Hochfrequenzhändler (HFT) kaufen und verkaufen Wertpapiere mithilfe von Computer-Algorithmen in Bruchteilen von Sekunden. Die Gewinne je Transaktion sind gering, summieren sich aber wegen der Vielzahl der Geschäfte. Tempo ist dabei entscheidend, weshalb Hochfrequenzhändler über blitzschnelle Computer-Verbindungen zu den Börsen verfügen. Nicht nur der Handel mit Wertpapieren wird elektronisch ausgeführt – aber auch die Entscheidungen fällen heutzutage nicht mehr Menschen, sondern Maschinen.

Doch die Branche steht zunehmend im Gegenwind. Kritiker argumentieren, Hochfrequenzhändler würden den Markt manipulieren, weil sie mehr Informationen als andere Marktteilnehmer zur Verfügung hätten. Vor allem Privatanleger können in Sachen Geschwindigkeit niemals mit den Algo-Tradern mithalten.

«Eine Art Casino zuungunsten der Privaten»

Prof. Marc Chesney ist Vizedirektor des Instituts für Banking und Finance an der Universität Zürich.

 
cash: Herr Chesney, welche Bedeutung hat der Hochfrequenzhandel (HFT)?
Marc Chesney:
Für die Schweiz haben wir keine genauen Zahlen, aber sie liegen wahrscheinlich in der Nähe der EU, wo HFT etwa 50 Prozent des Aktienhandels ausmacht.
 
Was ist das Problem beim HFT?
Es ist eine Art Casino zuungunsten der Privatanleger. Hochfrequenzhändler wie Grossbanken und Hedgefonds haben grosse Geschwindigkeitsvorteile. Zusammen mit der Undurchsichtigkeit und den Manipulationsmöglichkeiten der Aktienpreise von HFT führt das dazu, dass Transaktionen entstehen, die nicht im Sinne von freien Märkten und des Liberalismus funktionieren.
 
Welchen Einfluss hat das auf die Stabilität unseres Wirtschaftssystems?
Der ganze Finanzplatz und die Wirtschaft werden dadurch instabiler. Unsere Wirtschaft funktioniert nicht nach Mikrosekunden.

Wie könnte man dieser Gefahr vorbeugen?
Ich persönlich befürworte eine Transaktionssteuer in der Höhe von zum Beispiel 0,1 Prozent auf sämtliche Trades. Das würde schon eine Menge korrigieren. Denn unsere Wirtschaft sollte der breiten Masse und nicht einzelnen grossen Playern dienen.

 

Zudem erschüttern immer wieder elektronische Pannen das Vertrauen in die Branche des ultraschnellen Handels. So zum Beispiel der «Flash Crash» von 2010. Der Dow Jones sackte damals innerhalb einer halben Stunde um 1000 Punkte ab. Grund dafür waren unkontrollierte Computer-Aufträge eines einzigen Investmentfonds.

In den USA werden bereits 70 Prozent von HFT gehandelt

Befürworter des HFT entgegnen, an den Märkten werde für mehr Liquidität gesorgt. Je öfter ein Wert gehandelt werde, desto realistischer sein Preis, desto kleiner die Spanne zwischen Angebots- und Nachfragepreis einer Aktie. Unbestritten ist, dass der Einfluss der Trading-Maschinen wächst. Experten gehen davon aus, dass in den USA mittlerweile der HFT-Anteil am gesamten Aktienhandel bei rund 70 Prozent liegt.

Für Aufsehen und zusätzlichen Wirbel hat kürzlich auch ein Buch des Starautors Michael Lewis gesorgt. In «Flash Boys» kritisiert er die Hochgeschwindigkeitsbranche, vor allem das sogenannte «Front Running». Durch ihren Geschwindigkeitsvorteil erkennen Hochfrequenzhändler die Handelspläne der anderen Marktteilnehmer frühzeitig und nutzen diese zu ihren Gunsten. Zudem können die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Börsen ausgenutzt werden (im Jargon «Arbitrage» genannt).

Regulierung soll Märkte widerstandsfähiger machen

Laut Lewis, der selbst als Investmentbanker tätig war, geschieht das systematisch und im grossen Stil. «Was einst der öffentlichste und demokratischste Finanzmarkt der Welt war, ist zu einem privaten Anlass verkommen», schreibt Lewis. Die Verlierer dieses Wettlaufs sind seiner Meinung nach die langsameren Marktteilnehmer – Privatanleger, aber auch institutionelle Investoren, die Milliarden von Pensionskassengelder verwalten.

Auch die Behörden nehmen den Hochfrequenzhandel unter die Lupe. FBI und die US-Justiz gingen der Frage nach, ob die schnellen Computergeschäfte die Gesetze zum Insider-Handel verletzen. Mit einer neuen Regulierung sollen die Finanzmärkte stabiler und widerstandsfähiger gemacht werden.

Auch Autor Lewis stellt eine Lösung vor, wie der Börsenhandel wieder gerechter gemacht werden kann. Eine Gruppe von Bankern und Programmierern hat die Schaffung eines Handelsplatzes initiiert, der die Aufträge aufgrund ihres Eingangs ausführt und alle Teilnehmer gleich behandelt. Der IEX genannte Handelsplatz ist seit Oktober 2013 in Betrieb und soll noch in diesem Jahr zu einer öffentlichen Börse werden. Der Kampf Mensch gegen Maschine soll so ein bisschen gerechter werden.

Diesen Artikel finden Sie auch im Jubiläums-Magazin «cash VALUE Trading» 2014. Das Magazin können Sie gratis bestellen, als PDF herunterladen oder als ePaper lesen.