Die Preise für Wohneigentum in der Schweiz sind im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 1,1 Prozent gestiegen, nachdem diese im ersten Quartal noch leicht gesunken waren. Derzeit findet eine Normalisierung des Marktes nach zehn aussergewöhnlichen Jahren statt: Zunächst verringerten sich die Finanzierungskosten für Eigenheime aufgrund der Negativzinsen. Anschliessend führte die Covid-19-Pandemie dazu, dass der Stellenwert eines eigenen Zuhauses für viele Haushalte stark zunahm. Dies führte zu einer aussergewöhnlich hohen Nachfrage nach Wohneigentum.

Die Häuserpreise werden aber auch in den kommenden Monaten und Jahren kaum sinken. Einiges deutet eher darauf hin, dass die Immobilienpreise mehr oder weniger stabil entwickeln oder steigen werden. «Wir erwarten moderate Anstiege, da die Nachfrage grundsätzlich hoch bleibt und das Angebot begrenzt ist», sagt Robert Weinert, Forschungsleiter des Immobiliendienstleisters Wüest Partner. Wenn die Nachfrage mal temporär sinkt, warten verkaufsbereite Eigentümer lieber ab, anstatt ihre Preisvorstellungen drastisch nach unten zu korrigieren.

Die UBS erwartet für das Jahr 2024 ein Anstieg von 2,5 Prozent bei Eigentumswohnungen und 1,5 Prozent bei Einfamilienhäusern. Eine verstärkte Preisdynamik sieht die Grossbank im kommenden Jahr. Die ZKB sieht für Schweizer Eigenheimpreise im laufenden und im kommenden Jahr jeweils einen Anstieg von 2 Prozent als realistisch an.

Starke Einflüsse auf den Immobilienmarkt gehen von zwei Trends aus: von der Zuwanderung und vom Klimawandel. Absehbar ist gemäss Prognosen des Bundes, dass die ständige Wohnbevölkerung die 9-Millionen-Marke bald überschreitet und daraufhin weiter wächst. Neben der politisch umstrittenen Frage, ob diese Entwicklung opportun sei, ist relevant, «dass zugewanderten Personen ein Dach über dem Kopf brauchen und Wohnraum nachfragen werden», sagt Michel Benedetti, Mediensprecher vom Immobilieninformationszentrum IAZI.

Zu den Folgen des Klimawandels führt er aus: «Gewisse Dorfgemeinden werden unbewohnbar, Menschen wandern ins Unterland ab, wo die Baulandreserven teilweise schon jetzt recht knapp sind.» Somit wachse der Druck auf Verdichtung.

Für viele bleibt das Haus mit Garten ein Traum 

Die bereits hohen und voraussichtlich weiter steigenden Immobilienpreise haben Folgen. «Obwohl das Einfamilienhaus mit eigenem Garten für viele ein Traum ist, bleibt für Haushalte oft nur der Kauf einer Eigentumswohnung als finanziell realisierbare Option, um sich den Wunsch nach Wohneigentum zu erfüllen», sagt Thomas Rieder, Immobilienökonom bei der UBS. Dadurch dürfte sich die Nachfrage weiter von Einfamilienhäusern hin zu Eigentumswohnungen verlagern.

Auch in Bezug auf die Wohnfläche lassen sich die Auswirkungen des gestiegenen Preisniveaus erkennen: Haushalte suchen nach weniger Wohnfläche, um die finanzielle Belastung zu reduzieren. In den kommenden Jahren wird laut Rieder auch eine vermehrte Nachfrage nach alternativen Wohnformen zu verzeichnen sein, wie zum Beispiel Tiny Houses. Ausserdem werden Mikroapartments, Studentenheime, Co-Living oder Business Apartments auf dem Mietwohnungsmarkt immer gefragter. Alle diese alternativen Wohnformen bleiben jedoch weiterhin Nischen.

