das profitieren könnte. Der Spezialchemikonzern unter der Leitung von CEO Magdalena Martullo-Blocher erzielt aufgeschlüsselt nach Ort des Kunden knapp 13 Prozent des Nettoumsatzes in den USA, rund 20 Prozent in Deutschland und etwas mehr als 16 Prozent in China. Auf die Schweiz entfällt ein Anteil von drei Prozent.
Weiter ist Ems dabei, den technischen Verkauf und die Entwicklung in Amerika, Asien und Europa auszubauen. Angesichts dieser weltoffenen Ausrichtung dürfte der Konzernzentrale in Domat/Ems ein schwächerer Franken willkommener sein als ein stärkerer. Hinweise, dass die Ems-Aktien wieder steigen, gibt es. Die Bank Vontobel hat in einem Kommentar nach dem Halbjahresbericht günstige langfristige Wachstumstrends in den Schlüsselmärkten der Ems Chemie gesehen. Der Konzern verfüge über ein spezialisiertes Produktportfolio, das von der schwierigen Marktlage relativ wenig betroffen sei. Zudem führe das Management das Unternehmen umsichtig.
Im Schnitt sehen von Bloomberg erfasste Analysten den Kurs auf 746 Franken steigen, was ein vierprozentiges Plus gegenüber dem aktuellen Kurs bedeutet. Jedoch sind die Ems-Valoren mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 36 stolz bewertet. Sie sind teurer als die Aktien des Chemiekonzern Solvay, dessen KVG knapp 25x ist - und etwas günstiger als die Papiere des Chemieherstellers Syensqo. Dessen KVG liegt bei 41. Dafür hat Ems in den letzten Jahren stets Dividenden ausbezahlt. Die Zürcher Kantonalbank schätzt den Betrag für 2024 auf 16 Franken, für 2025 auf 17,50 Franken.
Auch Belimo, Emmi, Tecan und VAT können profitieren
Neben Ems Chemie nennt Saraco Belimo, Emmi, Tecan und VAT als exportierende Unternehmen, die von einem schwächeren Franken besonders profitieren können. Tatsächlich machen sie einen grossen Teil ihres Geschäfts in Währungsräumen ausserhalb der Schweiz, wie aus den Jahresberichten 2023 hervorgeht.
Beispielsweise macht Belimo je rund 44 Prozent des Umsatzes in Amerika und im EMEA-Raum (Europa, Naher Oster, Afrika). Etwa 12 Prozent erzielt der Raumklimaspezialisten in Asien. Oder Tecan: Der Laborausrüster erwirtschaftet 57 Prozent des Umsatzes in Nordamerika, 27 Prozent in Europa und 15 Prozent in Asien.
Keine der vier Aktien - Belimo, Emmi, Tecan und VAT - ist aktuell speziell günstig bewertet. Belimo weist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 47 auf, Emmi liegt bei 25, Tecan bei 36 und VAT bei 66. Angaben von Bloomberg zufolge schütten aber alle vier Unternehmen im Jahr 2025 eine höhere Dividende aus als im Jahr 2024: Belimo 9 Franken (zuvor: 8,50 Franken), Emmi 17 Franken (zuvor: 15,50 Franken), Tecan 1,65 (zuvor: 1,50 Franken) und VAT 6,50 Franken (zuvor: 6,25 Franken).
Die Aktienkurse haben sich seit Anfang Jahr sehr unterschiedlich entwickelt. Drei der Valoren haben weiteres Aufwärtspotenzial. Es resultiert aus der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs und dem von Analysten erwarteten Zwölf-Monate-Kursziel.
Performance seit Anfang Jahr (in %) | Aktueller Kurs (in CHF) | Durchschnittliches Kursziel (in CHF) | Aufwärtspotenzial (in %) | |
Belimo | +23,0 | 575,50 | 513,91 | -10,7 |
Emmi | -3,4 | 879,00 | 977,00 | +11,1 |
Tecan | -17,8 | 284,00 | 332,33 | +17,0 |
VAT | +4,5 | 437,30 | 491,67 | +12,4 |
Quelle: Bloomberg / Stand: 3. September, 14 Uhr.
Aufgrund dieser Informationen dürften Belimos Aktien nach einer starken Performance seit Anfang Jahr mittelfristig wieder an Wert verlieren. VAT wird die positive Entwicklung im laufenden Jahr voraussichtlich fortsetzen. Emmi und Tecan dürfen die seit Januar aufgelaufenen Verluste aufholen.