Weiterhin hoher Preisdruck in Zürich und Genf

Robert Weinert sieht grössten Preisänderungen in Regionen, die steuerlich attraktiv sind, gute Verkehrsanbindungen und ein starkes Arbeitsplatzangebot haben. Dazu zählt die Innerschweiz, die Genferseeregion und die Region Zürich. 

Luft nach oben haben jedoch auch Orte ausserhalb der Metropolitanregionen. Dorthin ziehen vermehrt Menschen, «die sich die hohen Preise in den Hotspots nicht mehr leisten können oder möchten», erklärt Benedetti. Beispiele sind Glarus und Schaffhausen.

Unklar ist die Entwicklung in den Tourismusgebieten. Hier gibt es zwar eine rege, nach Weinert sogar sehr hohe Nachfrage nach Zweitwohnungen. Das spricht für höhere Preise. Laut Benedetti könnten die Preissteigerungen durch das Zweitwohnungsgesetz noch weiter stimuliert werden. 

Das verfügbare Angebot hingegen wird massgeblich von der Bautätigkeit beeinflusst. «Die noch zu wenig praktizierte Verdichtung und die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Erschliessung neuer Baulandflächen werden es auch in den kommenden Jahren herausfordernd machen, ausreichend Wohnraum für das erwartete Bevölkerungswachstum zu schaffen», so Rieder. Von der Neubautätigkeit erwartet auch Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), nur geringe Impulse, sodass hauptsächlich ältere Liegenschaften auf den Markt kommen. Dadurch bleibt die Angebotssituation angespannt und führt zu weiteren Preisanstiegen.

Kaufen oder Mieten? Es gibt keine allgemeingültige Antwort

Aufgrund der wieder gestiegenen Zinsen war Mieten in den vergangenen rund zwei Jahren günstiger als Kaufen. Mit den wieder fallenden Zinsen rückt Wohneigentum wieder vermehrt in den Fokus.

Die Abwägung, ob Kaufen vorteilhafter als Mieten ist oder umgekehrt, ist allerdings vielschichtig. Sie beinhaltet auch weiche Faktoren, etwa: Wie gross ist der emotionale Wert des eigenen Zuhauses, die Wohnsicherheit und der Gestaltungsspielraum? Oder ist es einem lieber, als Mieter den Vermieter kontaktieren zu können, wenn ein Gerät ausfällt oder etwas nicht funktioniert? Mag man die Flexibilität, die das Mietverhältnis bietet?

Dann aber gibt es auch Sachzwänge: «Urbanes Wohnen ist gefragt. Da aber Eigenheime aufgrund der hohen Preise für viele Mieter unerschwinglich geworden sind, weichen viele potenzielle Eigenheimkäufer auf ländlichere und erschwinglichere Regionen aus», sagt Ursina Kubli von der ZKB.

Ausserdem greift es zu kurz, allein die Hypothekarkosten den Mietkosten gegenüberzustellen. Eine Vollkostenrechnung beinhaltet, so rechnet Weinert vor, Hypothekarzinsen, Unterhaltskosten und Opportunitätskosten. Letztere entsprechen dem Wert der nicht realisierten Anlagealternativen. Hineinspielen zudem steuerliche Aspekte, insbesondere der Eigenmietwert und der Schuldzinsabzug.

Vorausschauend handeln

Wichtig sei auch, so der Experte von Wüest Partner, mögliche positive Wertänderungen beim Wohneigentum einzubeziehen. Deshalb sei es schwierig, jetzt vorherzusehen, was günstiger ist, da zukünftige Wertänderungen das Ergebnis beeinflussen. In der Vergangenheit war Wohneigentum oftmals im Vorteil, da die Wertsteigerungen sehr stark waren.

Die UBS sagt: Im ersten Quartal 2024 waren die jährlichen finanziellen Aufwendungen für eine durchschnittliche Eigentumswohnung noch um 7 Prozent höher als bei einer vergleichbaren Mietwohnung. Bis Anfang 2025 wird es jedoch voraussichtlich wieder günstiger sein, zu kaufen anstatt zu mieten.

Reto Zanettin
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ManuelBoeck
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