Dem Luzerner Milchverarbeiter winkt mit dem Kursziel von 977 Franken ein Anstieg auf den höchsten Stand seit April 2022. Allerdings sind die Preisziele für Emmi und Tecan in den letzten Monaten gefallen, die Analysten sind zurückhaltender geworden.
Freilich wird der weitere Geschäftsverlauf nicht nur von der Währungsentwicklung abhängen. Für Belimo spielt etwa Nachfrage aus dem Bausektor eine Rolle, für Emmi die Konsumentenstimmung. Tecan wird von der Entwicklung am Biopharmamarkt beeinflusst, VAT von vom Gang des Halbleitersektors.
Franken als sicherer Hafen gefragt
Kommt die Frankenabwertung tatsächlich, würde der Trend der letzten Monate gebrochen. Seit Ende April hat die Schweizer Währung gegenüber dem Euro und dem Dollar deutlich aufgewertet. Er profitierte unter anderem von seinem Status als sicherer Hafen in von Krisen belasteten Zeiten - ein Umstand, der auch weiterhin für feste Frankenotierungen spricht.
Derweil sieht die ZKB den Euro bei 93 Rappen. Den Dollar veranschlagt sie in drei Monaten mit 85 Rappen und in zwölf Monaten mit 82 Rappen. Somit geht die Bank von einer weiteren Aufwertung des Franken aus - der Euro notiert aktuell bei 94 Rappen, der Dollar bei etwas über 85 Rappen.
Jedoch erhält die Erwartung, der Franken werde wieder schwächer und unterstütze so Schweizer Firmen, Rückenwind durch die jüngsten Inflationsdaten. Die Teuerungsrate betrug im August 1,1 Prozent und hat sich damit stärker als erwartet verlangsamt. Das spricht für eine weitere Lockerung der geldpolitischen Zügel durch die Nationalbank.
Zuvor schon hatten von der UBS befragte Analysten eine SNB-Leitzinssenkung um 25 Basispunkte auf 1,00 Prozent im September als wahrscheinlichstes Szenario gesehen. Weiter schätzten die Befragten die Wahrscheinlichkeit eines SNB-Leitzinses unter 1,00 Prozent bis zum zweiten Quartal 2025 auf 49 Prozent. Eine Minderheit der Experten kann sich sogar einen Leitzins von 0,5 Prozent oder weniger vorstellen. Derart tiefe Leitzinsen begünstigen eine Frankenabwertung - was man in den Konzernleitungen mancher Schweizer Unternehmen aufmerksam verfolgen wird.
12 Kommentare
Als der Franken 2015 gegenüber dem € nach oben sprang hatte diese ein enormes Kostenproblem. Die bürgerlichen Politiker sprachen vollmundig darüber die Industrie zu unterstützen.
Meines Erachtens gibt es in der Schweiz viele ideologisch verursachte Kosten die es in vielen Staaten nicht gibt. Dazu gehört die Schwerverkehrsabgabe, die VOC Abgabe, CO2 Kosten, teures parken von LKW und Automobilen usw.
Was spräche dagegen administrativ verursachte Kosten zu senken um die verbliebenen industriellen Produktionsstätten zu erhalten.
Übrigens: Ems operiert nach wie vor unverändert in Russland. Alleine dieser Umstand ist für mich ein NoGo und errinnert sehr an die dunkle Geschichte von Ems, als es nach dem Krieg Nazis für sich arbeiten liess. Nachzulesen in Regula Blochers Buch über die Ems. Und die Ems tut sich bis heute schwer mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit.
Vielleicht sollte man den Blick mehr auf die Kunden und Kundeskunden von EMS werfen als auch den CHF. Insb. die Automobil-Industrie und deren Zulieferer bilden ein wichtiges Kundensegment von EMS und dieser Branche stehen harte Jahre bevor - man schaue nur auf den rückläufigen Automobil-Absatz, der sich nicht nur bei VW mit starken Auswirkungen zeigt. Im Vergleich dazu sind die paar Prozent Wertsteierung des CHF gegenüber dem EUR vernachlässigbar.
Nachdem Vater Blocher predigt, dass starke Schweizer Firmen problemlos mit einem starken Schweizer Franken wirtschaften können, sind es vor allem SVP-nahe Firmen wie Stadler, und EMS, die damit nicht zu Rande kommen.